Mädchentod - Julia Heaberlin

  • Bewertung:


    Das Buch beginnt mit einem Erzählschnipsel über Tessas 17. Geburtstag. Ihr erster Geburtstag nachdem man sie gefunden hat.
    Der erste Teil des Buches spielt in zwei Zeitebenen, der Gegenwart und in der Zeit nach dem schrecklichen Ereignis 1995. Das Buch ist aus Tessas Sicht geschrieben, aber der Leser bekommt dadurch keinen allwissenden Einblick, sonder sie lässt ihn auch nur sehen, was sie zu dem Zeitpunkt preisgeben will.


    Was Tessa geschehen ist, ist gruselig und makaber. Der Anfang erinnert mich irgendwie an Simon Beckett. Sachlich, kühl, nüchtern mit forensischen Ermittlungen im Fokus.
    Wir begleiten Tessa 1995 bei ihren Psychiaterterminen und erfahren so über ihr Leben nach dem Mordversuch. Sie kann und will sich nicht erninnern und ist wahrscheinlich aufgrund des erlebten Traumas zeitweise erblindet.


    In der Gegenwart schließt sich Tessa der Bewegung an, die gegen die Todesstrafe für ihren vermeintlichen Peiniger Terrell arbeitet. Sie will ihnen helfen, da ihr einige seltsame Ereignisse Zweifel haben kommen lassen, ob er wirklich der damalige Täter sein kann. So beginnt eine Art Wiederaufnahme des Falles…


    Das Buch enthält immer wieder geheimnisvolle Sätze, die den Leser über ihre damaligen Erlebnisse und die Jahre danach rätseln lassen. Es ist sehr spannend geschrieben, der Leser möchte entdecken, was Tessas Geheimnisse sind und ob der Verurteilte wirklich unschuldig ist.


    Man erfährt immer weiter winzige Details, aber das Rätsel bleibt vehement so groß wie zuvor. Kaum rückt das Verständnis ein Stück näher, tauchen neue Fragen auf. Das erfordert besonders im Mittelteil Geduld. Wie wurde aus der damaligen Tessie die Tessa von heute? Zur Mitte des Buches verändern sich die beiden Erzählstränge und das Tempo nimmt zu. Relativ kurz vor Ende weiß man immer noch nicht, wie sich die Geschichte auflösen soll.


    Das Ende gerät dann leider im Vergleich zum sehr detailverliebten Mittelteil viel zu kurz. Manche Fragen werden nicht umfassend beantwortet. Was hat Lydia, Tessas frühere Freundin, angetrieben und wie kam sie zu ihren Einsichten? Da wurde das Potenzial des Buches vergeben. Insgesamt ist das Buch sehr geheimnisvoll und rätselhaft und bietet trotz des unbefriedigenden Endes in großen Teilen spannende Lesestunden.


    7 von 10 Punkten


    Inhalt:


    Kurz vor ihrem 17. Geburtstag wurde Tessa Cartwright halb begraben auf einem Feld in Texas gefunden – inmitten menschlicher Gebeine, kaum am Leben und ohne Erinnerung an ihre Entführung. Als einzige Überlebende eines Serienkillers gelangte sie zu zweifelhaftem Ruhm. Ihr Peiniger wurde schließlich gefasst. Knapp zwei Jahrzehnte sind seitdem vergangen – doch plötzlich erhält Tessa verstörende Nachrichten. Nachrichten, die nur vom Täter kommen können. Sitzt ein Unschuldiger in Haft? Will der Mörder sein Werk vollenden? Tessa muss die Wahrheit finden – und schneller sein als der Killer.

  • Tessa ist die einzige Überlebende eines Serienmörders. Halbtot wurde sie mit einer anderen Mädchenleiche und Knochen in einem Erdloch gefunden. Der Täter wurde angeblich gefasst und verurteilt. Tessa erinnert sich aber an nichts mehr. Ihre Entführung und was genau geschah ist aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Auch 20 Jahre später weiß sie noch immer nicht, was damals geschah. Der Täter, ihr „Monster“ steht kurz vor der Hinrichtung. Ein junger Anwalt sucht Tessa auf, da er von seiner Unschuld überzeugt ist. Auch Tessa hat ihre Zweifel an der Täterschaft. Und zwar in erster Linie, weil immer mal wieder eine bestimmte Blumenart in ihrer Umgebung gepflanzt wurden. Die gleichen Blumen, mit denen damals ihr Fundort bedeckt war und den Opfern ihren Spitznamen gaben: Schwarzäugige Susannen. Tessa ist sicher, dass der Täter noch frei ist und sie mit diesem Psychospielchen quält.


    Und damit begann auch schon mein erstes Problem mit dem Buch. Die ersten Blumen tauchten kurz nach der Verurteilung auf. Aber erst 20 Jahre später kommt sie auf die Idee, dass dann der Mann im Gefängnis wohl kaum der Täter sein kann. Sie lebt deswegen in ständiger Angst, besonders auch um ihre 14jährige Tochter. Diese Ausgangslage ist mir gleich etwas Stirnrunzeln verursacht.


    Man sollte sich auf keinen schnellen Thriller einstellen, wenn man zu diesem Buch greift. Die Spannung lässt lange auf sich warten. Der Schreibstil ist recht anstrengend, voller Bilder und seltsamen Metaphern. Ein Beispiel:
    „Ihr Büro hingegen erinnerte mich an einen dicken Lieblingsonkel, der schrille Hemden trägt und einem ein leicht zerdrücktes Stück Twinkie-Kuchen aus der Hosentasche anbietet“


    Ein Büro wie ein Lieblingsonkel. Nett, vielleicht auch witzig, aber auf Dauer anstrengend und überladend. Und trotz der vielen Worte ist die Autorin sehr ungenau in ihrer Beschreibung. Ich hatte oft das Gefühl, etwas überlesen zu haben. Wir sind viel in Tessa Kopf, in dem ja die Susannen spuken und sie hin und her gerissen ist zwischen dem Wunsch, sich auch weiterhin nicht zu erinnern oder sich lieber doch die Wahrheit wissen zu wollen. Es gibt zwei Erzählebenen, Tessa im heute und Tessa (Tessie) 1995, kurz nach dem Verbrechen. Mir haben die Rückblicke weniger gefallen als das heute. Aber Tessa ist so oder so eine anstrengende Figur. Spannend wird es erst etwas nach der Hälfte und gegen Ende. „Mädchentot“ ist ja leider wieder einmal ein Buch, das als nächstes „Gone Girl“ beworben wird. Ein großer Fehler. Ich hoffe, dass es endlich bei Verlagen mal ankommt, wie nervig und unnötig und auch schädigend dieser Werbespruch ist. Dieses Buch hat gar nichts mit „Gone Girl“ zu tun. Ja, es gibt einen Twist, aber es ist viel geschwätziger, nicht so böse und auch nicht so spannend. Und Tessa ist nicht unzuverlässig als Erzählerin, sie hat eine Erinnerungslücke.


    Zwischendurch gibt es viel Polizeiarbeit, Anwaltssachen, und interessante Einschübe aus der Forensik. Das hat mir überraschend gut gefallen. Die Story an sich ist auch gut, aber ich hatte am meisten Probleme mit dem Schreibstil, der so wage ist und doch so überbordend. Man wird als Leser mit dem Geheimnis geködert, aber am Ende ist man dann auch nicht wirklich viel schlauer. Für mich sind nicht alle Dinge geklärt, ich habe da noch ein paar Fragezeichen im Kopf. Ein seltsames Buch, für das ich nur 6 Punkte geben kann.

  • MÄDCHENTOD ist ein Buch, das mir in erster Linie durch das leuchtende, hübsch gestaltete Hochglanz-Cover aufgefallen ist. Da ich unter anderem ein Faible für Psychothriller habe und mich zudem die Inhaltsbeschreibung ansprach, kam ich nicht umhin, die Geschichte um Tessa Cartwright und ihre grauenvolle Entführung zu lesen. Der Titel umfasst einen kurzen Prolog, die Vorkommnisse in drei wesentliche Teile rund um Verhandlung, Verurteilung und Hinrichtungstermin, den Epilog und abschließende Worte: Das Ende. JULIA HEABERLIN erzählt im regelmäßigen Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit überwiegend in erster Person Singular aus Sicht der weiblichen Hauptfigur Tessa beziehungsweise Tessie. Weitere Personen kommen erst im letzten Drittel des Buches zu Wort. Einschübe aus dem Prozess runden das Bild insgesamt ab. Achtzehn Jahre nach der Tat kehrt Tessa in das Haus ihrer Großeltern zurück, um damalige Zeichnungen, angefertigt kurz nach der Tat, aus einem Versteck im Keller zu bergen. Diese sind allerdings nicht das einzige Geheimnis, das viele Jahre im Verborgenen liegt. Tessie, wie sie einst genannt wurde, hat sich nicht von ihren Psychiatern knacken, andererseits jedoch zu viele Eindrücke von außen an sich herankommen lassen. Die Verhandlung von Terrell Darcy Goodwin, dem zu Lasten gelegt wird, junge Mädchen ermordet und schließlich ihre Knochen und Körper auf ein Feld geworfen zu haben, war kein Paradestück. Indizien sprechen sogar gegen seine Schuld. Heute mehr denn je. Kurz vor Goodwins Hinrichtung wird der Fall neu aufgerollt. Es wird Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen. Tessa ist die einzig Überlebende, doch ihre Erinnerungen sind getrübt. Die Leserschaft weiß durch Inhaltsbeschreibung und Anspielungen in etwa, worum es geht. Doch was damals genau geschah, wird erst Schritt für Schritt, aus unterschiedlichen Zeitrahmen betrachtet, zusammengeführt. Die Herangehensweise der Autorin birgt großes Spekulationspotenzial. Die Spannungskurve ist entsprechend hoch, wenn auch eher latent vorhanden. Durch gemäßigtes Erzähltempo macht sich schnell ein gewisses Unwohlsein breit. Genau die richtige Atmosphäre für derlei Ereignisse. Allerlei Andeutungen und Hinweise lassen die Hirnzellen der Leser rotieren. Wichtige Einzelheiten und Zusammenhänge offenbaren sich trotz gewisser Vorahnungen allerdings erst zum Ende des Buches. Die finale Auflösung zeitweise unerklärlicher Begebenheiten ist nachvollziehbar, allerdings auch etwas zu gut terminiert und alles in allem zu sehr konstruiert. Als Psychothriller fehlt es der Geschichte hier und da an Pepp und Überraschung, als Psychogramm hingegen, zeigt MÄDCHENTOD durchaus Wirkung. Und eines muss man JULIA HEABERLIN lassen: Sie hat gut recherchiert und ihr Wissen zu gegebener Zeit in den Verlauf der Handlung einfließen lassen.


    Fazit: MÄDCHENTOD betrachtet Geschworenenprozesse und Todesstrafe mit Argwohn. Das Geschehen um Tessa als traumatisiertes Opfer und Goodwin als fragwürdigen Täter führt zu Unbehagen und Denkprozessen beim Leser. JULIA HEABERLIN erzählt insgesamt eine unterschwellig spannende und vor allem interessante Geschichte.