Kurzbeschreibung (gem. Amazon)
Ein bisschen ist das mit dem Fernbus wie mit einer durchzechten Nacht. Man kommt dehydriert und zerknautscht zu Hause an und schwört sich: nie wieder. Bis zum nächsten Mal. Denn wer billig und flexibel verreisen will, muss in den Bus. In seinem Inneren herrscht fröhliche Anarchie: Es gibt keine Sitzplatzreservierung, keine Businessclass, keine Gepäckaufgabe. Beziehungen werden kurz vor der Abfahrt in Hamburg beendet und auf dem langen Weg nach München beweint, der Fahrer steht auf Helene Fischer, und der Typ hinten links lässt garantiert seinen Geldbeutel an der Tankstelle liegen. Dennoch schwören Millionen auf den Bus. Auch Sina Pousset steigt leidenschaftlich gerne ein und erzählt in ihrem Buch hautnah vom letzten großen Abenteuer unserer Zeit – dem Fernbusfahren!
über die Autorin (gem. Amazon)
Sina Pousset studierte Kunst- und Literaturwissenschaft in Karlsruhe, Paris und Oxford. Seit 2012 schreibt sie für die Süddeutsche Zeitung, jetzt.de sowie das Süddeutsche Zeitung Magazin. Sie lebt heute als freie Autorin in Berlin und wartet liebend gerne auf einen Bus, wenn es sie in die Ferne zieht.
meine Meinung
Die Alternative zur Bahn heißt Fernbus. Wer bequem, günstig und gemütlich innerhalb Deutschlands und Europas reisen möchte, kommt um die grünen, großen Busse nicht mehr herum. So konnte auch Sina Pousset nicht widerstehen. Was ihr auf den vielen Fahrten quer durch Deutschland passierte, erzählt sie nun in „Keine Ahnung, wo wir hier gerade sind“. Doch hält das Buch, was der Bus verspricht?
Ich selbst bin regelmäßig mit dem Bus unterwegs. Egal, ob von Süd nach Nord oder von Ost nach West, nachdem die Bahn und ich auf Kriegsfuß stehen, habe ich den Bus lieb gewonnen und ruckel durch die Bundesrepublik. Daher habe ich mich auch so sehr auf das Buch gefreut, denn ich erhoffte mir eine witzige, kurzweilige Lektüre. Bekommen habe ich ein für mich vollkommen unlustiges, klischeebeladenes und wenig unterhaltsames Werk.
Sina Pousset ist meist von München oder Berlin aus unterwegs. So wie sie ihre Reisen darstellt, scheint deine Busfahrt DAS Abenteuer schlechthin zu sein, übertroffen nur noch von einem Trip mit Indiana Jones. Sei es nun das Finden der richtigen Haltestelle, das Verstauen des Gepäcks oder das Überstehen der Fahrt. Ich fragte mich beim Lesen oft, ob sie und ich tatsächlich die gleichen Fernbusse nutzen oder ich bisher nie mit dem Survival-Bus unterwegs war.
Schon nach ein paar Kapiteln wurde für mich deutlich, dass das Abenteuerliche nicht am Fernbus, sondern am Unvermögen der Autorin liegt. Anders kann ich es mir nicht erklären, wie man 3 Busse nacheinander verpassen kann, weil man sich auf das wacklige WLAN am Busbahnhof verlässt, statt einfach die mobilen Daten, die eine angehende Journalistin immer haben sollte, zu nutzen. Desweitern bleibt es mir unverständlich, wie man sich über das Verstauen von Gepäck seiner Mitfahrer lustig machen kann, wenn man selbst wie ein Lastesel in den Bus steigt. Sina Poussett führt bestimmte Menschen vor, belädt sie mit Klischees und Vorurteilen und merkt dabei nicht, dass sie genau so perfekt in ihre ach so witzigen Beschreibungen passt.
Desweiteren berichtet Sina Pousset gewollt witzig von Begebenheiten auf ihren Reisen, die mir so nie passiert sind. Das kann mein Glück sein oder einfach nur pure Übertreibung seitens der Autorin. Denn Übertreibung macht anschaulich. Klar, ich hatte auch schon die Schülertruppe im Bus, an meiner Schulter schlief ein Punker ein und ich teilte mir mit meinem Sitznachbar eine Steckdose. Das alles lief aber freundlich und offenherzig ab. Bei den Beschreibungen Poussets bekäme ich als Erstfahrerin sogar Angst. Denn wer will denn mit Flirtbiestern, knutschenden Pärchen und dem WC des Grauens unterwegs sein? Fast alle geschilderten Anekdoten kann ich trotz über 30 Fahrten nicht bestätigen, nicht mal im Ansatz. Glück? Zufall? Gewollt? Wer weiß.
Ich blätterte bald nur noch halbherzig durch die einzelnen Kapitel. Bei manchen Anekdoten grinste ich zwar, aber die Leselust war dahin. Sehr schade, denn das Thema ist bestimmt witzig.
Der Stil von Sina Pousset ist zwar gut zu lesen, die gewollte Spritzigkeit dringt aber aus jedem Satz. Als Kolumnen hätten ihre Anekdoten bestimmt einen durchschlagenden Erfolg bei mir gehabt, als gesamtes Buch war es mir zu erzwungen.
Fazit: leider habe ich kein Ticket für diese Sammlung. Schade!