Callan Wink: Der letzte beste Ort. Stories

  • Callan Wink: Der letzte beste Ort. Stories
    Suhrkamp Verlag 2016. 281 Seiten
    ISBN-13: 978-3518425596. 22€
    Originaltitel: Dog Run Moon
    Übersetzer: Hannes Meyer


    Verlagstext
    Literatur wie eine Nacht im Freien
    Es ist ein Ort, an dem die Arbeit für gewöhnlich hart, Geld knapp und die Natur prächtig ist, durchgezogen vom Band des Yellowstone River, mit den Rockies am Horizont. Für die Männer in Callan Winks Stories ist es der letzte beste Ort und ihr Zuhause. Doch jeder von ihnen läuft Gefahr, in der Weite des heutigen American West verloren zu gehen: Einer bezahlt einen Faustschlag mit zwei Jahren Gefängnis. Ein anderer schmeißt alles hin, um auf einer Farm zu schuften. Und noch ein anderer befreit aus Mitleid einen Hund, kurze Zeit später flieht er vor zwei bewaffneten Verrückten quer über die Felsen durch die Nacht, barfuß und nackt …
    Callan Wink hat ein Buch über Sehnsucht, Schuld und das Kräftemessen mit der Natur geschrieben. »Der letzte beste Ort« ist der fulminante Auftakt eines Erzählers, der Richard Ford und Philipp Meyer nachfolgt. Durchwirkt von der Ehrfurcht gegenüber der Schönheit seiner Heimat, in einer Sprache von kristalliner Vehemenz.


    Der Autor
    Callan Wink, geboren 1984, arbeitet seit seinem neunzehnten Lebensjahr als Fly Fishing Guide auf dem Yellowstone River in Montana. Seine Stories erschienen im New Yorker, dem Granta Magazine und der Anthologie The Best American Short Stories. Wink besucht als Stegner Fellow die Stanford University und schreibt derzeit an einem Roman.


    Inhalt
    Der Yellowstone River in den USA durchfließt den Yellowstone Nationalpark, stürzt mehrere Wasserfälle hinunter, durchquert Montana in nordöstlicher Richtung und fließt schließlich den Missouri. Auf und an diesem Fluss arbeitet Callan Wink; er fährt mit Touristen zum Fischen. Touristen kommen und gehen. Mancher mag davon träumen, sich in Montana eine Ranch zu kaufen und für immer unter dem endlosen Himmel zu bleiben. In dieser Region leben auch die Figuren in Callan Winks Kurzgeschichten. Hier werden Rinder und Paint Horses gezüchtet und mancher hat ein Vermögen in seinen gut gefüllten Waffenschrank investiert. Die Welt scheint geordnet, in der Frauen rauchen und Männer ihren Kaffee schwarz trinken. Wenn der Bach hinter dem Haus plötzlich Hochwasser führt wie bei Jeanette in „Schneeschmelze“, braucht eine Frau einen beherzten Helfer, der sie und ihr Haus gegen Wassermassen, Feuersbrünste oder Banditen beschützen kann.


    Montana war und ist Stammesgebiet der Crow-Indianer. James Colson in „Exoten“ arbeitet in einer einklassigen Zwergschule im Crow-Reservat. Aus diffusem Frust heuert James beim Besuch seines Bruders in Texas aushilfsweise als Ranch-Helfer an. Viele US-amerikanische Lehrer müssen sich während der Ferien einen Sommerjob suchen. Die Ranch füttert exotische Tiere aus anderen Kontinenten an, damit sie wohlhabenden Jagd-Touristen direkt vor die Flinte laufen. Abgesehen vom Schock, auf den Waldwegen der Ranch afrikanische Antilopen zu treffen, ist die Arbeit erträglich. Doch der Verwalter Karl stellt klar, James hat einen befristeten Job, er kann nicht auf der Ranch bleiben.


    Callan Wink versteht die Weisheit eines ganzen Lebens in einen kurzen Abschnitt zu packen. Das zeigt er u. a. in „Auf der schiefen Bahn“ mit einer innigen Großvater-Enkel-Beziehung und in der Story „Im Nachinein“, die auf knapp 60 Seiten das gesamte Leben einer Frau rekapituliert. Lauren hat trotz ihrer Entscheidung nicht als Krankenschwester arbeiten zu wollen, zuerst ihre Mutter und dann ihren schwierigen schwerkranken Mann gepflegt. Nach dessen Tod rackert sie sich mit der Instandhaltung ihrer Ranch ab, deren Boden zu unfruchtbar ist, um von der Rinderzucht zu leben. Altsein oder Jungsein wären kein Problem, erkennt Lauren, wenn man nur die Zeit dazwischen erkennen und genießen könnte.


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    Zitate
    Wind und Einsamkeit, unendliche Müdigkeit und zerstörte Bäume. Dazu noch Tiere, die gefüttert werden müssen. Die Welt, die einen zermalmen wollte, enthielt auch Ziegen, die vor Hunger meckerten, Eier die verderben würden, wenn man sie nicht einsammelte, und Rinder, die ausbrachen, wenn man sie nicht einzäunte. Lauren goss. Sie fütterte. Sie sammelte. Sie las alle Splitter ihrer Bäume auf …“ (Seite 260)


    Küsse haben die Eigenart, dass sie schnell an Gewicht gewinnen. Erst kommt die Schneeflocke, dann der Schneeball und schließlich die Lawine. Aus Abendessen wurden Übernachtungen, und Lauren bekam den Eindruck, ihr wäre über Nacht ein seltsamer neuer Körperteil gewachsen oder sie sei aufgewacht und habe plötzlich ein neues Zimmer in ihrem Haus gefunden. Es war beunruhigend, aber nicht unangenehm. Ganz und gar nicht unangenehm.“ (Seite 249)


    Fazit
    Callan Wink war durch eine kleine gedruckte Leseprobe meine Entdeckung des Jahres und ich bin gespannt auf seinen ersten Roman.


    10 von 10 Punkten