Hans-Joachim Schneider: Unterirdisch. Verborgene Orte in Deutschland
DUMONT Reiseverlag 2016. 192 Seiten. Gebundenes Softcover
ISBN-13: 978-3770188864. 25,99€
Verlagstext
Es ist eng, es ist kalt, es ist dunkel. Es gibt weder Frischluft noch Tageslicht. Manche Menschen befällt größtes Unwohlsein bei dem Gedanken an unterirdische Räume, für andere ist der Abstieg in diese Unterwelten ein Hobby mit Suchtpotenzial. Ihre Abgeschiedenheit, die Abgeschlossenheit und die Finsternis lassen der Fantasie weiten Raum. Das gilt für die vielen natürlichen Höhlen und Grotten, die es vor allem in Mittel- und Süddeutschland gibt, aber auch für alle von Menschhand angelegten Räume unter Tage: Militärische Anlagen und Lagerstätten für gefährliche Waffen, Kanalisationen, Kellerräume und Stollen, Geheimgänge, Tunnel, Fluchtwege und Verstecke. Viele hat man nur eine Zeitlang, manche nie wirklich genutzt – wie zum Beispiel die Regierungsbunker, die in den Zeiten des Kalten Krieges angelegt wurden und heute noch fast genauso aussehen wie damals, als man sie eingerichtet hatte. Anders die Objekte, die kontinuierlich oder über lange Zeiträume immer wieder genutzt wurden wie Bergwerke, Keller oder auch so manche Höhle: Hier sind es gerade die Gebrauchsspuren wie vergessene, liegengebliebene Gegenstände, die diesen Räumlichkeiten ihre besondere Atmosphäre verleihen. Wer durch die Lektüre dieses Bildbandes Lust bekommt, in das verborgene Deutschland hinabzusteigen, hat dank der Hinweise auf mögliche Besichtigungen die Gelegenheit dazu. Aber auch virtuell ist der Ausflug in die Unterwelt spannend - und vor allem völlig gefahrlos.
Natürliche oder von Menschen geschaffene unterirdische Orte umgibt eine Aura des Geheimnisvollen, Schaurigen oder Düsteren. Gerade deshalb aber üben sie eine große Faszination auf uns aus. Stillgelegte Stollen, Bunker aus den Zeiten des Kalten Krieges, Tunnelsysteme, Keller und Katakomben, Kalksteinhöhlen mit phantastischen Tropfsteingebilden – ein virtueller Ausflug in das Kellergeschoss der Republik.
Inhalt
Unterirdische Räume wurden von Menschen entdeckt (Höhlen) oder von ihnen angelegt, um Kohle, Schiefer, Kali oder Edelmetalle abzubauen. Eine Verbindung aus beiden Varianten sind Felsenkeller, für die teils vorhandene Felshöhlen ausgebaut und zur Lagerung von Bier, Wein und Lebensmitteln genutzt werden. In Deutschland zeugen zahlreiche Bunker vom Größenwahn der Nationalsozialisten und von der Leichtfertigkeit, mit der man der Bevölkerung während des Kalten Krieges weismachen wollte, dass ein Atomschlag in einem unterirdischen Bunker zu überleben wäre.
Hans-Joachim Schneider versammelt in diesem Band qualitativ hochwertige Fotos von Profifotografen und eine vielseitige Zusammenstellung aus Bunkeranlagen, Bergwerken, Höhlen, Felsenkellern, Kanalisationssystemen und U-Bahnschächten. Nicht alle der unterirdischen Orte sind (zu jeder Zeit) zugänglich, z. B. weil sie erst kürzlich entdeckt wurden wie die Bleßberghöhle in Thüringen. Infos dazu finden sich im Anhang. Dabei sind Klassiker wie die Iberger Tropfsteinhöhle, die Saline in Bad Reichenhall, der als Endlager für radioaktiven Müll jahrzehntelang umkämpfte Salzstock in Gorleben, der ehemalige Regierungsbunker in Marienthal oder die Unterwelt des Berliner Flughafens Tempelhof. Berlin und Nürnberg sind aus historischen Gründen Schwerpunkte unterirdischer Bauten; die Gedenkstätte der ehemaligen Rüstungsfabrik Dora steht für die Ausbeutung von Zwangsarbeitern unter unmenschlichen Bedingungen während des Nationalsozialismus. Ein weiterer Schwerpunkt sind einige Bergwerke in Thüringen. Auch ein Rätselstollen (Mehring) ist in der Auswahl enthalten, dessen Zweck bis heute unklar geblieben ist.
Beeindruckend sind besonders Bilder, die z. B. in Bergwerken den Eindruck hinterlassen, dass hier Menschen ihr Werkzeug beiseitegelegt und alles liegen und stehen gelassen haben. Wer selbst fotografiert wird sich an der professionellen Ausleuchtung der Fotos und der Nutzung von vorhandenem Licht erfreuen. Mein Highlight ist die Aufnahme aus dem Tucherkeller in Nürnberg (Seite 145), die so wirkt, als wäre der Fotograf oder ein Assistent mit dem Licht durch den Tunnel geschritten.
Fazit
Sehr gute Fotos und eine Auswahl an Katakomben, die mir viel Neues bietet.
10 von 10 Punkten