Eine steile Karriere - Teil 7

  • Teil 7 – In dem ein König von einer Prophezeiung erfährt, ein Kerkermeister Sorgen hat und tatsächlich der dritte Schlüssel hervorgekramt wird.


    Die Königin, der Hofnarr, Madame Priscilla und der Gefangene waren dem König im Gänsemarsch eine lange steinerne Wendeltreppe hinuntergefolgt, die alle paar Windungen von einer mickrigen Ölfunzel erhellt wurde. Wie der Hofnarr schon zu Beginn ihres Abstiegs bemerkte, verdunkelten die Lampen den Weg eher noch, aber das wollte sonst niemand hören und so stiegen sie mehr in Finsternis, als in Fackelschein gehüllt schweigend hinab, bis sie vor einer niedrigen Holztür mit Metallbeschlägen standen, auf der ein verrottetes Schild prangte.


    „Was soll denn das heißen?“, mit einem fragenden Blick wandte der König sich zu seinem Gefolge um, während er mit dem ausgestreckten Arm auf das Schild deutete.
    Die Königin tat einen Schritt nach vorne und las laut vor: „Danschenkieper. Voranmeldung erbeten. Bitte dreimal klopfen.“ Mit einem ratlosen Schulterzucken schaute sie in die Runde und las dann noch einmal lautlos das Schild.
    Madame Priscilla wollte ein paar Schritte zurückgehen, schob dabei aber den Hofnarren und den Gefangenen mit, die sich lautstark beschwerten. „Eure Hoheit...“, sprach die Madame, „...wir sollten vielleicht wiederkommen, wenn Ihr einen Termin gemacht habt, oder?“. Sie deutete dabei nach vorne auf das marode Schild.
    „Schnickschnack.“, sagte der König und trat unwirsch brummend vor die Tür und hieb mit der Hand dagegen. „BONK! BONK! BONK!“
    Das Schild fiel mit einem Mal von der Tür ab und dem König vor die Füße. „Bonk.“ Kurz in seiner schlechten Laune irritiert, hielt der König inne und blickte nach unten. Gerade als er wieder gegen die Tür hämmern wollte, rührte sich etwas dahinter.


    Quietschend und lautstark knarrend schwang die Tür nach innen und kratzte dabei knirschend über die unebenen Steinplatten des Bodens. Gespannt starrten alle auf die Gestalt, die in der Türöffnung stand. Ihre Blicke wanderten von den Füßen der seltsamen Erscheinung aus nach oben. In groben Lederstiefeln, an denen einige abgeschnittene Schweineohren baumelten, steckten dürre haarige Beine. Ein speckiger Lederschurz, der knapp über den Knieen endete, verhüllte dankenswerter Weise die Lenden der Gestalt. Der Oberkörper war von einer merkwürdigen Mischung aus Kettenhemd und Lederplatten bedeckt. Quer über die Brust hing eine Peitsche, an deren Ende kleine rostige Widerhaken angebracht waren. Eine schwarzen Halbmaske verhüllte einen Großteil des Gesichts und ließ nur die Augen, den Mund und den Kinnbereich sichtbar.


    Die Augen der Gestalt funkelten schwarz und verschlagen. „Was wollt Ihr hier, König?“, wollte der finstere Bursche wissen und schaute dabei interessiert über dessen Schulter auf die bunte Schar, die sich vor seiner Tür versammelt hatte.
    Der König überlegte angestrengt, woher er die Stimme des Kerkermeisters kannte. „Ihr seid doch...aber natürlich...Ihr seid...“, stammelte er und deutete mit einem schüttelnden Zeigefinger auf die obskure Erscheinung vor sich.
    „Rufus!“, rief die Königin und drängte sich nun nach vorne neben den König. Sie schaute verdutzt zwischen dem König und dem seltsam gewandeten Rufus hin und her. Der zog sich mit einem Seufzen die Kapuze vom Kopf, trat zur Seite und gab die Tür frei.


    „Diese Doppelbelastung halte ich nicht mehr lange durch, Eure Majestät.“, mit einem tiefen Seufzer ließ sich Rufus auf einen Schemel fallen und strich sich dabei über den fast haarlosen Kopf. Der Raum wurde von einigen Fackeln erhellt und war bis auf einen Tisch, dem Schemel auf dem Rufus Platz genommen hatte und ein paar Folterwerkzeugen, die an der Wand hingen leer. Gegenüber der Eingangstür gab es einen Torbogen, der von einem rostigen Gitter verschlossen wurde.
    „Was soll das denn heißen, Rufus?“, wollte der König wissen und sah sich dabei um.
    „Ich werde langsam zu alt für zwei Aufgaben. Aber ohne die Einnahmen aus dieser Nebentätigkeit hier, komme ich nicht über die Runden, Eure Hoheit.“, jammerte Rufus. „Es wird Zeit, daß die Prophezeiung erfüllt wird.“, seufzte er fast flüsternd.
    Alle Augen richteten sich auf einmal auf die kleine zusammengesunkene Gestalt und plötzlich riefen alle durcheinander: „Was für eine Prophezeiung?“
    Rufus erhob sich und schlurfte zu dem Torbogen. „Dann werde ich es Euch eben auch erklären müssen.“, sprach er mit einer kaum zu verbergenden Resignation in der Stimme. „Würdet Ihr bitte die Kerkertür schließen, bevor das Gitter geöffnet wird. Das ist so Vorschrift.“, wandte er sich an die Umstehenden und blieb vor dem Torbogen stehen.
    „Er...er...er ist weg!“, rief der Hofnarr und deutete hinter sich zur Kerkertür hinaus.
    „Wer ist weg?“, fragte die Königin nach.
    „Na der Gefangene, der ehemalige König. Er hat sich aus dem Staub gemacht.“, antwortete der Hofnarr mit ängstlicher Stimme und versuchte dabei den mürrischen Blicken des Königs und der Königin auszuweichen.
    Die Königin zuckte mit den Schultern. „Ärgerlich. Sehr ärgerlich, aber was kann er schon tun?“, versuchte sie sich selbst und den König wieder zu beruhigen und schloß dabei die weit offenstehende Kerkertür.
    „Na gut. Lasst uns das Gitter öffnen und sehen, welche Geheimnisse Rufus hier unten für uns auf Lager hat.“, knurrte er und kramte in seinem Wams nach dem bronzefarbenen Schlüsselring. Er nahm den rostigen Eisenschlüssel zur Hand und ging damit auf das verschlossene Gitter zu.


    „Der wird hier nicht gebraucht, Eure Majestät.“, erklärte Rufus mit einem Blick auf des Königs rostigen Schlüssel und griff nach einem Schlüsselring, der an seinem zerschlissenen Kerkermeistergürtel baumelte. Der König war erstaunt, packte seinen eigenen Schlüsselring aber wieder zurück in das Wams und schaute Rufus neugierig zu, wie der anfing seine Schlüssel leise abzuzählen und dann bei Nummer elf oder zwölf ein „Ahja“ von sich gab und das Gitter damit aufschloß.


    Mit einem erbärmlichen Quietschen zog Rufus die Gittertür auf und nahm sich eine Fackel aus einer Halterung am Torbogen. „Nehmt Euch lieber auch welche mit.“, rief er über die Schulter und ging voran. Der König und der Narr nahmen sich auch Fackeln von den Wänden und dichtgedrängt schritten sie durch den Torbogen. Rufus entzündete links und rechts des Ganges mit seiner Fackel ein paar Ölschalen. Das flackernde Licht warf unheimliche Schatten in das Gewölbe und der Anblick, der sich der kleinen Gruppe bot war erschreckend.


    Zu beiden Seiten erstreckten sich in kleinen Nischen vergitterte Zellen. Die Reihe verlor sich in der Dunkelheit vor ihnen, die vom Feuerschein nicht mehr erhellt werden konnte. Rufus blieb einige Schritte vor ihnen stehen und drehte sich zu der kleinen verschreckten Schar herum. „Was ihr hier seht, ist das Ergebnis einer langen Reihe fehlgeschlagener Versuche, die Prophezeiung zu überlisten.“ Damit deutete er mit seiner Fackel links und rechts von sich. Der König und sein Gefolge schauten vorsichtig in die Zellen, denen sie am nächsten standen. Auf dem nackten Boden, der ein wenig mit verdorrtem Stroh bedeckt war, lagen Skelette oder Körper, die dahinvegetierten. „In jeder Zelle Einer.“, erklärte Rufus.
    „Die Prophezeiung verheisst, daß ein Narr einst König sein, und das Königreich zu ungeahnter Blüte führen wird und jedermann in Wohlstand und Frieden sein Leben führen könne.“, sprach Rufus, so als ob er diese Worte schon hunderte Male gesprochen hatte. „Dazu ist allerdings der Jadeschlüssel zu Reichtum und Wissen notwendig, der nur vom Auserwählten errungen werden kann. Nur der Auserwählte besitzt die Kraft, die schrecklichen Aufgaben zu meistern, die auf dem Weg zum Jadeschlüssel vor ihm liegen.“, leierte Rufus herunter. Als er mit seiner Ansprache am Ende war, atmete er tief durch und ging wieder auf den König zu. „Und nun folgt mir wieder nach draußen, Eure Hoheit“.


    Ende von Teil 7 :-)


    © Doc

  • Mann, mann, mann... Wirklich toll die Geschichte, ich kanns nur wiederholen. Ich liebe diese Kleinigkeiten, die das Bild rund machen... :anbet


    Morgana lehnt sich genüßlich zurück und wartet auf den nächsten Teil...

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Yep. Gerade auch die ganze "Beikram", der in so liebevollen Wortfindungen entdet macht die Sache so reizvoll. :-)


    Bin erfreut über deinen ersten Eulen-Fortsetzungsroman. :wave

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)