Der Winterkaiser - Katherine Addison

  • Zur Autorin


    Katherine Addison ist das Pseudonym der bekannten Autorin Sarah Monette. „Der Winterkaiser“ (Originaltitel: The Goblin Emperor) soll offenkundig eine andere Zielgruppe ansprechen.


    Kurzbeschreibung (von Amazon):


    Maia hat sein Leben bisher in der Provinz verbracht, wohin ihn sein Vater, der mächtige Elfenkaiser, verbannte. Doch als dieser zusammen mit den drei ältesten Prinzen bei einem Unglück überraschend verstirbt, sitzt Maia plötzlich auf dem Thron – und muss sich in einer komplizierten und teils feindlichen Umwelt behaupten.
    Maia – halb Elf, halb Kobold – macht die Erfahrung, dass das tägliche Leben eines Kaisers einem Spießrutenlauf gleicht: Jede Audienz ist eine Herausforderung, jede Palastintrige kann zur Entthronung und letztendlich zum Tod führen. Selbst so einfache Dinge wie Freundschaften zu schließen werden zur Herausforderung. Und dann ist da noch der mit allen Wassern gewaschene Lordkanzler, der versucht, den jungen, unerfahrenen Elfenkaiser unter seine Kontrolle zu bekommen ...



    Meine Meinung:


    Zur Übersetzung kann ich noch nichts sagen (außer, dass ich die Übersetzung von „Serenity“ mit „Durchlaucht“ arg unpoetisch finde), meine Beurteilung gilt lediglich dem englischen Original.


    Maia ist eine durchweg sympathische Hauptfigur, die, und das ist bei solchen Plots selten, vernünftig handelt. Maia weiß, dass er keine Ahnung davon hat, was ein Kaiser zu tun hat, und fragt daher andere Leute – und hält sich dann auch noch meist an das, was sie empfehlen – was ein Balanceact ist, da er nicht weiß wem er trauen kann. Dem Lordkanzler offenbar schon mal nicht …


    Sehr gefallen hat mir am Original die Sprache. Die Verwendung des alten Englischen „du“ (das im modernen Gebrauch ausgestorben ist) und die Tatsache, dass die Namen von Orten und Personen auf einem eigenen System basieren, trägt sehr dazu bei, dass sich die Welt real anfühlt.


    Und dann sind da die Palastintrigen … jeder Brief enthält versteckte Informationen – so redet zum Beispiel die Witwe des verstorbenen Kaisers Maia mit seinem Namen an, nicht mit dem Titel des Kaisers, und nennt sich selbst Zhasan, Kaiserin, statt Zhasanai, dem Titel der ihr als Witwe zustünde.
    Diesen Angriff auf seine Autorität muss Maia natürlich kontern, wenn er respektiert werden will. Und das ist erst der Anfang!


    Das Genre des Buches wird in einigen Quellen als "Mannerpunk" beschrieben - quasi "Steampunk trifft Jane Austen". Hier kommt noch Magie dazu, die allerdings sehr zurückhaltend verwendet wird.


    Wer Jane Austen liebt wird dieses Buch mögen. Auch Fans von "Herr der Ringe" werden auf ihre Kosten kommen - "Der Winterkaiser" hat einen grundanständigen Protagonisten, dessen Stärke in seiner Persönlichkeit liegt; eine Eigenheit von "Herr der Ringe" die Imitationen oft vergessen.


    Actionszenen sind eher dünn gesät, die Kämpfe werden auf dem Schlachtfeld des Geistes ausgetragen.


    Was natürlich nicht heißt, dass es nicht manchmal doch ziemlich brenzlig wird für unseren Helden - schließlich sind da immer noch die Intrigen ... :fechten




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  • Zitat

    Original von Themrys


    Meine Meinung:
    Das Genre des Buches wird in einigen Quellen als "Mannerpunk" beschrieben - quasi "Steampunk trifft Jane Austen". Hier kommt noch Magie dazu, die allerdings sehr zurückhaltend verwendet wird.


    Wer Jane Austen liebt wird dieses Buch mögen. Auch Fans von "Herr der Ringe" werden auf ihre Kosten kommen - "Der Winterkaiser" hat einen grundanständigen Protagonisten, dessen Stärke in seiner Persönlichkeit liegt; eine Eigenheit von "Herr der Ringe" die Imitationen oft vergessen.


    Ich arbeite mich gerade durch die Fantasybuchvorstellungen der letzten Zeit, Themrys. Zur Zeit bin ich wieder auf dem SF und Fantasy-Tripp und suche neues Futter ;-)


    Wenn ich die Inhaltsangabe und deine Meinung darüber so lese, dann frage ich mich, was das ganze mit Jane Austen und Steampunk zu tun hat ?(

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Ich hab "The Goblin Emperor" gelesen, weil das Buch für den World Fantasy Award 2015 nominiert war (der Preis ging dann - zurecht - an "Die Knochenuhren" von David Mitchell).


    Ich fand das Buch atmosphärisch gut, in der Handlung hatte ich mehr mir erhofft - so etwa eine Atmosphäre des hilflosen Gottkaisertums, wie Papst Benedikt XVI. sie in Rom erlebt haben dürfte: kann alles befehlen, hat aber keine Hofmacht, um irgendetwas durchzusetzen. Stattdessen bekomme ich ein harmloses All-Ages-Märchen mit vorhersehbarem Happy-End.


    Ich bin dankbar für Deine Rezension, Themrys, dadurch kann ich die Qualitäten erkennen, die das Buch für andere hat.

    Ein Buch zu öffnen, meint auch zu verreisen.
    Heißt mehr noch: sich auf Neuland vorzuwagen.
    Ob seine Worte brechen oder tragen,
    muss sich beim Lesen Satz für Satz erweisen.

    (Robert Gernhardt)

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von GleichSamm ()

  • Zitat

    Original von GleichSamm
    Ich hab "The Goblin Emperor" gelesen, weil das Buch für den World Fantasy Award 2015 nominiert war (der Preis ging dann - zurecht - an "Die Knochenuhren" von David Mitchell).


    Ich fand das Buch atmosphärisch gut, in der Handlung hatte ich mehr mir erhofft - so etwa eine Atmosphäre des hilflosen Gottkaisertums, wie Papst Benedikt XVI. sie in Rom erlebt haben dürfte: kann alles befehlen, hat aber keine Hofmacht, um irgendetwas durchzusetzen. Stattdessen bekomme ich ein harmloses All-Ages-Märchen mit vorhersehbarem Happy-End.


    Ich bin dankbar für Deine Rezension, Themrys, dadurch kann ich die Qualitäten erkennen, die das Buch für andere hat.


    Auch interessant zu wissen, was andere an dem Buch nicht mögen.


    Es ist definitiv eher ein Wohlfühlbuch - wer es lieber finsterer mag, muss nach dem eigentlichen Namen der Autorin suchen. ;-)
    Das was sie sonst so schreibt ist härterer Tobak.

  • Maia Drazhar, 18 Jahre alt, lebt mit seinem Vormund Setheris in der allertiefsten Provinz des Elfenlandes. Er ist der jüngste und ungeliebte Sohn des Elfenkaisers, halb Elf und halb Kobold. Seinen Vater hat er nur einmal aus der Ferne gesehen, die Mutter ist gestorben, Setheris hasst und misshandelt ihn. Maia kennt nur das kleine Gut, auf dem er aufgewachsen ist, hat so gut wie keine Bildung genossen - und wird nach einem Unfall, dem der Kaiser und dessen drei Söhne zum Opfer fallen, selbst zum Kaiser.


    Es ist nicht schlecht, es hat praktisch keine Stellen, die ich verabscheut habe, es ist bloß elend lang. Und es passiert - nichts. Kein Scherz. Das Buch ist eine Geschichte darüber, wie ein kluger und doch weltfremder junger Mann versucht in seine neue Rolle hineinzuwachsen. Er tastet sich an seine Aufgaben heran wie ein blinder Welpe. Ohne Hilfe wäre er verloren, die großen bösen Hunde würden ihn sofort fressen.

    Erst ab Seite 300 (nach 60 % des Buches) kommt ein wenig Spannung auf, die nach einem Kapitel wieder verpufft. Das reicht bei weitem nicht, um das Buch zu retten. Ebenso reicht es für ein gutes Buch nicht, eine sympathische Hauptfigur in Gestalt von Maia in die Handlung zu schreiben. Er ist zu gut, zu edel, trifft die richtigen Entscheidungen. Da weint man als Leser:in fast Tränen aus Zucker. Das einzige, das Maia ein wenig menschlicher (auch wenn er ein Elfkobold ist) macht, ist seine traurige Vergangenheit.


    Wenn die Autorin nicht immer wieder betont hätte, dass jemand die Ohren hängen lässt und die Geschichte im Elfenreich spielt, ich wäre nicht darauf gekommen. Es gibt NICHTS Elfisches an diesem Buch. 0,00 Prozent. Das Buch hätte in jeder anderen Fantasywelt spielen können. Was noch? Magie - ja, gibt es, wird ganze dreimal erwähnt bzw. angewendet. Neben Elfen und Kobolden bevölkern noch Oger diese Welt, letztere werden einmal erwähnt, sind also vielleicht auch bloße Hirngespinste. In Maias Welt gibt es Luftschiffe und dampfbetriebene Gerätschaften, d. h. das Buch ist eher Steampunk als Fantasy.


    Das zentrale Thema des Romans ist der Brückenbau. Gemeint sind nicht nur Konstruktionen, die über ein Hindernis hinwegführen, sondern fortschrittliche Entscheidungen, die der neue Kaiser für das Land trifft. Ich fand es stellenweise zu dick aufgetragen.


    Das Buch hat 541 Seiten. Die letzten 16 Seiten sind ein Anhang mit Erklärungen zur Elfenwelt und ein Glossar. Das Glossar haut einen um. Hätte ich zuerst einen Blick dort hineingeworfen, ich wäre in Panik geflohen und hätte das Buch sicher nicht mehr angerührt. Allein die Namen der verstorbenen Kaiser füllen ganze Seiten. Kein Name lässt sich auf Anhieb lesen, die meisten scheinen eine willkürliche Ansammlung von Buchstaben zu sein. Entsprechend hatte ich große Probleme, in das Buch "reinzukommen". Man weiß nicht, wer wer ist, alles klingt ähnlich und jeden verflucht man.


    Alles in allem wird das wohl eines dieser spurlos verschwundenen Bücher, die nach dem Lesen sofort wieder aus dem Gedächtnis verschwinden. Ich hab das Buch mehrere Wochen gelesen, weil es mich einfach nicht packen konnte. Ich war die ganze Zeit frustriert, und meine Bewertung spiegelt das vermutlich wider.:picheln


    Meine Meinung bezieht sich auf die deutsche Übersetzung. Da ich im Eingangsthread über die gute Originalfassung gelesen habe, die aber mangels Englischkenntnissen nicht selbst beurteilen kann, werde ich mir - vielleicht - noch die frisch erschienene russische Ausgabe besorgen, um beide Übersetzungen zu vergleichen.


    ***

    Aeria