Jarett Kobek: Ich hasse dieses Internet. Ein nützlicher Roman
S. FISCHER 2016. 368 Seiten
ISBN-13: 978-3103972603. 20€
Originaltitel: I Hate the Internet
Übersetzerin: Eva Kemper
Verlagstext
Zeitgeist ist sein zweiter Name: Mit rasender Energie erzählt Jarett Kobek in seinem Roman, was das Internet mit uns macht. San Francisco: Eine Gruppe von Freunden kollidiert hart mit der digitalen Gegenwart. Adeline hat nach einer unbedachten Äußerung zu Beyoncé und Rihanna einen Shitstorm am Hals, und Ellen findet sich nackt im Netz. Die Kampfzone hat sich verschoben, und wir selbst haben die Munition geliefert: Warum geben wir unsere Daten her? Machen Apple und Google zu den mächtigsten Playern der Welt? Hier ist sie endlich: Eine »raue Tirade zu Politik und Kultur, ein Aufschrei zu Macht und Gewalt in unserer globalisierten Welt« (New York Times). Für alle, die Dave Eggers ›Circle‹ und Michel Houellebecqs ›Unterwerfung‹ geliebt haben – plus eine Prise Wahnsinn obendrauf.
Der Autor
Jarett Kobek hat einen türkischen Namen, an der NYU in New York City studiert und in der kalifornischen Techie-Szene gearbeitet. Mit seinen Texten wurde der 38-Jährige für den Pushcart Prize nominiert. Seine Erzählung ›Atta‹ fand die New York Times »höchst interessant«. Sie wurde zu einem Überraschungserfolg in Kanada. ›Ich hasse dieses Internet.‹ ist Kobeks erster Roman. Er lebt in Kalifornien.
-> Interview
Inhalt
Wo würden wir über das Internet lästern, wenn wir das Internet nicht hätten? Jarett Kobek greift zu einem ungewöhnlichen Mittel und bringt seine Polemik über digitale Ökonomisierung, neudeutsch Rant, als Buch heraus. Ein rotes Hardcover mit Leseband hat durchaus etwas Subversives, wenn die Mehrheit inzwischen kurze Texthäppchen auf dem Smartphone zu lesen scheint. Um die Medienindustrie, Kapitalismus, Popkultur, Kalifornien und Gentrifizierung soll es darin gehen. Seine Figuren sind frei erfunden, die im Buch die Folgen des Internets erleiden müssen. Die Handlung u. a. um die Comiczeichner Adeline und Jeremy spielt 2013 in San Francisco – wo auch sonst? Erzählt wird in der Vergangenheitsform; denn wenn das Buch in den Handel kommt, werden die Ereignisse längst Geschichte sein. Man kann sich fragen, ob diese Figuren wirklich Opfer sind und welchen Anteil sie selbst an dem Schlamassel hatten, in den sie geraten sind.
Warum wir unsere Daten gratis und ahnungslos an US-Konzerne verschleudern, wäre eine faszinierende wie wichtige Frage. Die Selbstwidersprüche von IT-Junkies und ihrer Follower könnte Kobek auf diese Weise entlarven. Das scheitert meiner Ansicht nach jedoch daran, dass seine Erzählung zu fiktiv ist. Irgendwie und irgendwo hat man das alles schon einmal gehört und wäre bereit, den Dingen nun ernsthaft auf den Grund zu gehen. Doch das war vermutlich nicht Kobeks Absicht. Wie beim Surfen im Internet schweift man gemeinsam mit dem Autor vom Thema ab, kommt vom Hundertsten ins Tausende, um anschließend mit schlechtem Gewissen festzustellen, dass man nichts erledigt hat. So wie mancher durch die Sozialen Medien mäandert, zickzackt auch Kobek durch seinen Text. Dass die häppchenweise Beschäftigung mit neuen Medien der Konzentrationsfähigkeit schadet, wussten wir schon vorher.
Fazit
In einem Interview gibt Kobek an, das Definieren als narrative Strategie einzusetzen. Seine Erklärungen haben auf mich einen vergleichbaren Effekt wie „Die Sendung mit der Maus“ für Erwachsene. Aber nur beinahe. Das Original der deutschen Kindersendung mag ich lieber und finde ihr Format jeglicher Nachahmung überlegen.
6 von 10 Punkten