Eine steile Karriere - Teil 6

  • Teil 6 – In dem ein König sich große Sorgen macht, eine Königin sagt wo es lang geht und ein Hofnarr suspekte Tricks versucht.


    „Ich habe mir von Rufus eine Liste aller Gefangenen in den Verliesen geben lassen.“, erzählte der neue König mit matter Stimme der Königin, die am anderen Ende der Tafel gerade herzhaft in eine Hühnerkeule hineinbiss.
    „Whhas hhasuu gesaahgt?“, antwortete sie ihm mit vollem Mund und sah kurz zu ihm hinüber. Sie schluckte den Bissen hinunter und nahm geräuschvoll einen Schluck Wein.
    Er wiederholte seufzend seinen letzten Satz und hielt gedankenverloren einer hungrigen Katze den Hähnchenschenkel hin, den er zuvor lustlos abgenagt hatte. Sein Blick streifte dabei kurz den anwesenden Hofnarren, der ein bischen unglücklich auf die Teller mit den gebratenen Hühnchen schaute. „Du kannst doch auch mit den Katzen jonglieren, Narr.“, versuchte der König den Narren auf andere Gedanken zu bringen. „Die Hühner waren mir defintiv ein klein wenig zu vorwitzig.“ Mit einem Ruck stand er auf und schlenderte grübelnd hinüber zur schmatzenden Königin.
    „Warum ist diese Liste so interessant für Euch?“, fragte die Königin zwischen zwei Happen, die sie hinunterschlang.
    „Der ehemalige König hat mich vor den Verliesen gewarnt und ich bin nun ein bischen beunruhigt über das, was mich dort unten wohl erwarten mag.“, erklärte ihr der König fast flüsternd mit einem Seitenblick auf den traurig aussehenden Hofnarren. „Teuerste, wart Ihr schon einmal dort unten?“, wollte der König von ihr wissen, wobei sich seine Stimme immer mehr in ein ängstliches Wispern verwandelte.
    „Nein, aber lasst uns einfach nachsehen. Wenn es in den Verliesen wirklich so gefährlich ist, dann lasst uns vorher die Waffenkammer aufsuchen und ein paar Leute mitnehmen.“, beruhigte ihn die Königin und lud sich dabei noch einmal ihren Teller voll. „Wie auch immer, es hat Zeit bis zum nächsten Morgen. Für heute Nacht habe ich andere Pläne mit Euch…mein König.“, stellte sie in einem Tonfall fest, der keinen Widerspruch zuließ und zwinkerte ihm dabei zu.


    „Ich bitte Euch, muß ich wirklich diese grotesken Schuhe dabei tragen?“, lamentierte der neue König inmitten eines neuerlichen Crescendos aus Glöckchenbimmeln, dem Stöhnen der Königin und einem „Bonk!“, als ihr Kopf gerade wieder gegen das Bettende schlug.
    Die Königin hob nicht einmal den Kopf, geschweige denn, daß sie ihn ansah, als sie ihm mit einem langgezogenen „Jaaaa-haaaa…“ antwortete.
    Er seufzte, und es war im wahrsten Sinne des Wortes ein Stoßseufzer, der sich mit dem Klang der Glöckchen und einem steten „Bonk!“ vermischte.


    Am nächsten Morgen war der neue König voller Tatendrang. Er schickte nach Madame Priscilla und wies sie an bis zum Nachmittag ein paar Gewänder bereitzustellen, die einem Ausflug in die Verliese angemessen waren. „Und wenn ich irgendwo auch nur das kleinste Glöckchen daran entdecken kann, seid Ihr des Todes, Madame!“, gab er ihr in einem so säuselnden Tonfall zu verstehen, daß man glauben hätte können er würde gerade Blumen pflücken.


    Bis zum Nachmittag verbrachte der neue König damit seinem Schreiber Rufus mehr Informationen über die Verliese zu entlocken, was aber gründlichst misslang. So ließ er sich also im Thronsaal schlechtgelaunt von seinem Hofnarren ein paar neue Kunststücke präsentieren, die mitunter sehr seltsame Formen annahmen.
    „Ihr müsst doch krank im Kopf sein, Narr.“, kommentierte er eine der Darbietungen, bei der ihm ein schwertschluckendes Ferkel vorgeführt werden sollte. Zumindest wusste er nun, was es heute zum Abendessen geben würde. Kopfschüttelnd verließ er den Thronsaal, um sich mit der Königin bei Madame Priscilla zu treffen.


    Er war hocherfreut über die große Auswahl, die ihm Madame Priscilla zur Verfügung stellen konnte. Auch die Königin schien recht begeistert zu sein und entschied sich gleich für ein hautenges Lederwams, daß von vorne zugeschnürt wurde, und einen reichlich knapp bemessenen Rock zu dem sie kniehohe Stiefel anzog. „Und so wollt Ihr mit mir die Verliese erkunden?“, staunte der König und gaffte sie an.
    „Aber sicher doch. Dort unten ist es bestimmt ziemlich warm, so ohne frische Luft.“, erwiderte sie und besah sich dabei von verschiedenen Seiten im Spiegel.
    „Auch zu warm, um Unterwäsche zu tragen?“, gab er etwas pikiert zurück und erhaschte dabei einen Blick direkt auf ihren wohlgeformten Hintern, als sie sich nach vorne beugte, um die Stiefel zurecht zu ziehen. Sie antwortete ihm nicht darauf, sondern begutachtete sich unter großer Zustimmung von Madame Priscilla weiter im Spiegel.


    Der König entschied sich letztendlich für eine sehr kleidsame dunkle Lederhose, ein dunkelrotes Hemd mit Rüschenärmeln und einer wattierten Lederweste, in die das königliche Wappen auf Brust und Rücken eingenäht war. Bei der Auswahl der Stiefel achtete er peinlich genau darauf nicht doch irgendwo ein Glöckchen vorzufinden, so daß er sogar die Absätze schüttelte und gegeneinander schlug, „Bonk!“, bis er sicher war, daß auch wirklich Nichts bimmelte. „Auf zur Waffenkammer! Und Ihr kommt mit.“, wandte er sich dabei an Madame Priscilla, die dem König erschrocken hinterhersah, als er forschen Schrittes die Tür öffnete und hinaus auf den Flur trat.


    Die Waffenkammer war prall gefüllt. „Was ist das alles für ein unnützes Zeug?“, regte sich der König auf. Er ging die Reihen entlang und las laut die Beschriftungsschilder vor, die an den meisten Waffen und Ausrüstungsteilen angebracht waren. „Dreschflegel des Grauens, Zerbrochenes Qualschwert, Zelthäringe der Verdammnis, Helm des toten Olafs,…Nein! Helm des doofen Olafs heißt das ja!“, kopfschüttelnd und total fassungslos ging der König auf und ab. Händeringend blieb er vor einer Vitrine stehen, in der laut Beschriftung ein Hamster-Bolzen-Schußgerät aufbewahrt wurde.
    „Hm, irgendwo muß doch noch meine Aussteuer hier zu finden sein.“, grübelte die Königin und stöberte in den hinteren Regalreihen herum. Madame Priscilla stand reglos und stumm dabei und hoffte, daß der König sie in seiner Enttäuschung nicht weiter bemerkte.
    „Madame, ihr holt mir jetzt sofort diesen nichtsnutzigen Ferkelabstecher von einem Hofnarren hierher! Er scheint mir der einzige im Schloß zu sein, der eine vernünftige Waffe bei sich hat. Und bringt den Gefangenen mit, den ich unter der Aufsicht von Rufus gelassen habe.“, befahl er der Hofschneiderin und winkte sie eiligst weg.


    Als der Hofnarr kurze Zeit später mit seinem Ferkelschluckschwert zur Waffenkammertür hereinkam, hörte er den König toben.
    „Nein! Nein! Nein! Das darf doch nicht wahr sein!“, dabei fuchtelte der König mit einem sehr ansehnlichen Schwert herum. Allerdings bimmelte es bei jedem Streich, da in die Enden der Parierstange zwei kleine goldene Glöckchen eingelassen waren.
    „So beruhigt Euch doch.“, versuchte die Königin die Lage zu entspannen und schlug ihm mit einem gezielten Hieb ihres eigenen ebenso ansehnlichen Schwertes genau auf die Parierstange, was die Glöckchen wieder zum klingen brachte.
    „Dies sind immerhin meine Aussteuerschwerter. Früher hat man die eben so geschmiedet. Da gibt es Nichts, worüber man sich so aufregen müsste!“, fauchte sie ihn an.


    Noch immer zornig bemerkte der König, daß Madame Priscilla mit dem Hofnarr und dem Gefangenen zurück war. Er warf den Dreien einen finsteren Blick zu, griff nach dem Päckchen Zelthäringe der Verdammnis und drückte sie im Vorbeigehen der Madame in die fleischigen Pranken. „Mitkommen, alle drei! Wir werden uns jetzt diese Verliese anschauen!“, knurrte er und schob das leise bimmelnde Schwert zurück in die Scheide.


    Ende von Teil 6 :-)


    © Doc

  • *hüstel* ... ich hätte da eine Anmerkung.....



    "....daß man glauben hätte können er würde gerade Blumen pflücken."


    Wäre nicht besser: .....,dass man hätte glauben können er würde.... ?
    :gruebel


    Klingt mir irgendwie verdreht.



    Was der Story aber keinen Schaden zufügt. ;-)

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Zitat

    Original von Batcat
    Nicht nur die. Diese feine Mär besticht durch die Aneinanderreihung herzallerliebster Details. :lache


    :write

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat


  • Hm, kann man wahrscheinlich beides nehmen...aber vielleicht äußern sich ja mal die "Profis" bzw. veröffentlichten Autoren mal zu dem Satzbau.


    Gruss,


    Doc