Seltene Affären - Thommie Bayer

  • Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
    Verlag: Piper (1. August 2016)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3492056113
    ISBN-13: 978-3492056113


    Inhaltsangabe:


    Von Montag bis Donnerstag führt Peter Vorden ein Feinschmecker-Restaurant in Lothringen. Danach beginnt sein richtiges Leben. Denn dann zieht Vorden sich zurück in seine deutsche Wohnung und schreibt Kurzgeschichten. Er tut es für seinen erfolgreichen Bruder Paul, den Schriftsteller, dem er damit immer wieder aus der Klemme hilft. Paul ist sein Zwillingsbruder und hat vor vielen Jahren Anne geheiratet, die einzige Frau, die für Peter je infrage kam. Seither lebt Peter mit Affären - und ahnt doch, dass er den großen Konflikt in seinem Leben endlich lösen muss.


    Autoreninfo:


    Thommie Bayer, 1953 in Esslingen geboren, studierte Malerei und war Liedermacher, bevor er 1984 begann, Stories, Gedichte und Romane zu schreiben. Neben anderen erschienen von ihm "Die gefährliche Frau", "Singvogel", der für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman "Eine kurze Geschichte vom Glück" und zuletzt "Weißer Zug nach Süden".


    Meine Meinung:


    Titel: Herr Vorden schreibt Geschichten...


    Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die lose Fortsetzung zu "Weißer Zug nach Süden", wobei man auch ohne Vorkenntnis des Vorgängers keine Verständnisprobleme haben sollte. Nur den einen oder anderen Aha- Moment verpasst man dann allerdings.


    Während es im ersten Buch um die Haushaltshilfe Ciara ging, dreht sich hier nun alles um ihren Arbeitgeber Peter Vorden, dessen Zwillingsbruder Autor ist.


    Die Handlung wird uns über Herrn Vorden als Ich- Erzähler nahe gebracht, weshalb wir sehr intensiv seine Gedanken- und Gefühlswelt erleben dürfen. Es sind vor allem die eher leisen Momente, die das Besondere bei diesem Roman ausmachen, denn man wird beim Lesen doch sehr nachdenklich.


    Wir erleben das Leben von Herrn Vorden sowohl als jungen Erwachsenen als auch als älteren Herren, so dass wir dadurch auch den Wandel der Zeit spüren können.


    Es gelingt dem Autor Thommie Bayer mal wieder mit recht wenigen Worten so viel zu erzählen. Auch wenn der Roman nicht mal 200 Seiten aufweist, so hat er doch so viel zu bieten. Was macht uns glücklich im Leben? Und bereuen wir, was wir bisher getan haben?


    Fazit: Ein Kleinod unter den Romanen. Ich kann nur eine klare Leseempfehlung aussprechen. Klasse!


    Bewertung: 10/ 10 Eulenpunkten

  • Der Ich-Erzähler Peter Vorden, der erstaunlich gut mit seinen Enttäuschungen umzugehen weiß, hat sein Leben ritualisiert, um es einigermaßen gut zu bewältigen. Am Wochenende schreibt er Kurzgeschichten, nicht zuletzt auch, um sich zu besser verstehen zu lernen und einen Hauch vom Glück zu erfahren, das eher sein Zwillingsbruder Paul gepachtet zu haben scheint:


    "Vermutlich bin ich einsam. Aber es tut nicht weh, weil ich es selbst so haben will.“ (S. 57)


    "Paul hatte sich immer wieder mich als Vorbild für eine Figur vorgenommen, weil er eine bestimmte Art von Einsamkeit schildern wollte, die ihm fremd war, vor der er sich fürchtete, weshalb er sie heraufbeschwor und virtuell durchlebte, als könnte er damit eine Schuld bei mir abtragen, deren er sich vermutlich nicht einmal selbst bewusst war.“ (S. 176f.)


    Thommie Bayer schreibt in leisen Tönen über das, was das Leben uns Lebenden beschert und wie man mit der Bescherung umgeht, um nicht zu sehr daran zu leiden: Unerfüllte Lebensträume stoisch hinnehmen sowie Verzicht üben, vor allem dann, wenn der Bruder mit der Liebe seines Lebens verheiratet ist, die man selbst gerne geheiratet hätte.


    Es traf sich, dass der Autor vorgestern zu Gast in der Stadtbibliothek Neuss war. Schöner Zufall, dachte ich, denn ich war gerade dabei, das Buch zu lesen, woraus er lesen wollte. Nichts wie hin, entschied ich, denn ich wollte ihn etwas fragen, womit ich mich in den letzten Tagen beschäftigt hatte.


    Allerdings musste ich die Frage nicht stellen, anscheinend war sie so offensichtlich, dass mir jemand zuvor kam. Dem Fragesteller und mir war aufgefallen, dass Thommie Bayer eine Figur aus seinem vorletzten Buch geklaut und in „Seltene Affären" eingebaut hat. In dem Buch „Weißer Zug nach Süden“ war es die Reinigungskraft Chiara, die sich Peter Vorden vorgestellt hat; nun stellt sich der Protagonist Chiara vor und aus der Kraft der Vorstellung entwickelt sich eine virtuelle Beziehung.


    Ich wollte den Autor fragen, ob er beide Bücher, also beide Perspektiven schon damals angedacht hatte, oder ob ihm die Idee einer Fortsetzung erst später gekommen sei. Die Antwort war überraschend und unspektakulär: Es war sein Lektor, der ihn auf die Idee gebracht habe.


    Ein tiefsinniges und gutes Buch. Wem es gefallen hat, der sollte unbedingt auch „Weißer Zug nach Süden“ lesen.