39,90 - Frédéric Beigbeder

  • Klappentext:


    Octave Parango, Kreativer in einer Pariser Werbeagentur, hat einen Topjob, Luxus ohne Ende und die Schnauze so voll, dass ihm davon schlecht würde, gäbe es nicht den Zynismus, Frauen und Koks. Schonungslos verdammt er seine Welt, in der einfach alles käuflich ist - er selbst eingeschlossen. Bei den Dreharbeiten zu einem Werbespot entlädt sich sein Hass in einer ungeheuerlichen Gewalttat.


    Über den Autor:


    Frédéric Beigbeder, geboren 1965, lebt als Schriftsteller und Kritiker in Paris. Er arbeitete zehn Jahre lang als Werbetexter, bevor ihm mit diesem Roman ein spektakulärer internationaler Erfolg gelang. Im Rowohlt Taschenbuch Verlag liegen auch seine früheren Romane vor.


    Meine Meinung:


    Mir gefällt Frédéric Beigbeders Stil ausgesprochen gut. Sehr originell: Er teilt seinen Roman in 6 Abschnitte ein und betitelt diese mit ICH, DU, ER, WIR, IHR, SIE. Dazu passend wechselt er in jedem Abschnitt die Erzählperspektive. Zwischen zwei Abschnitten wird jeweils ein Werbespot "gesendet", der - wie bei Werbepausen üblich - mit der Romanhandlung rein gar nichts zu tun hat!


    Die Geschehnisse in der Welt der großen internationalen Werbeagenturen gibt er schon recht authentisch wieder, aber für meinen Geschmack einfach zu zynisch und verbittert. Als er den Roman schrieb, war er wohl noch Werbetexter (es muss ihm allerdings klar gewesen sein, dass er danach keiner mehr sein würde...), und es wird allzu deutlich, dass er regelrecht angekotzt ist von seinem Beruf!


    Da mir mein Beruf durchaus Spaß macht :-) und ich Werbung nicht nur blöde finde, war ich mit diesem Buch nicht ganz zufrieden, auch wenn ich über seine Schreibe nur Gutes berichten kann!


    Die Waldfee


    ASIN/ISBN: 3492273521

    Ich habe keine Lösung, aber ich bewundere das Problem.

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  • Bei mir ist es schon recht lang her, daß ich es gelesen hab. Mein Eindruck damals war, daß Beigbeder 1) doch recht übertreibt, 2) ein bitterböser Zyniker ist und 3) in seinem Job wohl mehr als nur ein wenig unzufrieden ist. Trotzdem hat mir das Buch gut gefallen und sich sehr flüssig und Flott gelesen. Nett für zwischendurch, auf Dauer vermutlich aber aus oben genannten Gründen wohl nichts für mich.

  • Ein Autor, der mir - weit vorne im Buch - verspricht, dass seine Schreibkunst mir "einen Steifen" verschaffen wird, der hat eindeutig nicht mich als Teil seiner Zielgruppe im Auge.


    Für mich ist 39,90 - wie beispielsweise auch Ruf! Mich! An! - ein flott lesbarer Zugfahrtbegleiter, der mich eine Weile durchaus amüsieren kann, den ich jedoch ohne nennenswertes Bedauern beim Erreichen meines Zielbahnhofs im Abteil zurücklasse.

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Zitat

    Original von blaustrumpf
    Ein Autor, der mir - weit vorne im Buch - verspricht, dass seine Schreibkunst mir "einen Steifen" verschaffen wird, der hat eindeutig nicht mich als Teil seiner Zielgruppe im Auge.


    Oh, das hatte ich ganz überlesen. Dann war das Buch wohl auch nicht für mich gedacht. :lache

  • Dieses Buch empfand ich als Wechselbad der Gefühle ... vor allem, wenn man selbst in der Werbe-Branche arbeitet und weiß, dass der Irrwitz, der darin beschrieben wird, kein Zerrbild ist und nicht übertrieben, sondern im Gegenteil ziemlich genau widerspiegelt, wie diese Welt funktioniert.


    Dem Autor gelingt es, seine Abrechnung mit der Branche auch noch in eine recht spannende Geschichte zu verpacken, nämlich die des überbezahlten und von Selbstekel erfüllten, aber dennoch mit Leidenschaft in den sündigen Früchten schwelgenden Protagonisten Octave, einem Werbetexter, der an einem Enthüllungsbuch schreibt und auch sonst bei jeder Gelegenheit provoziert, um von seinem Arbeitgeber endlich gefeuert zu werden. Denn sein Traum ist es, daraufhin in die weichen Daunen bezahlter Arbeitslosigkeit zu fallen und der Dekadenz seines Berufsstands endlich zu entkommen.
    Octave ist natürlich furchtbar inkonsequent in seinem Streben und betrügt sich selbst. Denn wenn er wirklich raus wollte, gäbe es einfachere Methoden. Einfach zu kündigen beispielsweise. Und das fehlende Arbeitslosengeld sollte bei 2 Mio EUR auf dem Konto dann auch nicht wirklich das Problem sein...


    Die Geschichte beginnt mit einer Kundenpräsentation: Für Maigrelette, das Joghurt, das schön und schlau macht, soll ein Fernsehspot und eine Werbekampagne entwickelt werden. Der Kunde ist sehr schwierig, weiß Kreativität nicht zu schätzen und verärgert Octave mit rassistischen Forderungen (die Schauspielerin im Spot muss weiß und mitteleuropäisch sein). Octave zieht sich aufs Klo zurück, um seine vom übermäßigen Koksen blutende Nase unter Kontrolle zu kriegen und verschmiert das Blut anschließend voller Wut an den Wänden auf seinem Weg aus dem Bürogebäude.
    Diese Szene setzt den Ton für den Rest des Buches. Der Joghurt-Kunde und dessen Erhaltung für die Agentur zieht sich als oberste These durch die ganze Geschichte, ebenso das Ringen um einen lustigen/unterhaltsamen/intelligenten Fernsehspot, der trotzdem so progressiv sein soll, dass er in Cannes Gold gewinnt. Ein Ding der Unmöglichkeit. Auf einer zweiten Ebene haben wir Octaves Taumel durch ein verpfuschtes Leben voller wertloser Werte, dem das teure Apartment, die 130T EUR Jahresgehalt, der Z3 und die 3000-EUR-die-Nacht-Huren trotzdem nicht kompensieren, dass er Sophie weggestoßen hat, die einzige Frau, die er liebte, als sie ihm sagte, dass sie schwanger war. Und er seine Tochter nun nie kennenlernen wird, weil er ein verantwortungsloses Arschloch ist.


    Die Erzählstruktur ist manchmal anstrengend, im Großen und Ganzen interessant, experimentell und dem Thema formal angemessen: Über mehrere Abschnitte begegnet uns Octave zuerst als ICH-Erzähler, dann kommt die DU-Perspektive, dann die dritte Person, und schließlich das WIR. Zwischen den Abschnitten ist jeweils das Storyboard für einen Werbeclip eingefügt, der - genauso wie die ganze Handlung - am Anfang noch lustig und zynisch ist, nach hinten dann immer unangenehmer und irrwitziger wird.
    Und so ging es mir auch mit dem ganzen Buch: Die ersten Kapitel sind einfach lustig, weil sie mit spitzem Sarkasmus Realitäten aufs Korn nehmen. Ab der Mitte bis zum Ende hin wird das Buch zunehmend unangenehm und bereitet Magenschmerzen, bis es zum Ende hin in surrealistisch-pessimistische Visionen abdriftet. Ab dort empfand ich auch den Erzähler Octave als Unsympath, der sich als Opfer sieht, aber im Grunde nur ein Heuchler ist, zu schwach, um sich der Verführung des Bösen zu entziehen, das er andererseits so anprangert und dem er seinerseits Heuchelei vorwirft. Aber beim Nachdenken ist das nur konsequent: Dieser Charakter verkörpert perfekt das Bild und die Werte dieser Industrie (von rühmlichen Ausnahmen einmal abgesehen, die aber nicht die Regel bilden).


    39,90 ist ein lesenswertes Buch, das meiner Meinung nach dem inflationär ausgeschütteten Kritikerlob ausnahmsweise mal gerecht wird.

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!