Titel: Rückkehr nach Reims
OT: Retour a Reims
Autor: Didier Eribon
Übersetzt aus dem Französischen von: Tobias Haberkorn
Verlag: Edition Suhrkamp
Erschienen: Mai 2016
Seitenzahl: 237
ISBN-10: 3518072528
ISBN-13: 978-3518072523
Preis: 18.00 EUR
Didier Eribon wurde 1953 in Reims geboren und lehrt jetzt Soziologie an der Universität von Amiens. Er gehört zu den wichtigsten Intellektuellen Frankreichs und bezieht regelmässig Stellung zum politischen Zeitgeschehen.
„Rückkehr nach Reims“ ist keine Autobiographie im herkömmlichen Sinne. Eribon erzählt zwar aus seinem Leben, verbindet die einzelnen Episoden aber immer wieder mit soziologischen, philosophischen und politischen Kommentaren. Ein höchst interessante Mischung.
Was war der Anlaß für dieses Buch?
Als sein Vater stirbt, reist Didier Eribon erstmal seit Jahrzehnten wieder in seine Heimatstadt, die er im Alter von 20 Jahren in Richtung Paris verlassen hat. Familiäre Bindungen bedeuteten ihm nicht viel – erst als er mit seiner Mutter nach der Beerdigung seines Vaters (an der Didier Eribon nicht teilgenommen hatte) alte Fotos betrachtet, macht er sich Gedanken über sich und über seine Familie. Mit seinem Vater hat er sich nie verstanden, ihn sogar gehasst – doch nun lernt er auch, seinen Vater wenigstens in Ansätzen zu verstehen.
Didier Eribon lernt endlich zu akzeptieren wo er herkommt, sieht endlich, dass es keine Schande ist wenn man seine Wurzeln in der Arbeiterklasse hat. Die wirklichen Dummköpfe sind eben die, die meinen sie wären etwas Besseres.
Eribon macht auch keinen Hehl aus seiner Homosexualität, versteckt sie nicht – so wie er sie in jungen Jahren versteckt hat und wohl auch verstecken musste, ist doch kaum ein Land so reaktionär, intolerant und latent faschistisch wie Frankreich.
So versucht er zu verstehen, wie sich die Menschen von den Kommunisten ohne viel Federlesens dem Front National zugewandt haben. Zwischen den Zeilen ist zu lesen – und so ist es wahrscheinlich auch – das Kommunismus und Faschismus eben in vielen Dingen nicht voneinander zu unterscheiden sind.
Dieses Buch ist mehr als die Beschreibung eines Lebens, es ist auch eine Bestandsaufnahme der Gesellschaft – von den Fünfzigern bis in die heutigen Tage. Einer Gesellschaft die eben nicht merkt wie sie ausgebeutet und täglich neu verarscht wird, einer Gesellschaft, der man jeden Scheiß erzählen kann, glaubt sie doch eh alles – aus Bequemlichkeit und aus Angst sich vielleicht mit der Realität befassen zu müssen.
Ein hochinteressantes Buch – 8 Eulenpunkte für ein echtes und nachhaltiges Leseerlebnis.