Sprach-Probleme

  • Manchmal sitzen wir Autoren vor dem halbbeschriebenen Blatt (oder der Schreibmaschine oder Tastatur und Bildschirm) und starren eine Formulierung an: Nee. Das kann nicht sein. Das muß falsch sein ...


    Für solche Fragen ist dieser Fred gedacht! :grin


    Ich kam drauf, als Ines in einem anderen Fred (Ulla Hahn - Das verborgene Wort) schrieb:

    Zitat

    Original von Ines
    kann mir mal jemand erklären, wann man warum, wann wieso und wann weshalb benutzt?


    Jetzt sollte man das natürlich nicht in einem Rezi-Fred klären, also machen wir es von nun an hier! :-)


    Ines, was deine Frage angeht ... offen gestanden, ich weiß es nicht wirklich, ich denke mir, solche Fragewörter haben ja fast immer ein Pendant:


    warum -- darum -- um zu (+ Infinitiv)
    Beispiel: Wir gehen in die Stadt um zu schwimmen. <- Warum ...?


    weshalb -- deshalb -- (Genitiv +) halben/halber
    Beispiel: Er fährt der Erholung halber auf Kur. <- Weshalb ...?


    weswegen -- deswegen -- (Genitiv +) wegen oder wegen (+ Genitiv)
    Beispiel: Wegen der leckeren Currys gehen wir immer zum selben Inder. <- Weswegen ...?


    wozu -- dazu -- zu (+ Genitiv) oder um zu (+ Infinitiv)
    Beispiel: Ich schaue zur Entspannung fern <- Wozu ...?



    Das sind oft nur Nuancen. Ich überlege mir einfach, welche Formulierung bei der Antwort am besten passen würde, danach entscheide ich mich.


    Bei "wieso" funzt das allerdings nicht. :wow


    Man kann aber auch in eine Grammatik schaun, z.B. die Duden-Grammatik.
    Da habe ich es aber auf Anhieb auch nicht gefunden. :cry


    Edit: Besonders Dumme müssen mehrmals Editieren ...

  • Gute Idee, der Thread! :-)


    Die "wieso, weshalb, warum"-Erklärung kauf ich dir aber nicht ab, Iris ... :gruebel


    "Weshalb hast du diesen Thread aufgemacht?" "Weil Ines mich auf die Idee gebracht hat."


    Da passen alle drei. Für mich liegt der Unterschied eher im Register: "warum" ist neutral, "weshalb" ist eher Schriftsprache, "wieso" ist eher Umgangssprache.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Zitat

    Original von MaryRead
    Die "wieso, weshalb, warum"-Erklärung kauf ich dir aber nicht ab, Iris ... :gruebel


    Ist aber eigentlich die grammatisch korrekte. Schließlich geht es um korrelierende Wortarten.
    Daß in der Alltagssprache sich die Konnotationen geändert haben, mag sein, hebelt das Argument aber nicht wirklich aus. :-)

  • Es kommt auch ein bißchen darauf an, in welchem Kontext/Erzählteil man diese - und andere - Worte verwendet. Auf den Sprachfluß - mehr als auf grammatikalische Korrektheit, wie ich finde. Und in Dialogen wirken bestimmte Formulierungen gestelzt und unecht, obwohl - theoretisch - korrekt. Die meisten Menschen fragen 'Wieso', wenn sie nach Gründen fragen, und 'Warum', wenn sie nach Erklärungen suchen, und das klingt dann in Dialogen auch (meistens) am besten. 'Weshalb' wird m.E. in Alltagsdialogen eher selten eingesetzt.

  • Google findet hier eine schlaue Antwort, die nach "Grund", "Ursache" und "Zweckursache" unterscheidet und tatsächlich in Iris' Richtung geht. In der Praxis funktioniert allerdings das Sprachgefühl auch ganz gut. ;-)


    Aber wo wir schon mal dabei sind!


    "Verpflichtung auf" - gibt's das, oder gibt's das nicht? Ich versuch's immer mal wieder damit als Übersetzung für "commitment", wo ich mich eben nicht "zu" etwas verpflichte, sondern eher eine freiwillige moralische Zusage/Absichtsbekundung abgebe. Aber ich komme selten damit durch; die meisten sagen, "sich verpflichten auf" gibt's nicht.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Zitat

    Original von MaryRead
    die meisten sagen, "sich verpflichten auf" gibt's nicht.


    mir fällt zumindest ein beispiel ein, wo es vorkommt;


    "Der Soldat verpflichtet sich auf vier Jahre bei der Bundeswehr."

  • Zitat

    Original von Tom
    Das müßte "für vier Jahre" heißen.


    hier sind der berliner und der bayer eben unterschiedlicher auffassung. :lache


    Im Ernst: In Bayern kann man auch "auf vier Jahre" sagen!

  • Zitat

    Im Ernst: In Bayern kann man auch "auf vier Jahre" sagen!


    Das sagen auch Leute in Berlin, nichtdestotrotz ist es falsch. Ich kenne auch Menschen, die nach Ikea fahren oder auf Arbeit sind, und denen es egal ist, daß sie nebenbei die deutsche Sprache vergewaltigen. :grin

  • Zitat

    Aber auf Schalke ist schon richtig, oder?


    :grin Das ist eine stehende Begrifflichkeit, die sich durch die stetige Verwendung und den geschichtlichen Bezug ihre Berechtigung erworben hat. Das erste richtige Schalke-Stadion hieß "Glückauf-Kampfbahn", wodurch sich vor allem unter den Kumpels diese Redewendung durchgesetzt hat. 'Schalke' ist ja ein Stadteil von Gelsenkirchen, aber da redet man von "nach Schalke" gehen/fahren.

  • I beg to differ, Tom!


    Es gibt den sog. uneigentlichen Gebrauch von Wörtern, z.B. die "nichtlokale Verwendung lokaler Präpositionen bei völligem Schwund der Raumvorstellung" (Duden Bd.4, Gramm. §703,3, S. 395 -- dort erwähnt).
    Dieser "uneigentliche Gebraucht" (rein grammtisch gesehen uneigentlich) kommt in allen Sprachschichten vor. Die Formen, die in Argot, Jargon und Dialekten verwendet werden, haben natürlich in der Standardsprache nichts verloren. Allerdings können sie dort einsickern.
    "Sich auf vier Jahre zu verpflichten", "auf die Toilette gehen", "auf den Markt gehen" sind zwar semantisch nicht sonderlich sinnvoll, im Standarddeutschen allerdings völlig korrekt.


    Überhaupt: Was ist schon Standardsprache? Wenn du als Autor einen Bergwerkernachkömmling reden oder denken läßt, dann geht der "aufe Stadt" und "nach 'm Bahnhof" -- weil es nämlich der spezifische (regionale und gesellschaftlich bedingte) Jargon dieser sozialen Gruppe ist.


    Um mal beim Beispiel "auf" zu bleiben: In süddeutschen Dialekten kommt "auf" als lokale Präposition häufig vor ("auf Mingga geh" = "nach München gehen"; "auf Mingga hint" = "in München").
    In regionalen Jargons findet sich häufig ein standardsprachlich falscher Gebrauch einzelner Wörter, der weniger auf dialektale Eigenarten zurückzuführen ist als auf den Einfluß fremdsprachlicher Einwanderer (im Ruhrgebiet waren das vor allem Polen) und die Identitätsstiftung durch sprachliche Abgrenzung (wie z.B. beim "Ghetto-Slang").


    Sprache ist etwas Veränderliches: Was wir heute als gänsehauterregend empfinden, kann in wenigen Generationen schon zum Sprachstandard gehören. Meine Oma pflegte bestürzt auszurufen: "Mein Jott, Kenk, watt ihr heut redet?"
    Standarddeutsch bzw. Hochdeutsch ist im Wesentlichen geprägt durch die Prosa der Deutschen Klassik bzw. deren Rezeption im späten 19. und frühen 20. Jh. Liest man (unbearbeitete) Schriften von Schiller oder Goethe oder Winckelmann, dann ist man oft erstaunt, wie weit sich allein das aktuelle Hochdeutsch schon von diesen Vorbildern entfernt hat -- und damit meine ich nicht die Deform! ;-)

  • Zunächst ein großes Dankeschön an Iris für die Erwähnung, dass "wegen" den Genitiv erfordert. Jedoch frage ich mich, ob die Grammatik inzwischen an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst wurde, denn kaum jemand benutzt "wegen" + Genitiv. Es erschaudert es mich, wenn Nachrichtensprecher "wegen dem..." in ihren Beiträgen benutzen. (Aber wie war das noch gleich:"Fernsehen macht die Klugen klüger und die Dummen dümmer.)


    Zu "verpflichten auf" kann ich nur sagen: kenne ich vom Hörensagen, wird hier im Norddeutschen aber kaum gebraucht.
    Allerdings redete ein Freund von mir öfter davon, dass er "auf das Haus" will (gemeint ist das Haus seiner Studentenverbindung).
    Dieser Freund ist der deutschen Sprache und Grammatik mächtig, doch ich denke, dass diese sprachliche Besonderheit im Zusammenhang mit der Entstehung der Studentenverbindungen im süddeutschen Raum zu sehen ist. (Wie man/frau zu Studentenverbindung steht ist eine andere Geschichte, aber es ist schon ein wenig komisch, von "auf dem Haus" zureden.)

  • Zitat

    Original von Salonlöwin
    Zunächst ein großes Dankeschön an Iris für die Erwähnung, dass "wegen" den Genitiv erfordert. Jedoch frage ich mich, ob die Grammatik inzwischen an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst wurde, denn kaum jemand benutzt "wegen" + Genitiv.


    Teilweise. Ich zitier mal:

    Zitat

    Bei Substantiven des <Deklinations->Typs I [...] wie z.B. Monat stimmt die Form des Genitivs Plural mit den Formen des Nominativs und Akkusativs Plural überein (Monate); nur der Dativ ist eindeutig (Monaten). Geht einem solchen Substantiv der bestimmte Artikel oder ein gebeugtes Attribut voraus, so wird durch dessen Endung der Genitiv deutlich (wegen der Geschäfte; innerhalb weniger Monate). Ist dies nicht der Fall, dann wird nach Präpositionen wie

    abzüglich, [an]statt, ausschließlich, einschließlich, exklusive, inklusive, außerhalb, innerhalb, laut, mangels, [ver]mittels(t], trotz, während, wegen


    anstelle des Genitivs der Dativ gewählt [...].


    (Quelle: Duden Bd.4 Grammatik, §704 - Präpositionen mit dem Genitiv; Abs. 1 (S. 395f.)


    Übrigens ist der Dativ nach "wegen" nicht so sehr umgangssprachlich als veraltet. Bei vorklassischen deutschen Autoren und bei Goethe findet man ihn sogar häufig.

  • Vielleicht passt das jetzt nicht ganz hier hinein,
    aber ich habe mal eine Frage zur neuen deutschen Rechtschreibung, und da hier zwei Autoren vertreten sind ...


    Mir sind in der letzten Zeit oft neue Romane aufgefallen, die sich nicht an die Reform halten. Wie kann das sein?
    (Ich möchte nun keine Antworten über die Unsinnigkeit der Reform, sondern warum jene nicht allgemein gültig ist? Oder ist sie das nicht?)


    Gruß Heidi

  • Zitat

    Mir sind in der letzten Zeit oft neue Romane aufgefallen, die sich nicht an die Reform halten. Wie kann das sein?


    Wenn die Autoren das so wollen - und es sich mit der Verlagspolitik vereinbaren läßt. Die NDR gilt "offiziell" (also in Behördern, Ämtern, Schulen usw.) ab dem 1. August, die "FAZ" bleibt bei der ADR, und ich auch, weil die meisten Regelungen der NDR totaler Scheiß sind. Mein nächstes Buch erscheint auch wieder in ADR.

  • Zitat

    Original von Tom
    Wenn die Autoren das so wollen - und es sich mit der Verlagspolitik vereinbaren läßt.


    Wiebke hat neulich erklärt, bei ihr sei es der Verlag (Piper), der die Entscheidung für die alte Rechtschreibung getroffen hat.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)