ZitatOriginal von xexos
Wer ist denn mit "er" gemeint, Eichmann oder Hitler (den Du dann namentlich nennst)?
Ich ging damit auf die Antwort von Dieter ein. Wir/Ich meine damit Hitler.
ZitatOriginal von xexos
Wer ist denn mit "er" gemeint, Eichmann oder Hitler (den Du dann namentlich nennst)?
Ich ging damit auf die Antwort von Dieter ein. Wir/Ich meine damit Hitler.
ZitatOriginal von Findus
Ich ging damit auf die Antwort von Dieter ein. Wir/Ich meine damit Hitler.
Den Verdacht, dass Du Hitler meintst, hatte ich schon beim Wort Röhmputsch. Dieter meint aber sicher Eichmann.
ZitatOriginal von xexos
Den Verdacht, dass Du Hitler meintst, hatte ich schon beim Wort Röhmputsch. Dieter meint aber sicher Eichmann.
Danke, hab das nochmal nachgelesen, da hab ich mich wohl vertan. Allerdings haben wohl viele dieser "Herren" "zufällig" Positionen erlangt die ihnen den Massenmord, ob aktiv oder passiv mitwirkend, ermöglicht haben.
Da mich das Thema immer schon interessiert und ja ich es unvorstellbar finde, wie es dazu kommen konnte, kann es schon sein, dass mir im Eifer des Gefechts solch Sachen passieren.
Ich entschuldige mich schon mal im Voraus.
Leider ist mir das reale Leben in die Quere gekommen, tagelang fand ich keine Zeit zu lesen, und noch immer hänge ich im Mommsen-Text fest, den ich sehr gewöhnungsbedürftig finde. Mehr als deprimierend fand ich, dass es offenbar keinerlei Interesse gab, die Naziverbrechen Eichmanns vor einem internationalen Gericht zu untersuchen, da hätten sie meiner Meinung nach hingehört. Gewundert habe ich mich über die "Hierarchielosigkeit als Strukturphänomen des Dritten Reiches" (S. 26). Ich hatte immer angenommen, dass der Naziapparat auf allen Ebenen durchbürokratisiert und daher ziemlich hierarchisch war. War das berühmte man habe "nur Befehle befolgt" nicht auch oft als Rechtfertigung zu hören, oder bringe ich da was durcheinander?
Für eine Verfahren vor einem internationalen Gericht fehlte seinerzeit eine bindende Rechtsgrundlage.
Das Statut für den Internationalen Militärgerichshof regelte, dass die Hauptkriegsverbrecher schnell abgeurteilt und bestraft werden sollten. Es ging da um Kriegsverbrechen. Eichmann als Kriegsverbrecher einzuordnen ist juristisch zudem umstritten.
In Sachen Eichmann wäre die Militärgerichtshof aber wohl daher nicht zuständig gewesen.
Die Massenvernichtung in den Konzentrationslagern wurden laut dem Völkerstrafrecht als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" eingeordnet, nicht aber als Kriegsverbrechen. Da auch andere Menschen nichtjüdischer Abstammung getötet wurden, handelt es sich nicht durchgehend um Völkermord.
Ja, ich dachte mir schon, dass es da juristische Rahmenbedingungen gibt, von denen ich keine Ahnung habe.
"Verbrechen gegen die Menschlichkeit" trifft es nach meinem vollkommen unjuristischen Verständnis auch deutlich besser als Kriegsverbrechen. Letztlich wichtig ist wohl auch nur, dass er tatsächlich vor Gericht gelandet ist, auch wenn die Begleitumstände unglücklich sind. Dass er entführt werden musste (und viele andere vollkommen ungestraft untertauchen konnten), ist so unglaublich, das macht mich immer wieder fassungslos.
Fassungslos war ich vor kurzem, als in einem Bericht der Lebenslauf eines ehemaligen KZ-Arzt thematisiert wurde. Dieser Arzt war jahrelang weiterhin als praktizierender Arzt in der Bundesrepublik aktiv. Leider habe ich aber den Namen dieses Kerls vergessen. Vielleicht hat ihn ja jemand anderes parat?
Meinst du Werner Heyde? Der hat nach dem 2. WK als Fritz Sawade in Flensburg gearbeitet.
Ich glaube, der hier war es: https://de.wikipedia.org/wiki/Aribert_Heim
ZitatOriginal von Tilia Salix
Gewundert habe ich mich über die "Hierarchielosigkeit als Strukturphänomen des Dritten Reiches" (S. 26). Ich hatte immer angenommen, dass der Naziapparat auf allen Ebenen durchbürokratisiert und daher ziemlich hierarchisch war.
Das hat mich ebenfalls erstaunt. Hannah Arendt zeigt allerdings später im Text auf, dass hinter dieser "Hierarchielosigkeit" durchaus Methode steckte.
Hannah Arendt hat den Juden ja bekanntermaßen quasi eine Mitschuld an der eigenen Vernichtung gegeben.
Auch der bekannte Holocaust-Forscher Raul Hilberg kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Er behauptete in seiner Magisterarbeit - geschrieben bei Professor Franz Neumann - dass die deutsche Verwaltung sich darauf verlassen habe, dass die Juden ihre Anweisungen befolgen würden, womit die Juden selber zu ihrer Vernichtung beigetragen hatten.
(Quelle: Raul Hilberg "Unerbetene Erinnerung")
Dieser Ansicht wurde anfangs nur sehr zögernd widersprochen, galt und gilt Hilberg doch als der führende Experte der Holocaust-Forschung.
Wie bereits a.a.O. erwähnt, hat der Historiker Arno Lustiger diese Ansicht Hilbergs scharf kritisiert. Hilberg hat - offenbar wie Hannah Arendt auch - hier einige Dinge bewusst oder auch unbewusst nicht zur Kenntnis genommen oder nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
ZitatOriginal von Voltaire
Hannah Arendt hat den Juden ja bekanntermaßen quasi eine Mitschuld an der eigenen Vernichtung gegeben.
Ich finde den Begriff "Mitschuld" schwierig, da die Schuldfrage natürlich eindeutig geklärt ist. Auch wenn es vielleicht keinen riesigen Unterschied macht, ziehe ich persönlich "Mitwirkung" vor. Es fühlt sich irgendwie besser an.
ZitatAlles anzeigenAuch der bekannte Holocaust-Forscher Raul Hilberg kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Er behauptete in seiner Magisterarbeit - geschrieben bei Professor Franz Neumann - dass die deutsche Verwaltung sich darauf verlassen habe, dass die Juden ihre Anweisungen befolgen würden, womit die Juden selber zu ihrer Vernichtung beigetragen hatten.
(Quelle: Raul Hilberg "Unerbetene Erinnerung")
Dieser Ansicht wurde anfangs nur sehr zögernd widersprochen, galt und gilt Hilberg doch als der führende Experte der Holocaust-Forschung.
Wie bereits a.a.O. erwähnt, hat der Historiker Arno Lustiger diese Ansicht Hilbergs scharf kritisiert.
Vielen Dank für den Literaturhinweis. Ist das Buch deiner Meinung nach wichtig, um tiefer in die Diskussion einsteigen zu können? Zu deutsch: Sollte ich es lesen?
ZitatHilberg hat - offenbar wie Hannah Arendt auch - hier einige Dinge bewusst oder auch unbewusst nicht zur Kenntnis genommen oder nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Meinst du damit den stellenweise durchaus vorhandenen Widerstand, ob nun aktiv oder passiv?
Es schadet sicher nicht, das Buch von Hilberg zu lesen, denn es ist eine Beschreibung seines sehr interessanten akademischen Lebens, insbesondere beschäftigt es sich aber auch mit seinem Hauptwerk "Die Vernichtung der europäischen Juden".
Für die Diskussion in Bezug auf das Buch von Hannah Arendt ist aber es aber eher nicht so wichtig. Da wäre vielleicht das Hauptwerk von Raul Hilberg interessant.
Hannah Arendt und auch Raul Hilberg haben dem jüdischen Widerstand (aktiv und passiv) nur eine sehr begrenzte Aufmerksamkeit geschenkt. Warum das so war, weiß ich nicht. Aber wie so oft in der Wissenschaft, es gibt unterschiedliche und sich auch oftmals widersprechende Sichtweisen. Insofern kann man wohl auch schlecht von "recht oder unrecht haben" sprechen.
Hannah Arendt hat den Juden keine "Mitschuld an der eigenen Vernichtung" gegeben - auch nicht "quasi". Jedenfalls finden weder ich, noch viel berufenere Köpfe als ich, irgendeinen Hinweis dafür, dass diese Behauptung zuträfe. Sie hat allerdings - und das hat manche Menschen ihres Volkes irritiert oder gar aufgebracht (bis hin zu Golo Mann) -, immer wieder laut und deutlich die Frage gestellt, warum sich in vielen Fällen die jüdischen Eliten so scheinbar willig in den Untergang ihres Volkes gefügt und - mehr noch - den Nazis bei der Auswahl von zu Deportierenden und bei der Organsiation deren reibungslosen Abtransports in die Vernichtungslager unterstützt haben.
Sie ringt jedoch - auch in diesem Buch - immer wieder nach Erklärungsversuchen für dieses Verhalten, da sie erkennbar nicht akzeptieren will, was viele Juden, deren Wort Gewicht hat, an Begründungen zu dieser Frage geliefert haben und heute noch liefern. Die Begründungen, das seien nun mal die Zeiten gewesen, und es wäre alles nur noch schlimmer gekommen, wenn nicht die Juden selbst für Ordnung und Disziplin bei dem offenkundig Unvermeidlichen gesorgt hätten, kann Hannah Arendt nicht akzeptieren.
Das habe ich nicht zu bewerten, ebenso wenig wie die Forderung, alle Deutschen hätten im Widerstand sein müssen. Eine Welt voller todesmutiger Helden will mir allerdings eher unrealistisch vorkommen. Mit Schuldzuweisung gegenüber dem gesamten deutschen Volk hat das aber nichts zu tun. Und bei Hannah Arendt auch nicht, soweit es eine solche gegenüber dem gesamten jüdischen Volk angeht.
Vielleicht sollte ich noch hinzufügen, das Raul Hilberg in seinem Buch "Unerbetene Erinnerung" sich sehr kritisch mit Hannah Arendts Buch "Eichmann in Jerusalem" (S. 127 ff.) auseinandersetzt.
Er unterstellt ihr, die Person des Adolf Eichmann völlig falsch eingeschätzt zu haben.
Wo Hannah Arendt Eichmann als einen Mann beschrieb, der in einem "Abgrund von Langeweile" lebte und der viele charakterliche Fehler aufwies und zudem ein "Wichtigtuer" und "Prahlhans" gewesen sei, ein Mann von "abgründiger Dummheit".
Raul Hilberg dazu wörtlich:
"Jedenfalls erkannte sie nicht, wieviel Gewaltiges dieser Mann mit so wenig Personal vollbracht hatte, indem er die Judenräte in weiten Teilen Europas überwachte und gängelte, zurückbleibendes jüdisches Eigentum in Deutschland, Österreich und Böhmen-Mähren beschlagnahmte, antjüdische Gesetze in den Satelitenstaaten vorbereitete und den Transport der Juden an Erschießungsstätten und in Vernichtungslager organisierte. Sie überblickte nicht, welche Pfade Eichmann im Dickicht des deutschen Verwaltungsapparates für seine beispiellosen Maßnahmen aufgespürt hatte, begriff nicht das Ausmaß seiner Tat. Dieses "Böse" hatte nichts "Banales"."
Hilberg wendet sich auch dagegen, dass er in einigen Punkten von Hannah Arendt quasi vereinnahmt wird - wozu übrigens auch ihre These von der "Mitwirkung an der eigenen Vernichtung" gehört.
Dazu schrieb Hilberg wörtlich:
"Auch die Rolle der jüdischen Führung bei dem, was Arendt einfach die Vernichtung ihres eigenen Volkes nannte, beurteilen wir sehr unterschiedlich."
Weiter sagte Hilberg:
"Ich hatte zwar betont, wie stark sich der deutsche Apparat auf die Mitarbeit der Judenräte verließ, deren Beschwichtigungspolitik in einem Desaster endete."
Und Benzion Dinur, Direktor von Yad Vashem" schrieb in einem Artikel:
"Die Juden befolgten Anordnungen, obwohl sie sich mit geringem persönlichen Risiko hätten entziehen können. In den Niederlanden seien sie mit Koffern zu den Zügen gerannt, die nach Osten fuhren, und sogar in Warschau und Wilna, Bialystok und Lwow fanden Äußerungen über Todesfahrten lange Zeit keinen Glauben."
Nochmals zur Behauptung von Hannah Arendt, bezüglich der Mitschuld des eigenen Volkes:
Julius H. Schoeps in DIE ZEIT vom 24. November 1978:
"n ihrem Buch „Eichmann in Jerusalem“ erklärte Hannah Arendt, die europäischen Juden hätten sich der Mithilfe an der eigenen Vernichtung schuldig gemacht. Wenn die jüdischen Gemeindeführer, die Leiter der internationalen Partei- und Wohlfahrtsorganisationen sich geweigert hätten, mit den NS-Behörden zusammenzuarbeiten, dann wäre es nach Ansicht Hannah Arendts zwar zu einem Chaos und sehr viel Elend unter der jüdischen Bevölkerung gekommen, die Gesamtzahl der Opfer aber hätte kaum zwischen viereinhalb und sechs Millionen gelegen. Der Vorwurf, es habe eine nachweisbare Kooperation der Juden mit den Nazis gegeben, sorgte seinerzeit für einige Aufregung. Mehr oder weniger direkt hatte Hannah Arendt die Judenräte beschuldigt, bei der Planung und Durchführung der „Endlösung“ mitgewirkt zu haben."
Ach ja, und wenn ich "quasi" schreibe, dann meine ich das auch so.
Hier ist ja schon so viel Interessantes geschrieben worden. Da weiß ich gar nicht, wo ich anknüpfen soll. Deshalb zuerst mal eine Frage.
Mommsen schreibt auf S. 21:
"Gerade die Existenz des assimilierten Juden, der die Tatsache seines "Jüdischseins" nicht akzeptierte und sich taufen ließ, machte aus dem vorherigen "Verbrechen", Jude zu sein, ein "Laster", dem nicht durch Bestrafung, sondern nur durch Ausrottung begegnet werden konnte. ... hatte doch die Bereitschaft zur Assimilation die Formverwandlung des Antisemitismus mit bewirkt."
Das verstehe ich nicht. Aus Überzeugung Jude zu sein, ist in den Augen der Nationalsozialisten ein Verbrechen, das bestraft werden muss. Aber gegen seinen Willen Jude zu sein ist ein Laster, das man ausrotten muss?
Sehr interessant war für mich auch Arendts Aussage, dass der Holocaust nicht in die historische Reihe des antisemitischen Strömungen zu stellen sei, sondern aus Notwendigkeit entstanden sei, ein Feindbild zu schaffen.
Was war vorher der Grund für Antisemitismus? Ging er eher von der Bevölkerung aus, während er im Dritten Reich bewusst vom Regime angeheizt wurde?
Sehr mutig fand ich auch ihre Aussage, dass der jüdische Staat mit seiner religionsbedingten Abgrenzung faschistische Tendenzen zeige. (S. 23)
Werner Bergmann beschreibt in seinem Buch "Die Geschichte des Antisemitismus" sehr anschaulich und übersichtlich wie sich der Antisemitismus von der Antike bis heute entwickelt hat.
Hannah Arendt hat sehr oft Aussagen getroffen, die auf starken Widerstand gestossen sind. Dem Staat Israel faschistoide Tendenzen zu unterstellen, gehört in heutiger Zeit ja fast schon zum guten Ton - und auch damals wurden solche Äußerungen von den antiisraelischen Kräften mit großer Begeisterung aufgenommen.
Wobei man aber nicht vergessen sollte, wenn man Israel faschistoide Tendenzen unterstellt - dann müsste man das wohl auch den USA, Frankreich, Russland, England usw. unterstellen. Ggf. sogar der Bundesrepublik Deutschland.
Ich meine, man spricht besser von faschistischen Bewegungen. Die gibt es vermutlich in jedem Land, je nachdem wie man faschistisch gerade definieren will.
ZitatOriginal von Voltaire
Werner Bergmann beschreibt in seinem Buch "Die Geschichte des Antisemitismus" sehr anschaulich und übersichtlich wie sich der Antisemitismus von der Antike bis heute entwickelt hat.
Ich fürchte, am Ende dieser Leserunde habe ich soviele interessante Literaturtipps, dass es mir bis ans Ende meiner Tage reicht.
Doch weiter:
Unfassbar ist auch das Polizeiverhör, das Arendt erwähnt, in dem Eichmann einem deutschen Juden vorjammert, dass er in seiner Laufbahn bei der SS nicht vorwärtsgekommen ist.
Hier musste ich unterbrechen. Ist es tatsächlich möglich, dass ein Mensch sich über Jahre hinweg niemals Gedanken darüber macht, was er anstellt? Dass er immer noch kein Unrechtsbewusstsein hatte.
Ich war der Meinung, dass spätestens nach Kriegsende Zweifel am eigenen Tun aufkamen, dass ab dann nur noch Ausreden, versuchte Rechtfertigung, Schweigen und Lügen zur Verteidigung herhalten mussten.
ZitatIch fürchte, am Ende dieser Leserunde habe ich soviele interessante Literaturtipps, dass es mir bis ans Ende meiner Tage reicht. Augenzwinkern
Das geht nicht nur dir so, made.