Hier kann zu den Seiten 202 - 249 geschrieben werden.
'Eichmann in Jerusalem' - Seiten 202 - 249
-
-
Er beruft sich also auf Kant. Diese grauenhafte Realitätsverleugnung ist zum Kotzen.
Hat es in Israel bzw. der jüdischen Nachkriegsgeschichte eine Aufarbeitung der Beteiligung der jüdischen Führung an der Vernichtungsmaschinerie gegeben oder wurde sich nur über Menschen wie Hannah Arendt empört, die den Finger in die Wunde gelegt haben?
-
Zitat
Original von Saiya
Er beruft sich also auf Kant. Diese grauenhafte Realitätsverleugnung ist zum Kotzen.Hat es in Israel bzw. der jüdischen Nachkriegsgeschichte eine Aufarbeitung der Beteiligung der jüdischen Führung an der Vernichtungsmaschinerie gegeben oder wurde sich nur über Menschen wie Hannah Arendt empört, die den Finger in die Wunde gelegt haben?
Eine "jüdische Führung" im Sinne von "Führerschaft" hatte es seinerzeit nicht gegeben. Um es einmal etwas salopp auszudrücken, es gab "viele jüdische Führungen" - denn das Judentum als Gesamtheit hat es eigentlich nie gegeben. So waren die Ostjuden völlig anders als die Juden beispielsweise in den USA. Gemeinsam war ihnen eigentlich nur die religiös-historische Grundlage.
Insofern hat es eine umfassende Aufarbeitung nicht gegeben - aber wo hat es die schon gegeben? Deutschland hat seine Nazi-Vergangenheit nie aufgearbeitet; alles was dazu passierte war nicht einmal halbherzig, es war einfach nur "für'n Arsch".
Um das vielleicht etwas besser zu verstehen, gerade auch im Hinblick auf die Entwicklung des Rechts in Israel empfehle ich folgende Sekundärliteratur:
Ariel Bin-Nun - Einführung in das Recht des Staates Israel
Albrecht Gundermann - Die Rolle des Obersten Gerichtshofs bei der Entwicklung der israelischen Verfassung.Ich hoffe, ich konnte die Frage einigemaßen beantworten - gebe aber zu bedenken, dass die Antwort natürlich auch meinungsgeprägt ist.
-
Vielen Dank, Voltaire! Das hilft, ja!
Jüdische Führung war von mir auch nicht richtig formuliert. Im Buch erwähnt Hannah Arendt die sog. "Judenräte" und ihre Verwicklung bei der Deportation und der Vernichtung. Ich habe mich beim Lesen einfach gefragt, ob nach der Empörung über Hannah Arendt und ihre ja auch klar dargelegten und nachweisbaren Vorwürfe, jemals eine echte Auseinandersetzung damit stattgefunden hat. Diese Beteilung war ja ein wichtiger Bestandteil der Endlösung seitens der deutschen Führung und der eben auch quasi psychischen Kapitulation der Opfer.
Bitte nicht falsch verstehen. Mir geht es nicht darum, den Opfern die Schuld zu geben oder die Täter dadurch zu entlasten. Ich versuche nur, die Dinge aus Hannah Arendts Sicht zu betrachten. Abgesehen davon berichtet sie sehr klar und deutlich über die Gräueltaten der Deutschen und die perfide Maschinerie, so dass ich persönlich nicht feststellen kann, dass sie hier versucht ihr Volk zu Tätern abzustempeln. Sie reflektiert einfach in alle Richtungen und versucht nachzuweisen, wie dieser ganze "Apparat" funktionieren konnte. Dies kann nicht allen gefallen haben. Denn, dass Hannah Arendt dafür an den Pranger gestellt wurde, war wahrscheinlich sogar vorhersehbar und ich kann das bis zu einem gewissen Grad auch nachvollziehen. Schließlich sollte hier ja Eichmann der Prozess gemacht werden und es darf nicht sein, dass in diesem Prozess jemand über eine Beteiligung des jüdischen Volkes an der eigenen Vernichtung berichtet. Aber sie hat das ja nicht erfunden. Ist sie wenigstens irgendwann einmal von Seiten ihrer damaligen Kritiker "rehabilitiert" worden?
Auf den Unterschied zwischen den einzelnen jüdischen Bewohnern der unterschiedlichen Teile Europas, geht sie in einem späteren Abschnitt noch ein. Das fand ich ebenfalls sehr aufschlussreich. Interessant fand ich hier auch, dass sobald sich die Regierungen gegen die Endlösung gestellt haben, eben auch die Judenräte nicht benutzt werden konnten.
-
Zitat
Original von Saiya
Er beruft sich also auf Kant. Diese grauenhafte Realitätsverleugnung ist zum Kotzen.
Wie er sich Kant zurechtbiegt, ist unglaublich. Dabei klingt sein Satz über Hitler (VII. Kap., S. 220) ganz nach dem Recht des Stärkeren. Er konnte so etwas vereinbaren.Eichmann beruhigt sein Gewissen damit, dass keiner etwas gegen die Verbrechen hatte, dass nicht nur Partei und SS, sondern auch die Elite des Staatsbeamtentums mitmachten. So kann er seine Hände in Unschuld waschen.
Kein Wunder, dass Hannah Arendt Zweifel hatte, ob er überhaupt ein Gewissen hatte.Ich habe mal meinen Gedanken freien Lauf gelassen zur Frage, warum sich die Juden nicht wehrten, warum die Zusammenarbeit mit den Judenräten so gut funktionierte.
Vielleicht weil sie nicht glauben konnten, was auch heute noch unglaublich klingt? Weil sie, wie viele andere auch, vieles für übertrieben hielten? Weil sie davon ausgingen, dass der Krieg bald zu Ende ist und sie dann gerettet wären? Weil sie ihre Überlebenschancen höher einschätzten, wenn sie alles mitmachten? Weil sie durch jahrelangen Existenzkampf keine Kraft mehr hatten? Weil auch in ihnen dieses in Deutschland weitverbreitete Obrigkeitsdenken steckte?Hannah Arendt erwähnt Zahlen, dass 50% der ungetauchten Juden in den Niederlanden überlebt hätten.
Diese Zahlen standen ja damals nicht zur Verfügung.