'Eichmann in Jerusalem' - Seiten 372 - Ende

  • Ich bin auch schon länger durch und warte wie du ab, um der allgemeinen Diskussion nicht voranzupreschen. Wir waren uns ja einig, dass wir uns für diese LR ausreichend Zeit nehmen wollten.

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Ich lese dieses Buch nur Stück um Stück und mache zwischendurch aus Lesepausen. Als ich es vor vielen Jahren schon mal gelesen habe, da hatte ich mir einfach zu wenig Zeit genommen. Und Zeit dürfte bei einem Buch mit dieser Thematik ein ganz wichtiger Faktor zu sein.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich bin mir gerade nicht sicher, ob das jetzt hier reingehört.
    Aber ich schreibe es trotzdem dann mal hier rein.


    Hannah Arendt bezieht sich ja des öfteren auf Raul Hilberg, dessen Hauptwerk "Die Vernichtung der europäischen Juden" eigentlich als Standardwerk bezüglich des Holocaust angesehen wird. Hilberg räumt in seinem Buch allerdings dem Widerstand der Juden gegen ihre Vernichtung nur wenig Platz ein, weil er die Ansicht vertrat, die Juden hätten nur sehr wenig Widerstand geleistet. Dem hat allerdings Arno Lustiger vehement widersprochen und zwar in seinem Buch "Zum Kampf auf Leben und Tod!".

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Es fällt leicht, jetzt aus der Distanz Eichmann als schlimmen Verbrecher zu bezeichnen – was er ja wohl auch ohne Frage ist. Denn aus der Distanz und mit großem zeitlichen Abstand zu urteilen und zu verurteilen ist ja eigentlich nie so richtig schwer.


    Nur habe ich mir jetzt die Frage gestellt:
    Und wie hättest du dich verhalten? Hättest du auch mitgemacht? Wärest du ein guter SS-Mann geworden?


    Diese Frage einfach verneinen und ein „Mitmachen“ weit von sich zu weisen, dürfte wohl ein wenig zu einfach sein.


    Wenn man täglich dem Eintrichtern und den Einflüsterungen einer Ideologie ausgesetzt ist, wenn es da keine Gegenstimme und keinen Gegenpart gibt, dann kann man schon anfällig werden für eventuelle Karriereaussichten und den damit verbundenen Annehmlichkeiten eines „besseren“ Lebens.
    Ich bin auch der Überzeugung, dass man gerade zu Beginn einer solchen politischen Herrschaft, nicht unbedingt den verbrecherischen Charakter dieser Machthaber erkennen kann. Denn gerade auch zu Beginn der Nazidiktatur sagte doch viele Menschen: „Wo gehobelt wird – da fallen auch Späne.“


    Natürlich musste Eichmann irgendwann das Verbrecherische seines Tuns erkennen. Spätestens da hätte er umkehren müssen, insofern wird und kann ihn niemand von dieser riesigen Schuld freisprechen die er auf sich geladen hat.


    Mit der Arroganz des Spätgeborenen ist es aber leicht zu verurteilen – aber man sollte bei seinem Urteil aber auch immer die herrschenden Umstände mit ins Kalkül ziehen.


    Und – hätte ich mir vorstellen können, in der SS Karriere zu machen? Mit dem was ich heute weiß, kann ich mir das nicht vorstellen – mit dem aber, was die Menschen seinerzeit wussten, hätte mich eine solche Karriere durchaus gereizt, man ist nicht umsonst überzeugter Militarist und kommt aus einer Offiziersfamilie.
    Hätte ich aber auch Teil dieser Nazi-Vernichtungsmaschine werden können? Möglich wäre es, aber ich denke, dass mich meine tiefen christlichen Überzeugungen davor bewahrt hätte – so hoffe ich wenigstens.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire


    1. Mit der Arroganz des Spätgeborenen ist es aber leicht zu verurteilen – aber man sollte bei seinem Urteil aber auch immer die herrschenden Umstände mit ins Kalkül ziehen.


    2. (...) man ist nicht umsonst überzeugter Militarist (...)


    Bin gerade auf dem Sprung zu einer Fahrt in die Eifel, wo ich morgen auf einer Burg eine Lesung habe, deswegen nur in aller Kürze:


    zu 1: Dem stimme ich absolut zu.


    zu 2: Was muss ich mir denn unter einem "überzeugten Militaristen" vorstellen?


  • zu 2:
    Ganz einfach. Ich war immer überzeugter Soldat und Offizier.
    Pazifismus lehne ich als völlig unrealistisch ab.
    Ohne Militär könnte diese Welt nicht existieren.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


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  • Zitat

    Original von Voltaire
    Pazifismus lehne ich als völlig unrealistisch ab.


    Und das macht dich zum überzeugten Militaristen? Welch tieftraurige Konsequenz. Ehrlichkeit unter den Menschen ist auch unrealistisch, aber deshalb lehne ich sie nicht ab und werde zum überzeugten Lügner. :-(

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    Andreas Altmann

  • Ist doch immer wieder interessant zu sehen, wie manche es schaffen, Dinge so völlig aus dem Zusammenhang zu reißen.


    Bei Wikipedia kann man dazu lesen:
    "Als Militarismus wird die Dominanz militärischer Wertvorstellungen und Interessen in der Politik und im gesellschaftlichen Leben bezeichnet, wie sie etwa durch die einseitige Betonung des Rechts des Stärkeren und die Vorstellung, Kriege seien notwendig oder unvermeidbar, zum Ausdruck kommen oder durch ein strikt hierarchisches, auf Befehl und Gehorsam beruhendes Denken vermittelt werden."


    Zudem erlaube ich mir, mich einmal selbst zu zitieren:

    Zitat

    Ganz einfach. Ich war immer überzeugter Soldat und Offizier. Pazifismus lehne ich als völlig unrealistisch ab. Ohne Militär könnte diese Welt nicht existieren.


    Unabhängig davon ist es zudem auch völlig egal was ich nun bin oder nicht bin. Ich darf in diesem Zusammenhang auf meinen Beitrag vom gestrigen Tage verweisen. Da ist der Hinweis auf "Militarist" nur eine Facette, eine Marginalie und spielt im Kontext der von mir gestellten Frage kaum eine Rolle. Das Problem/Frage war für mich primär (muss mich ein weiteres Mal selbst zitieren):


    Zitat

    Nur habe ich mir jetzt die Frage gestellt: Und wie hättest du dich verhalten? Hättest du auch mitgemacht? Wärest du ein guter SS-Mann geworden?


    Aber man liest eben immer nur das was man lesen möchte - was interessiert da schon der Gesamtzusammenhang.

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  • Zitat

    Original von Voltaire
    Ist doch immer wieder interessant zu sehen, wie manche es schaffen, Dinge so völlig aus dem Zusammenhang zu reißen.


    Aha. Dann würdest du Pazisfismus in einem anderen Zusammenhang nicht als unrealistisch und dich selbst nicht als Militaristen bezeichnen? Diese Aussage steht für sich, über sie bin ich gestolpert und allein zu ihr habe ich mich geäußert.


    Auf deine durchaus interessante und wichtige Frage


    Zitat

    Und wie hättest du dich verhalten? Hättest du auch mitgemacht? Wärest du ein guter SS-Mann geworden?


    werde ich später, wenn es meine (Arbeits-)Zeit erlaubt, gern eingehen. :wave

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    Andreas Altmann

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Und wie hättest du dich verhalten? Hättest du auch mitgemacht? Wärest du ein guter SS-Mann geworden?


    Um dies zu beantworten müsste man wohl zwei unterschiedliche Szenarien unterstellen:
    1. Die heutige Person wird mit seinem Wissen in die Vergangenheit versetzt.
    Vermutung: Niemand von uns würde da mitmachen (wollen). Aber wie weit könnte man im Widerstand mitarbeiten? Da wäre wohl auch eine Menge Zufall und Glück erforderlich. Man müsste die richtigen Leute treffen, um gemeinsam aktiv zu sein. Man dürfte die falschen Leute nicht treffen, um nicht denunziert oder gleich erschossen zu werden.


    2. Man ist wirklich eine Person der damaligen Zeit.
    Vermutung: Wir wären dabei. Ob nun gleich bei der SS oder nur als Mitläufer oder begeisterter Unterstützer ist dann auch wieder von vielen weiteren Faktoren abhängig. Aber die Nazis haben ja ihre Mittäter nicht durch Zufall erhalten. Die waren extrem demagogisch tätig. Alle anderen waren begeistert usw. Wie soll man sich da entziehen können? Jedes kleine Anzeichen von Linienuntreue wurde sofort geahndet. Aber will man überhaupt untreu sein, wenn alle Kumpels leuchtende Augen haben?



    Ich könnte mir vorstellen, dass hierzu die aktuelle Biografie von Hardy Krüger ganz interessant sein könnte. Hat die jemand von euch vielleicht schon gelesen?


    Auszug aus dem Klappentext:
    "1928 in Berlin geboren, wächst Hardy Krüger unter dem NS-Regime auf und spielt bereits mit 15 Jahren seine erste Filmrolle. Ufa-Star Hans Söhnker konfrontiert ihn in dieser Zeit mit der Wahrheit über die Verbrechen der Nazis - und so wird aus dem Adolf-Hitler-Schüler Hardy Krüger der Kurier einer Gruppe von Widerständlern. Kurz vor Kriegsende muss Krüger an die Front, wird wegen Befehlsverweigerung zum Tode verurteilt und überlebt nur knapp."

  • Ich bin ehrlich gesagt froh, nicht zu dieser Zeit gelebt zu haben. Je nachdem, in welches Elternhaus man hineingeboren wurde, hätte man wenig Chancen gehabt, nicht wenigstens Mitläufer zu werden.
    Ein Kind und auch ein Jugendlicher ist nun einmal abhängig von dem, was er in Familie, Freundeskreis und Schule vorgelebt bekommt. Da hatten wohl nur wenige die Chance, sich zu einem kritischen Menschen zu entwickeln, der Dinge hinterfragt und nicht nur das denkt, was ihm vorgeredet wird.


    Umso höher schätze ich alle, die nach dem Krieg die Größe hatten, zu erkennen, dass sie sich mitschuldig gemacht haben. Die bereit waren, ihre Werte zu überprüfen und sich einzugestehen, wie hohl die waren.


    Nachvollziehbar ist für mich Arendts Unterscheidung zwischen Schuld und kollektiver Komplizenschaft. Sie bestreitet, dass es kollektive Schuld gibt.
    Schuld ist für sie eine moralische und juristische Kategorie, die nur auf Individuen auf Individuen angewandt werden kann.
    Sehr wohl gibt es aber eine kollektive Verantwortung für politisches Handeln, die sich auch
    auf Handeln früherer Regierungen bezieht. Und diese Verantwortung tragen nicht nur die handelnden Politiker, sondern alle Mitglieder des Gemeinwesens, die die Regierenden unterstützen.

  • Wollten wir nicht am Ende über die Frage diskutieren, wie es denn überhaupt soweit kommen konnte? Ich hatte drei Sätzchen dazu ja schon weiter vorne geschrieben (klick). Was sind denn eure Erklärungsansätze zu dieser großen und wahrscheinlich kaum abschließend erklärbaren Frage?

  • Wie konnte es zum Holocaust kommen oder wie konnte es überhaupt zur Errichtung des Dritten Reiches kommen? Habe ich die Fragestellung so richtig verstanden?


    Ausgangspunkt dafür dürfte der verlorene Erste Weltkrieg gewesen sein. Die auf das Kaiserreich folgende Weimarer Republik war instabil und musste insofern scheitern. Die Menschen kannten nur ein autoritäres Kaiserreich und sollten nun plötzlich "auf Demokratie machen". Das konnte doch nur schiefgehen. Und es soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass die Rechte aus der Weimarer Reichsverfassung nicht einklagbar waren. Diese Verfassung war eher ein Programm als oberstes Recht.


    Zudem lag die Wirtschaft am Boden, riesige Reparationsforderungen drehten der Wirtschaft dann komplett die Luft ab. Inflation und hohe Arbeitslosigkeit waren die Folgen.


    Und da suchten die Menschen eben Schuldige und wählten - nicht anders als heute - extrem links oder extrem rechts.


    Und da es in Deutschland immer schon einen latenten Antisemitismus gab, war es für die Rattenfänger von Rechtsaußen relativ einfach, die Juden als Schuldige auszumachen. Und diese Politik hat die NSDAP konsequent verfolgt.


    Und nach der Machtübernahme Hitlers wurde eben diese Politik extrem weitergeführt. Wer gegen die Nazis war, der war ein Verräter am Volk und wurde auch so behandelt. Und es spielte den Nazis unglaublich gut in die Karten, dass der deutsche Gesandte in Paris von dem Juden Grünspan ermordet wurde. So konnte Goebbels und Konsorten einen "gesteuerten" Volkszorn initiieren. Die "Reichskristallnacht". Zudem taten die Rassengesetze ein Übrigens.


    Es war wohl dann auch so, dass sich die rassistische Nazi-Ideologie verselbständig hatte. Die radikalen Führer wie Himmler, Kaltenbrunner u.a. machten sich auf, ein rassensauberes Germanien zu schaffen (Wagner lässt grüßen). Und alles das, was nicht reinrassig war wie die Juden, die Sinti und Roma, die Homosexuellen, die Menschen mit einer geistigen Behinderung, Menschen mit einer anderen Hautfarbe - diese Menschen mussten eleminiert werden.


    Der Prozeß, der letztendlich zum Holocaust geführt hat, war schleichend - er baute sich aber mitnichten im Verborgenen auf. Wer Augen hatte und sehen wollte - der sah - auch wenn es sicher bequemer war, die Augen einfach zuzumachen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


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    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Wie konnte es zum Holocaust kommen oder wie konnte es überhaupt zur Errichtung des Dritten Reiches kommen? Habe ich die Fragestellung so richtig verstanden?


    Ja, hast Du. Diese Frage wurde in den ersten Abschnitten der Leserunde ja bereits aufgeworfen, jedoch zunächst die Lektüre dieses Buches angeraten. Deine Worte bringen eine Menge des geschichtlichen Kontextes, mich persönlich würde darüber hinaus noch interessieren, wie die Menschen da - teilweise kritiklos, teilweise sogar begeistert - mitmachen konnten. Deine Worte "da es in Deutschland immer schon einen latenten Antisemitismus gab" geben einen Anhaltspunkt. Etwas allgemeiner würde ich noch sagen, dass der Mensch ein soziales und hierarisches Wesen ist. Wikipedia schreibt zum "homo sociologicus":

    Zitat

    Der homo sociologicus bezeichnet einen Menschen, dem in seinem alltäglichen Leben verschiedene soziale Rollen zukommen, mit welchen wiederum verschiedene Normen, Werte und damit gesellschaftliche Erwartungen verbunden sind, denen er sich beugen muss. Diese Rollen können in einem Inter- oder Intra-Rollenkonflikt stehen, wobei sich der homo sociologicus immer der Rolle fügen wird, bei der der Druck durch Normen, Werte und Erwartungen am stärksten ist. Dabei wird zwischen Muss-, Soll- und Kann-Erwartungen unterschieden. Da die Erwartungen von der Gesellschaft ausgehen und der Einzelne keinen Einfluss auf sie hat, kann er sich ihnen nicht entziehen. Dies kann sogar so weit gehen, dass das Individuum Normen internalisiert, und sich dadurch bei Nichteinhaltung selbst negativ beziehungsweise bei Einhaltung positiv sanktioniert (Beispiele hierfür sind das Empfinden von Scham und Stolz). Erwartungen, Normen und Werte gehen allerdings selten von der Gesamtgesellschaft, in der der homo sociologicus lebt, aus, sondern meist von kleineren Gruppen, die für die jeweilige Rolle von Relevanz sind. Jeder Mensch ist dadurch einer individuellen Mischung von Normen und Erwartungen unterworfen, die sein Handeln bestimmen. Die Theorie des homo sociologicus hat sich daher oft den Vorwurf gefallen lassen müssen, dem Menschen den freien Willen abzusprechen.


    Wir als Menschen suchen uns immer unsere gleichgerichteten Gruppen, denen wir uns anschließen können und in denen wir uns geborgen fühlen. Abgrenzung von anderen, die dann zu unseren Feinden erklärt werden, gegen die jede Maßnahme gerechtfertigt ist. "Normen internalisieren" steht in dem Zitat. Himmler hat mit seiner SS noch einmal einen inneren Kreis geschaffen. Die Wewelsburg spielte dabei als Ort eine große Rolle, dazu auch noch dieser Normannenkult der Nazis, der der ganzen widerlichen Ideologie auch noch eine geschichtliche Legitimation gab. Dazu wurde die angewendete Gewalt auch immer alltäglicher, so dass sie ihre abschreckende Wirkung verlor. Der Mensch ist da scheinbar sehr anpassungsfähig.

  • Nicht zu vergessen die großartigen Versprechungen, die gemacht wurden und die Gewalt, die insbesondere von der SA skrupellos eingesetzt wurde, um politische Gegner einzuschüchtern oder schlimmeres.


    Dazu kamen auch noch die Legenden, die sich um den "Schandfrieden" von Versailles entwickelt haben und von interessierter Seite gepflegt wurden. Die Mär von der im Felde ungeschlagenen deutschen Armee wurde ja von nicht wenigen Menschen geglaubt.

  • Eine Empfehlung im Rahmen der Sekundärliteratur. Sehr lesenswert.


    Hans Jonas - Der Gottesbegriff nach Auschwitz

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire


    Wenn man täglich dem Eintrichtern und den Einflüsterungen einer Ideologie ausgesetzt ist, wenn es da keine Gegenstimme und keinen Gegenpart gibt, dann kann man schon anfällig werden für eventuelle Karriereaussichten und den damit verbundenen Annehmlichkeiten eines „besseren“ Lebens.


    Ja, diese Gegenstimme ist ganz wichtig, die einen vielleicht auch mal zwingt, differenzierte Blickwinkel einzunehmen und nicht nur einfache Lösungsvorschläge zu übernehmen, gerade auch in schwierigen Zeiten, in denen man so sehr mit der Bewältigung des Alltags beschäftigt ist, dass man für solche anstrengenden Betrachtungen keine Lust hat.


    Zitat

    Original von Voltaire


    Ich bin auch der Überzeugung, dass man gerade zu Beginn einer solchen politischen Herrschaft, nicht unbedingt den verbrecherischen Charakter dieser Machthaber erkennen kann. Denn gerade auch zu Beginn der Nazidiktatur sagte doch viele Menschen: „Wo gehobelt wird – da fallen auch Späne.“


    Und je weiter so ein System etabliert ist, desto schwieriger ist es, etwas dagegen zu unternehmen. Deshalb ist es so wichtig: Wehret den Anfängen!


    Zitat

    Original von Voltaire
    Mit der Arroganz des Spätgeborenen ist es aber leicht zu verurteilen – aber man sollte bei seinem Urteil aber auch immer die herrschenden Umstände mit ins Kalkül ziehen.


    Es ist sehr schwierig, sich in die damalige Zeit zu versetzen. Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, in dem Demokratie das Selbstverständlichste von der Welt war. In jungen Jahren wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass jemand freiwillig auf sie verzichten würde. Irgendwann ist mir aufgegangen, dass das nicht immer so war und es auch heute nicht ist.
    Und es ist auch wichtig, Demokratie nicht als etwas Selbstverständliches zu sehen. Sonst geht man wieder in die gleiche Falle. Sie muss ständig verteidigt werden.