Eine steile Karriere - Teil 2

  • Teil 2 – In dem ein Narr abgestempelt und ein König zum Narren gehalten wird. Außerdem spielt ein Gewitter eine nicht unbedeutende Rolle.



    „Bonk!“, erklang es geräuschvoll in dem Raum rechts neben dem Thronsaal. Ein schmerzerfülltes „Aah!“ folgte unmittelbar darauf. „Seid Ihr nicht mehr ganz gescheit, Rufus?“, rieb sich der Narr die Hand, die gerade eben von dem schweren Bierdeckel-Stempel malträtiert worden war.
    „Ich tue hier nur meine Arbeit. Und Ihr solltet das auch tun, Narr.“, erwiderte Rufus ohne weiter auf den Narren zu achten.
    „Bonk!“
    „Ihr könntet sie aber ruhig unterbrechen, wenn ich Euch gerade ein Schriftstück auf den Tisch lege!“, entrüstete sich der Narr und starrte finster den kleinen Mann in seinen Schnabelschuhen an, die heute grün waren.
    „Bonk!“
    „Ihr habt vielleicht Zeit Euch dem Müßiggang hinzugeben, ich nicht. Ist Eure Statistik für den König schon fertig?“, wollte Rufus wissen und blickte nun doch dem Narren mitten ins Gesicht. Seine Augen funkelten angriffslustig, so als ob er nur auf eine Entgegnung des Narren wartete. Der aber wandte sich mit einem Blick auf seine violett gestempelte Hand von ihm ab und verschwand fluchend und murrend wieder hinter seinem Tisch, wo er von hohen Stapeln von Büchern und losen Papieren vollständig verdeckt wurde.
    „Bonk!“
    Der Narr war sauer. Er hatte sich unter einer verantwortungsvolleren Aufgabe andere Dinge vorgestellt. Auf dem Turm nach Feinden Ausschau halten, Leibwache der Königin, Berater des Königs in militärischen Angelegenheiten. Ja, das wären Aufgaben, die seiner würdig wären. Vor sich hin grummelnd suchte er wieder ein paar Zahlen zusammen und malte mit schneller Feder ein paar weitere Punkte und Linien auf ein Pergament. Die meisten Linien gingen dabei stetig nach unten. Das würde dem König gar nicht gefallen. Wenn er den König dazu bringen wollte ihm eine bessere Aufgabe anzuvertrauen, dann sollte er ihm keine so schlechten Zahlen präsentieren. Er drehte die große Pergamentrolle herum, so daß die vielen verschieden farbigen Linien alle auf dem Kopf standen. Der Narr war zufrieden und tauchte eine breite Feder in das schwarze Tintenfaß auf dem Tisch und fing an seine Statistik zu beschriften.
    „Bonk!“


    Der König lachte gerade schallend, als der Narr mit einem Holzgestell unter dem einen Arm und seinem riesigen Pergament unter dem anderen den Thronsaal betrat. Bei jedem seiner Schritte bimmelten peinlicherweise die Glöckchen seiner Narrenkappe. Doch nicht wegen ihm lachte der König, und darüber war der Narr sehr froh.
    Vor dem Thron war eine bunte Schar Männer versammelt, die alle in mehr oder weniger lächerlichen Gewändern gekleidet waren. Ein Abklatsch der königlichen Hofnarrenuniform, die er selbst noch am Leibe trug. Der König nickte immer noch lachend seinem ehemaligen Narren zu und bedeutete ihm mit einer Handbewegung sein Gestell inzwischen aufzubauen. Derweil versuchte einer der grotesk bunt gekleideten Männer mit zwei Eiern und zwei Hühnern gleichzeitig zu jonglieren. Der Narr versuchte die Darbietung keines Blickes zu würdigen, doch ihm entging nicht, daß der Jongleur wenigstens so viel Intelligenz besaß, die Hühner vorher gut verschnürt zu haben. Während der Kerl also abwechselnd Eier und Hühner in die Luft warf und der König jedes Mal lauthals lachte, als entweder ein Ei platschend zu Boden fiel oder ein Huhn auf dem höchsten Punkt seiner Flugbahn ein klägliches „Boaahg“ krächzte, baute der Narr sein Holzgestell auf und befestigte seine Pergamentrolle an dessen oberer Halterung.


    „In Ordnung, Ihr seid eingestellt.“, klatschte der König in die Hände, stand auf und ging mit ausgestreckter rechter Hand auf den Mann zu, der inmitten ein paar zerschlagener Eier seine Hühner aufsammelte. Während er dem Mann gratulierte und die Hand schüttelte, klopfte er ihm auf die Schulter und grinste von einem Ohr zum anderen. „Könntet Ihr das auch mit anderen Tieren, zum Beispiel Katzen?“, fragte ihn der König. Der Mann blickte ihn erschrocken an. „War nur Spaß.“, beschwichtigte ihn der König und lachte dabei laut auf. Die umstehende bunte Schar verabschiedete er mit ein paar Worten des Bedauerns und wünschte allen viel Erfolg bei der weiteren Arbeitssuche. Der Thronsaal leerte sich langsam, als der König seinen ehemaligen Narren heranwinkte, „Seid bitte so freundlich und überlasst Eurem Nachfolger alsbald Eure frühere Dienstkleidung, ja?“. Der Narr nickte eifrig, wobei wieder die albernen Glöckchen seiner Kappe zu klingeln anfingen. Er schloß peinlich berührt die Augen und sehnte das Ende dieser Unterredung herbei.
    „Aber natürlich mein König.“, antwortete er geschwind und gratulierte dem zukünftigen Hofnarren zu seiner neuen Stellung. „Können wir uns nun Euren Amtsgeschäften zuwenden, Eure Majestät?“, fragte er mit einem Tonfall und einem Seitenblick auf den neuen Narren, der einem aufmerksamen Betrachter nichts Gutes verheißen würde. Doch der König schien arglos zu sein, nickte und schickte seinen neuen Bediensteten in die Schloßküche, um sich erst einmal ein paar neue Eier zu holen.


    Nachdem der König wieder auf seinem Thron Platz genommen hatte, entrollte der ehemalige Narr sein vorbereitetes Pergament und befestigte auch das untere Ende, welches sich gleich wieder nach oben rollen wollte, mit einer Kordel am Gestell. „Wie Ihr hier erkennen könnt, Eure Majestät, sieht die Entwicklung der Hungerlöhne im Vergleich zu den Frondienstkosten geradezu hervorragend aus. Ich habe mir erlaubt gleich noch eine Analyse der Rentabilität von Kinderarbeit und Ein-Dukaten-Jobs mit einzubeziehen, was die Kernaussage dieser Erhebung nicht nur stützt, sondern fest untermauert.“ Der Narr schwieg und beobachtete die Reaktion des Königs.
    Der hob die Augenbrauen, überlegte kurz und schien hocherfreut. „Nun, mein lieber ehemaliger Narr, daß heisst…?“, gab der König mit einem teil fragenden, teils feststellenden Unterton von sich.
    „…daß Ihr mit einer leichten Steueranhebung für die Bürger und Bauern und Gewährung von Steuervorteilen für ortsansässige Lehnsherren überaus rentabel regieren könnt, Eure Majestät. Natürlich sollten wir das Mindestalter für den Einsatz von Kindern in den Schwefelminen auf acht Jahre verringern, um etwaige unerwartete Folgekosten noch ausreichend abdecken zu können.“, erklärte der Narr und deutete dabei auf zwei farbige Linien, die steil nach oben zeigten.
    Der König schien zu überlegen. Der Narr hielt den Zeitpunkt für gekommen, räusperte sich und setzte noch einmal zu sprechen an. „Mein König, ich hätte da noch ein persönliches Anliegen.“ Er schaute erwartungsvoll zum Thron hinauf und fuhr fort, als der König mit einem Blick signalisierte, daß er weiterreden solle. „Ich habe Eure neue Aufgabe mit großer Dankbarkeit erfüllt, doch wie Euch hoffentlich nicht entgangen ist, scheine ich für höhere Aufgaben berufen.“ Er deutete dabei auf sein sehr wichtig aussehendes Pergament.
    Der König runzelte die Stirn. „Ihr seid also noch nicht so ganz zufrieden und strebt nach mehr Verantwortung, junger Narr?“, fragte ihn der König mit ruhiger Stimme. Der Narr fing eifrig an zu nicken, bis er wieder dem peinlichen Bimmeln der kleinen Glöckchen gewahr wurde. Sofort hielt er seinen Kopf still.
    „Nun, dann lasst mich überlegen, wie wir…“, ein Donnergrollen unterbrach die Rede des Königs. Ein heftiger Windstoß blies alle Fackeln und Ölschalen im Thronsaal aus und in der Dunkelheit konnte niemand das Lächeln des ehemaligen Narrens sehen.


    Ende von Teil 2 :-)



    © Doc

  • Cool, liest sich gut. Im ersten Teil bin ich gestolpert, als erzählt wird, der Narr hätte noch niemals gesehen, wie die Tür geöffnet wurde, obwohl zuvor der Eindruck entsteht, er hätte den Job gerade erst angetreten. Ansonsten wenige (und auch nur sehr kleine) Schnitzer, sehr flüssig. Wie geht es weiter? Und, vor allem: Wann? :-)