Eine steile Karriere
Teil 1 – In dem ein Narr vom König ernstgenommen wird, sich neue Ziele setzt, eine Stelle frei wird und dunkle Wolken heraufziehen.
Es war einmal in einem kleinen friedlichen Königreich um die Ecke, da saß ein junger Hofnarr auf den Stufen vor des Königs Thron und dachte angestrengt nach, wie er seinen Herrn wohl erfreuen könnte. Er dachte nicht deswegen so angestrengt nach, weil ihm besonders viel am Wohl des Königs lag, sondern weil es seine erste Anstellung überhaupt war und er diese Sache nicht gleich in der ersten Woche in den Sand setzen wollte.
Als er so da saß und grübelte, bemerkte er gar nicht die sorgenvolle Blicke seines Königs. Der seufzte kurz und sagte dann zu seinem Hofnarren: „Narr, warum bist Du so still und lässt Deinen Blick in weite Ferne schweifen?“
Der Hofnarr schrak auf und wandte sich schnell zu seinem Herrn, „Oh mein König, wie unverzeihlich ungeschickt von mir. Es ist doch meine Aufgabe Euer Trübsal zu vertreiben und nicht die Eure Euch um das meinige zu kümmern.“
„Aber auch Du Narr gehörst zu meinen Untertanen für die ich zu sorgen habe. Wohl an, sprich. Was drückt Dich auf der Seele, daß Du so eine nachdenkliche Miene aufsetzen musst?“, sprach der König.
„Oh mein König, ich fühle mich fehl am Platz. Nur unzureichend kann ich Euch erfreuen. Meine Ambitionen gehen weit über das Dasein eines Hofnarrs hinaus. Ich weiß, daß ich viel mehr kann, als nur Späße treiben und Faxen für Euch zu machen.“, entgegnete der Narr ihm eifrig, setzte sich direkt zu Füßen seines Königs und verschränkte dabei die Beine ineinander.
Des Königs Augen richteten sich an die hohe Decke des Thronsaals. Seine Stirn legte sich in Falten, als er nachdachte, wie er dem Hofnarren helfen konnte. „Erhebe Dich Narr und folge mir, ich kann Dir helfen.“, mit diesen Worten erhob sich der König mit viel Elan von seinem Thron, nahm ein paar Stufen hinab auf einmal und hielt auf eine kleine metallbeschlagene Holztür zu, die sich an der rechten Seite des Saales befand. Der Narr beeilte sich aufzustehen und dem König zu folgen. Bisher war diese Tür in seinem Beisein nicht geöffnet worden. Mit aufgeregter Neugier wartete er gespannt, was er nun zu sehen bekam.
Der König griff unter seinen rotgoldenen Umhang, dessen Ärmel und Kragen von feinstem Waschbärfell eingesäumt waren. Er holte einen großen bronzefarbenen Schlüsselring hervor, an dem drei sehr unterschiedliche Schlüssel hingen. Einer war von zierlicher Größe, schimmerte aber wie pures Gold und hatte einen kleinen rubinroten Edelstein im Griff. Der zweite Schlüssel war ein bischen größer und hatte eine silbrigen Glanz . Er war mit feinsten Gravuren versehen, die ein paar recht frivole Szenen darstellten. Der dritte Schlüssel hingegen war der Unscheinbarste. Aus abgegriffenem Eisen und mit seinem rostigen Schlüsselbart sah er nicht besonders bemerkenswert aus und verblasste neben den anderen Beiden.
Der König nahm den kleinen goldenen Schlüssel zur Hand und öffnete damit die Tür und trat in den Raum dahinter. Der Narr folgte ihm dicht auf den Fersen und schaute sich neugierig um. Der Raum war angefüllt mit Papieren. In meterhohen Regalen waren Pergamentrollen verstaut, reihte sich Buch an Buch und lederne Mappen waren zu Bündel zusammengeschnürt. Auf den Tischen, die dicht an dicht neben den Regalen gestellt waren, türmten sich Stapel von Folianten und Schriftstücken. Hinter einem dieser hohen Papierberge hörte man an ein stetes „Bonk!“. Der König führte den Narren zu diesem seltsamen Geräusch. Ein Rascheln war zu hören, dann wieder ein „Bonk!“.
„Rufus, haltet bitte einen Moment inne.“, bat der König den verdeckten Verursacher des seltsamen Geräusches, von dem nur zwei Beine unter dem Tisch zu sehen waren, die in albernen gelben Schnabelschuhen steckten. Ein Kopf lugte seitlich neben dem riesigen Stapel Dokumente hervor.
„Oh, Majestät, ich war so vertieft in die Genehmigung neuer Gewerbeflächen, daß ich Euer Eintreten gar nicht bemerkt habe.“, entschuldigte sich der kleine Mann namens Rufus.
„Schon gut, Rufus.“, winkte der König ab. „Ich habe hier einen Untertanen, der gerne eine neue verantwortungsvolle Aufgabe haben würde.“, deutete er mit einer Handbewegung auf den Narren. Der verbeugte sich kurz, wobei die kleinen Glöckchen seiner Narrenkappe zu bimmeln anfingen.
„Sein Wunsch kann sofort erfüllt werden, Majestät. Wir benötigen dringend eine Vergleichsstatistik der Hungerlöhne mit den steigenden Frondienstkosten.“ Rufus blickte auf einen vollgeladenen Tisch neben sich und dann wieder zurück in das Gesicht des Königs.
„Nun denn, so soll es sein. Komm her Narr, Rufus wird Dir zeigen, wie Deine zukünftige Aufgabe aussehen wird. Ich hoffe, daß Du nun zufriedener sein wirst.“, sprach der König, legte dem Narren dabei die Hand auf die Schulter und schob ihn nach vorne.
Als er neben Rufus Platz genommen hatte, griff der zu einem bierdeckelgroßen runden Stempel, der in einem violetten Stempelkissen ruhte. Rufus hob den Stempel hoch und ließ ihn auf das vor ihm liegende Dokument sausen. „Bonk!“
Während der König den Raum verließ und in Gedanken eine Stellenausschreibung für einen neuen Hofnarren formulierte, vermischte sich ein anrollendes Gewitter über dem Schloß mit dem Hämmern von Rufus’ Stempel. „Bonk!“
Ende des ersten Teils.
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