John Williams: Augustus

  • John Williams: Augustus
    dtv Verlagsgesellschaft 23.9.2016. 480 Seiten
    ISBN-13: 978-3423280891. 24,00€
    Originaltitel: Augustus
    Übersetzer: Bernhard Robben


    Verlagstext
    Großer existentieller Roman
    Oktavian ist neunzehn, sensibel, wissbegierig, und er will Schriftsteller und Gelehrter werden. Doch als Großneffe und Adoptivsohn Julius Cäsars fällt ihm nach dessen Ermordung ein gewaltiges politisches Erbe zu: Ihm, der von schwächlicher Konstitution aber enormer Willenskraft ist, wird es durch Glück, List, Intelligenz und Entschlossenheit gelingen, das riesige Römische Reich in eine Epoche des Wohlstands und Friedens zu führen.


    Der Autor
    John Williams wurde 1922 in Texas geboren. Trotz seiner Begabung brach er sein Studium ab. Widerstrebend beteiligte er sich an den Kriegsvorbereitungen der Amerikaner und wurde Mitglied des Army Air Corps. Während dieser Zeit entstand die Erstfassung seines ersten Romans, der später von einem kleinen Verlag publiziert wurde. Williams erlangte an der University of Denver seinen Master. 1954 kehrte er als Dozent an diese Universität zurück und lehrte dort bis zu seiner Emeritierung 1985. Er veröffentlichte zwei Gedichtbände und vier Romane, von denen einer mit dem National Book Award ausgezeichnet wurde.John Williams starb 1994 in Fayetteville, Arkansas.


    Inhalt
    John Williams vierter Roman "Augustus" erschien bereits 1971 und weicht von seinen drei vorher veröffentlichten Büchern ab, weil er als Romanbiografie in Briefen und Quellen kein amerikanisches Thema behandelt. Im Vorwort stellt Williams klar, dass das dichte Netz aus Briefen, Tagebuchnotizen, Senatsprotokollen und Fragmenten geplanter Memoiren fiktiv ist, der Roman biete eine literarische, keine historische Wahrheit.


    In das Beziehungsgeflecht ist anfangs nicht leicht hineinzukommen. Da vertrauen alte Freunde einander ihre Gedanken an und tauschen sich über die Zipperlein des Alters aus, ein Sohn schreibt aus der Schlacht an den Vater, eine Tochter führt in der Verbannung Tagebuch, ein Zenturio bittet im Alter von 53 Jahren aus Altersgründen um die Freistellung vom Militärdienst, ein Statthalter liefert seinem Auftraggeber regelmäßig Berichte ab, eine Sklavin diktiert ihre Gedanken und Erinnerungen; denn sie kann selbst nicht schreiben. Die Figuren sind historisch verbürgt, ihre privaten Gedanken flüsterte der Autor ihnen ein und gibt jeder seiner Figuren so eine unverwechselbare Stimme. "Augustus" ist kein Buch nur über machthungrige alte und junge Männer; die Beziehungen zwischen Schreiber und Empfänger geben in fesselnder Weise Einblick in das Alltagsleben von Männern und Frauen, Herren und Dienern.


    Fazit
    Williams tritt bescheiden hinter seine Figuren zurück. Der Leser wird zum Zaungast schriftlicher Zwiegespräche, deren Beteiligte selten darüber nachzudenken scheinen, dass ein Brief kein Vier-Augen-Gespräch ist und kopiert werden kann. Einige der Briefschreiber scheinen Sinn für Spott und Ironie miteinander zu teilen. Ihr Austausch lässt das Ausmaß an Heuchelei, Klatsch, Intrige und Verrat zu Zeiten Julius Cäsars und seiner Nachfolger lebendig werden. Hervorstechend war für mich, dass Williams Figuren Sinn für Ironie und die komischen Seiten des Lebens zeigen. Über die Vorstellung der Anrede „Mein lieber Livy“ [Livius] auf einem Papyrus muss ich immer noch grinsen. Williams Schalk, der zwischen den Zeilen hervor blitzt, erinnert an Hilary Mantels listige Figuren-Charakterisierungen. Wer Mantels "Wölfe" mochte, liegt mit dem Griff zu diesem Roman sicher nicht daneben.


    °°°°
    Zitat
    Ich habe mich manches Mal gefragt, wie ich die mir gegebene Macht angewandt hätte, wenn ich keine Frau gewesen wäre. Selbst für mächtige Frauen wie Livia forderte es der Brauch, sich bescheiden zurückzuhalten und eine Genügsamkeit an den Tag zu legen, die ihrem Wesen oft widersprach. Ich wusste schon sehr früh, dass dies für mich nicht in Frage käme. [Julias Tagebuch]“ (Seite 293/294)


    9 von 10 Punkten

  • Ich höre noch immer regelmäßig die Lesungen dieses Buches im Rahmen des ARD Radiofestivals und freue mich besonders über den Hinweis des Autors, dass alle seine Texte fiktiv sind.
    Das hatte ich mich schon gefragt, weil etliche der vorkommenden Figuren ja tatsächlich eifrig geschrieben haben.


    Trotz der Lesung werde ich mir das Buch sicher anschaffen.

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Ich höre noch immer regelmäßig die Lesungen dieses Buches im Rahmen des ARD Radiofestivals und freue mich besonders über den Hinweis des Autors, dass alle seine Texte fiktiv sind.
    Das hatte ich mich schon gefragt, weil etliche der vorkommenden Figuren ja tatsächlich eifrig geschrieben haben.


    Trotz der Lesung werde ich mir das Buch sicher anschaffen.


    :write
    Ich höre auch noch und habe das Buch bereits vorbestellt. Ich freue mich schon darauf, die Briefe zu lesen. :-)

  • Bei diesem Buch war ich mir recht unsicher, ob es etwas für mich ist oder ob es mir von der Sprache und dem Inhalt zu schwierig oder anstrengend sein würde. Ich kenne mich mit der römischen Geschichte gar nicht aus und habe bis jetzt auch noch kein anderes Buch dieses Autors gelesen.
    Deswegen habe ich mich sehr gefreut, dieses Buch als Wanderbuch lesen zu dürfen. So hatte ich die Möglichkeit es einfach mal auszuprobieren.
    Und es hat mich mehr als positiv überrascht! Mir hat "Augustus" sehr gut gefallen.


    Erzählt wird die Lebensgeschichte des Kaisers Augustus. Aber nicht in einer gewöhnlichen Romanform. Vielmehr erfahren wir aus zahlreichen Briefen, Notizen, Tagebucheinträgen und Protokollen von den unterschiedlichsten Personen die Geschichte dieser außergewöhnlichen Person.
    Ich habe mich sehr schnell in das Buch und die Geschichte hineingefunden. Zum Glück gibt es am Ende des Buches ein Personenregister und eine Zeittafel. Ich habe immer wieder während des Lesens da hineingeblättert und konnte mich damit gut zurechtfinden.


    Ich war erstaunt, wie es der Autor schafft, alleine durch diese Briefe ein wahnsinnig lebendiges und buntes Bild der Person "Augustus" und der ganzen Geschichte zu erschaffen. Ich hatte mich auf eine wesentlich "trockenere" Geschichte eingestellt. Aber das Ganze war für mich absolut spannend und fesselnd zu lesen. Ich fand es auch sehr interessant, wie unterschiedlich die einzelnen Personen den Kaiser Augustus gegenüber eingestellt waren und was sie von ihm für eine Meinung hatten.


    Insgesamt war das Buch für mich eine absolut lohnende und interessante Lektüre. Man braucht schon ein wenig Zeit, Ruhe und Konzentration dafür. Aber es war weniger anstrengend zu lesen, als ich es gedacht habe und ich kann es nur jedem weiterempfehlen.
    Von mir bekommt das Buch 9 Eulenpunkte.

  • Obwohl ich das Buch schon als Lesung im Rahmen des ARD Radiofestivals gehört habe, habe ich es jetzt nochmals gelesen.


    Im Buch habe ich das gefunden, was ich bei der Hörbuch Ausgabe vermisst (oder überhört?) habe, nämlich die Angabe des Autors, dass er die meisten Briefe, Notizen usw erfunden hat. Er hat sich an die historischen Fakten gehalten und die wenigen Abweichungen fallen vielleicht Historikern mit dem Schwerpunkt römische Geschichte auf, mir als Leserin, die den Geschichtsunterricht weitgehend vergessen hat, gewiss nicht.


    Ich gebe zu, ich habe es nicht ganz vollständig gelesen. Ich habe meinen Schwerpunkt auf diejenigen Kapitel gelegt, die mir beim Zuhören nicht ganz eingeleuchtet haben oder die besonders beeindruckt haben. Dei Beschreibung der Seeschlacht gegen Cleopatras Schiffe, die Tagebucheintragungen von Julia oder den letzten Brief von Augustus möchte ich dabei herausheben.


    Besonders gefallen mir die unterschiedlichen Perspektiven, durch die dieser Zeitraum der römischen Geschichte eine unglaubliche Lebendigkeit erhält. Da kommen Verwandte, Freunde, Feinde und Weggefährten des Augustus zu Wort. Berühmte Namen wie Cicero und völlig unbekannte. Für mich macht das den ganz besonderen Reiz dieses Buches aus.
    Eine lange zurückliegende Zeit und ihre Menschen, die ebenso empfunden haben, wie die Menschen heute, aus dem Vergessen zurückzuholen und sie der Leserin wie einen Kinofilm vorzuführen.


    Das gelingt übrigens der Hörbuchfassung noch etwas besser als dem Buch, was sicher an der hervorragenden Arbeit derjenigen liegt, die da lesen.
    Für mich ist die Kombination von beidem perfekt.


    Ein ganz großes Vergnügen und ich vergebe 9 Punkte.

  • Augustus – John Williams


    Mein Eindruck:
    John Williams ist ein Autor, den zu lesen mir nicht leicht fällt. So tat ich mich auch mit „Augustus“ nach gutem Anfang später ziemlich schwer und eine Distanz zu Figuren und Handlung blieb. Dabei ist der Stil keineswegs trocken und Figuren und Plot grundsätzlich interessant. Vom Kaiser Augustus und der Zeit Roms nach Cäsars Ermordung weiß ich nicht wirklich viel, der Roman ist also eine Chance.
    Vielleicht waren es dann doch einfach zu viele Figuren und geradezu ein Wust an Briefen über einen sehr großen Zeitraum. Die Handlung ist komplex, ich musste dabei manchmal an Dorothy Dunnett und ihre bemerkenswerte Romanreihe „Das Haus Niccolò“ denken.


    Die Entwicklung Augustus von jungen Mann bis großen Herrscher ist gut angesetzt und glaubhaft nachvollziehbar.
    Dass er das Römische Reich in eine neue Ära führte, in Frieden und Reichtum, ist für die damalige Zeit sensationell. Eine Leistung, die man sich von modernen Herrschern vergeblich wünschen kann.


    Ich denke, dass ich es später doch noch einmal mit der Hörbuchumsetzung versuche, deren Anfang ich gehört hatte, als sie im Radio lief.