'Das Bildnis des Dorian Gray' - Kapitel 01 - 05

  • Ich hab gestern abend die Vorrede begonnen und mir kamen da gleich ein paar Fragen.


    Was bedeutet "die Wut Calibans"? Dazu habe ich gefunden, dass Caliban die Figur eines Unholds aus Shakespeares "Der Sturm" ist. Soll es das sein? Und was soll mir das sagen?


    etwas später "Manieriertheit des Stils"?


    * Definition Manieriertheit:
    Unnatürlich-gekünsteltes Ausdrucksverhalten in Mimik, Gestik und Sprache, gelegentlich als Begleiterscheinung einer Geisteskrankheit. Meyers Grosses Taschenlexikon


    Das bedeutet was?


    Diese aufgestellten Thesen (oder was auch immer) der Vorrede haben mich verwirrt, aber ich warte mal ab.

  • So bin nun in Kapitel 4 und muß sgen, daß mir der Lord Henry mal schwer unsympathisch ist. Wie kann jemand von sich selbst so gelangweilt sein, daß er andere Menschen so bewußt manipuliert und verletzt. Fieser Möpp sagt man in Aachen dazu.


    Ansonsten finde ich diese schon fast offenen Andeutungen der homosexuellen Anziehung, die sich zwischen Basil/Dorian/Henry befindet, irgendwie schwer nervig, andererseits aber auch für die damalige Zeit sehr gewagt. Ich glaub mit dem Wilde hätte ich gern mal ein Cocktailchen getrunken :)



    Die Frauen kommen bis jetzt ja eher bescheiden weg... alle schrecklich affektiert, dumm und oberflächlich.... ich hoffe das wird noch anders.


    Auch bin ich mal gespannt, was das noch wird mit der Schauspielerin, in die Dorian angeblich verliebt ist. Zur Zeit scheint mir das mehr ein kleines Spielchen zu sein, um Lord Henrys Aufmerksamkeit zu erlangen.


    Ach ja mich nervt es unendlich an, daß Henry mal Henry und mal Harry genannt wird.... schrecklich....

  • Sehr schön fand ich gerade diese Stelle im ersten Kapitel:


    Lord Henry und Basil unterhalten sich über Freunde und Basil meint, dass Henry oberflächlich wäre. Daraufhin sagt Henry "Ich unterscheide sehr zwischen den Menschen. Ich wähle meine Freunde nach ihrem guten Aussehen, meine Bekannten nach ihrem guten Charakter und meine Feinde nach ihrem scharfen Verstand"


    Hihi, ist nicht oberflächlich, seine Freunde nach dem Aussehen zu wählen, nech ;-)


    Das Buch fing gut an mit der sehr bildreichen Beschreibung der Blumen und Düfte. Schade, dass die Pause so kurz ist...

  • So habe jetzt die ersten 5 Kapitel gelesen. Na, ob das was wird zwischen der Schauspielerin Sybil Vane und Dorian Gray? Ich bezweifle es irgendwie, vor allem da dieser Lord Henry leicht abgeneigt war, was Dorians Gefühle für diese Frau betrifft und er wäre nicht Lord Henry, wenn er Dorian nicht weiter beeinflussen würde. Ich habe das dumpfe Gefühl am Ende werden alle schrecklich unglücklich sein und der Bruder von Sybil bringt Dorian um ;-)

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Ansonsten finde ich diese schon fast offenen Andeutungen der homosexuellen Anziehung, die sich zwischen Basil/Dorian/Henry befindet, irgendwie schwer nervig, andererseits aber auch für die damalige Zeit sehr gewagt.


    Hmm ich musste auch immer überlegen, ob es einfach nur Bewunderung ist zwischen den Männern oder schon eine homosexuelle Anziehung. Ich finde, dass ist schwer zu sagen, da die Charaktere auch so übertrieben sind, könnten sie sich auch Vergöttern ohne an sexuelle Absichten zu denken.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Ansonsten finde ich diese schon fast offenen Andeutungen der homosexuellen Anziehung, die sich zwischen Basil/Dorian/Henry befindet, irgendwie schwer nervig, andererseits aber auch für die damalige Zeit sehr gewagt. Ich glaub mit dem Wilde hätte ich gern mal ein Cocktailchen getrunken :)


    Huhu BJ,
    nervig finde ich nur dieses Übertriebene dabei, egal ob homo oder hetero. Gewagt war es auf jeden Fall, so langsam wird mir klar, warum Oscar Wilde den Ruf eines Skandalautors hatte. Seine eigene Homosexualität hat ihm zudem auch genügend Ärger eingebracht...


    Zitat

    Original aus wikipedia
    "Der Familienvater Oscar Wilde ging - für die damalige Zeit - relativ unbekümmert mit seiner Homosexualität um. Homosexuelle Partnerschaften, etwa zu Robert Ross, waren nicht unbekannt. Allerdings führten die juristischen Konsequenzen seines langjährigen Verhältnisses zu Lord Alfred Douglas (Bosie), dem Sohn John Sholto Douglas', des 9. Marquess von Queensberry, zu einem Skandal erster Klasse und seinem schmachvollen Niedergang.


    Quelle: Oscar Wilde bei wikipedia

  • Hab gestern abend zumindest die ersten zwei Kapitel gelesen. Da dies mein erstes Werk von Oscar Wild ist und ich auch den zugehörigen Film nicht kenne, bin ich ohne jegliche Erwartung ans Werk gegangen.


    Das sich das Buch kompliziert lesen lässt, finde ich nicht. Ganz im Gegenteil.
    Ich finde es ist richtig schön geschrieben, animiert zum weiterlesen und hebt sich stilvoll von der Masse ab.


    Zitat

    Ansonsten finde ich diese schon fast offenen Andeutungen der homosexuellen Anziehung, die sich zwischen Basil/Dorian/Henry befindet, irgendwie schwer nervig, andererseits aber auch für die damalige Zeit sehr gewagt.



    Ich denke, dass man in den Andeutungen zur Homosexualität sehr deutlich Wildes persönliche Neigungen herauserkennt, die ihm ja einige Jahre im Zuchthaus eingebracht haben.


    Weiter will ich mich jetzt erstmal nicht hierzu äußern, da ich wie bereits erwähnt, noch nicht sehr viel gelesen habe. Werde mich aber später wieder melden.


  • Ich hab mal nachgeschlagen, also:


    Im Original heißt es:


    Zitat

    Original Signet-Ausgabe S. 17
    "The nineteenth century dislike of realism is the rage of Caliban seeing his own face in a glass. The nineteenth century dislike of romanticism is the rage of Caliban not seeing his own face in a glass."


    Öhm. Ok, also ich weiß nicht wirklich, was er damit sagen will, aber es hört sich ziemlich paradox an. Ein Versuch es zu entwirren:


    Die Abneigung des 19. Jahrhunderts gegenüber dem Realismus ist die Wut des Caliban (also des Ungestümen, Animalischen) über den Anblick seines Gesichtes im Spiegel.
    --> Wenn der Ungestüme sein Bild im Spiegel sieht, wird er wütend.
    --> Deshalb hat er in diesen Zeiten (im 19. Jahrhundert) eine Abneigung gegen dieses Bewusstwerden (also den Realismus).


    Die Abneigung des 19. Jahrhunderts gegen die Romantik ist die Wut Calibans darüber, dass er sein Gesicht nicht im Spiegel sieht.
    --> Der Ungestüme ist wütend darüber, dass er sein Gesicht nicht im Spiegel sehen kann.
    --> Deshalb hat er eine Abneigung gegen die Romantik (die vielleicht als Gegensatz zum Realismus Illusionen und eine verklärte Realität bedeutet?)


    Wenn der Ungestüme aber sowohl darüber wütend ist, sein Gesicht im Spiegel zu sehen, als auch darüber, es nicht zu sehen, tja dann ähm... ist er wohl immer wütend, wenn er an einem Spiegel vorbeigeht :grin


    Nein, im Ernst, so richtig durchschaut hab ich es nicht, will er einfach nur die Abneigung gegen Realismus und Romantik versinnbildlichen? Aber wenn ich gegen zwei Gegensätze eine Abneigung habe, was bleibt dann übrig??? :brain :pille


    Ok, ich weiß nicht weiter, vielleicht kann jemand weiterhelfen? :help

  • zu Mariniertheit:


    Im Original heißt es:


    Zitat

    Original Signet-Ausgabe S. 18
    "No artist has ethical sympathies. An ethical sympathy in an artist is an unpardonable mannerism of style."


    Ich habe das so verstanden, dass kein Künstler Mitgefühl hat. Und wenn er doch welches zeigt, dann ist das eben ein unnatürlich-gekünsteltes Ausdrucksverhalten und kein echtes Mitgefühl.

  • Milla:
    ja in meinem Klappentext steht das auch schon drin.... (SZ-Ausgabe) 2 Jahre Zuchthaus für Homosexualität...heftig heftig


    das mit der Marinierteit hab ich aber auch so interpretiert, wie Milla das schreibt... mußte aber auch erst in meinem Hirn kramen um Mariniertheit in den heutigen Sprachgebrauch zu übersetzen :-]


    Bin nun mit diesem Teil fertig, aber hab irgendwie nen zu dicken Kopf zum weiterlesen.


    Allerdings fesselt mich das Buch so sehr, daß ich den Fleischhauer erstmal in die Ecke geworfen hab, der ist nachher dran :grin

  • Da ich nochmal angefangen habe bin ich immer noch nicht viel weiter,mußte aber feststellen,dass in der deutschen Ausgabe meiner Mom nicht nur einzelne Sätze fehlen,sondern das gesamte dritte Kapitel.Und gerade im dritten Kapitel erfährt man doch einiges über Lord Henry, insbesondere,dass er Dorian mit voller Absicht manipuliert.
    Es ist nirgendwo zu lesen,dass es eine gekürzte Ausgabe ist und noch viel eigenartiger,diese deutsche Ausgabe ist bei einem französischen Verlag erschienen,sehr mysteriös.
    Man gut,dass ich nochmal von vorne begonnen habe. :-]


    Ich habe mal ne Frage an alle,da hier sehr viele verschiedene Ausgaben gelesen werden.Es ist zwar nicht wichtig,aber ich bin neugierig.
    Am Anfang des vierten Kapitels,als Dorian auf Lady Henry trifft ist die Rede von Fotos,die Lord Henry von Dorian hat.In der deutschen Ausgabe spricht sie von 27 Fotos und korrigiert dann auf 26,in der englischen Ausgabe ist die Rede von 17 Bildern,die dann auf 18 korrigiert werden.
    Wie ist das in euren Büchern?


    Ich hoffe ich werde dann heute etwas weiterkommen.

  • Nach dem Lesen des Vorwortes habe ich beschlossen, mich davon nicht beirren zu lassen und erst einmal die Geschichte zu lesen, bevor ich über diese Vorrede nachdenke.


    Nun stecke ich mitten im vierten Kapitel und meine, dass Lord Henry ein absolut eingebildeter, gelangweilter Herr ist, der nicht viel von anderen Menschen hält und leichtes Spiel mit dem blauäugigen Jüngling Dorian Gray hat.


    Letzterer scheint keinen eigenen Verstand zu besitzen, während Lord Henry seine Intelligenz einsetzt, andere Menschen zu beeindrucken, zu verwirren, zu beeinflussen - letztendlich auch zu belügen und zu betrügen ... Den Maler fragte er gnadenlos aus, um dann genau das zu tun, was Basil Hallward nicht wollte. Und das nennt sich "Freunde" ... schreckliche Vorstellung, solche Freunde zu haben.

  • Danke für die Antworten zur Anzahl der Fotos.
    Ich fand das schon eigenartig mit den unterschiedlichen Zahlen und dass einmal nach unten und einmal nach oben korrigiert wurde.

  • Ich bin gestern abend noch bis Kapitel 5 gekommen. Hier mal das, was mir so aufgefallen ist: (Ich zitiere aus der SZ-Bib.)


    S. 42: Was ist ein englisches Blaubuch? Hat das was mit dem Militär zu tun?


    S. 45: Lord Henry sagt, dass er sich bemüht, von seinen neuen Freunden alles und von seinen alten Freunden nichts zu wissen. Soll das bedeuten, dass er lieber ständig neue Leute kennen lernen möchte und die alten abschiebt? Empfand ich als Zeichen von Oberflächlichkeit.


    S. 48: Mit Tories speisen, mit den Liberalen denken. Damit konnte ich nicht viel anfangen, hab es so gedeutet, dass Sir Thomas seine Beziehungen so gut es geht, ausbaut und ausnutzt. Wäre interesant zu wissen, wer zu der Zeit an der Regierung war, wahrscheinlich die Tories, oder?


    Eine sehr schöne Formulierung fand ich auf S. 50: Um die Wahrheit zu prüfen, muss man sie seiltanzen lassen. :-) Und das macht Henry wirklich, er spielt mit Worten, jongliert mit Sätzen, einfach klasse, aber manchmal auch atemberaubend.


    S.53 Hier scheint mir, als würde Wilde direkt die Engländer angreifen, als er schreibt, dass es in England kein Publikum für Literatur gibt, er lässt es Mr. Erskine sagen.


    S. 57: "Männer heiraten, weil sie müde sind, Frauen, weil sie neugierig sind. Beide werden enttäuscht" sagt Henry. Der Satz kommt mir bekannt vor, ich glaube, er wird auch des öfteren zum Thema Ehe gesagt. Trotzdem ist Henry verheiratet, ich habe aber nicht den Eindruck, dass er müde ist. Und seine Ehe scheint ja ein perfektes Arrangement zu sein.


    S.58: Die Meinung Henrys über Frauen entsprach wahrscheinlich dem Zeitgeist. "Frauen sind ein dekoratives Geschlecht..."


    S. 60: Interessant fand ich auch Henrys Ansichten über Treue: " Was sie ihre Treue nennen, nenne ich entweder die Trägheit der Gewohnheit oder ihren Mangel an Phantasie... Wieviel Dinge würden wir wegwerfen, wenn wir nicht fürchteten, andere würden sie aufheben" Da bekommt man den Eindruck, dass Henry nie geliebt hat, bzw. Verlustängste hatte. Manchmal hab ich den Eindruck, dass er ein enttäuschter Mensch ist, manchmal halte ich ihn für unreif, manchmal für älter als er ist, ein klares Bild habe ich noch nicht.


    Überraschend kam für mcih die Nachricht der Verlobung zwischen Dorian und Sibyl Vane, das kam so plötzlich.


    Henrys lange Monologe sind ein Spiel mit Worten und Gedanken, wenn man sich darauf einlässt, schön zu lesen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass der unbedarfte Dorian sich verwirrt fühlt angesichts dieser vielen Ansichten und provokanten Äußerungen.


    Aufgefallen ist mir mehrfach, dass Blumen und Farben benutzt werden, um die Atmosphäre zu schildern, sehr anschaulich. Außerdem wird des öfteren etwas dargestellt, dabei wird der Leser einbezogen, in dem Wilde "wir" schreibt, z.B. S.70/71, als Henry über die Psychologie nachdenkt: "ob wir wohl je die Psychologie zu einer so absoluten... ", dabei kommen so allgemeine Sätze vor, dass ich dachte, Wilde geht über die Perspektive des Buches hinaus und stellt dem Leser Fragen bzw. gibt Denkanstöße.


    So, das waren meine Eindrücke der bisherigen Kapitel, ich lese gespannt weiter...



  • hm.. ist ja nicht das einzige zeichen von oberflächlichkeit..... hab das aber auch so ähnlich aufgefaßt und fand es arg seltsam

  • Zitat

    Original von geli73
    S. 42: Was ist ein englisches Blaubuch? Hat das was mit dem Militär zu tun?


    Das englische "Blue Book" ist ein offizieller Bericht der Britischen Regierung, der so genannt wurde, weil er in blaues Papier eingebunden war.


    lg Iris