Andre Kubiczek - Skizze eines Sommers

  • Titel: Skizze eines Sommers
    Autor: Andre Kubiczek
    Verlag: Rowohlt Berlin
    Erschienen: Mai 2016
    Seitenzahl: 375
    ISBN-10: 3871348112
    ISBN-13: 978-3871348112
    Preis: 19.95 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    1985, Potsdam, große Ferien. Doch der sechzehnjährige Rene‚ bleibt dieses Jahr zu Hause. Die Mutter ist tot, der Vater in der Schweiz; er lässt Rene‚ tausend Mark da, die er brüderlich mit seinen Freunden Dirk, Michael und Mario teilt. Dies ist, und das spüren sie alle vier, ein Sommer, wie es ihn nie wieder geben wird für sie. Die Jungs streifen durch die heiße, urlaubsleere Stadt und sitzen in Caf‚s herum, während sie darum wetteifern, besonders geistreich zu sein. Und: Sie gehen zweimal pro Woche in die Disko. Denn bei allem abgeklärten Gehabe geht es doch vor allem darum, das richtige Mädchen zu finden. Während Dirk und Michael um die forsche Rebecca buhlen und der Halb-Libanese Mario, der erst vierzehneinhalb ist, mächtig Schlag bei den Frauen hat, brennt Rene‚ darauf, das Mädchen wiederzusehen, das im "Orion" noch nie zur falschen Musik getanzt hat.


    Der Autor:
    Andre Kubiczek, geb. 1969 in Potsdam, lebt er heute nach seinem Studium der Germanistik in Leipzig und Bonn als freier Autor in Berlin. 1997 erhielt er das Arbeitsstipendium Brandenburg, 1998 das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste.


    Meine Meinung:
    Ein großartiger Roman. Ein Roman der mich wirklich begeistert – aber auch ein wenig traurig zurückgelassen hat. Gerne hätte ich noch mehr über diese jungen Menschen, um die es in diesem Buch geht, gelesen. Aber so ist das nun einmal: Jeder Roman hat einen Anfang – und leider wie in diesem Fall auch ein Ende.
    Andre Kubiczek schafft es, und das macht er wirklich großartig und sehr einfühlsam, die Stimmung und das Fühlen der jungen Menschen zu beschreiben. Und als Leser, wenigstens ging es mir so, ist man eins ums andere Mal in die eigene Jugendzeit versetzt.
    Die eigene Jugend, in der es in erster Linie um die Mädchen ging, aber natürlich auch um Musik, um die ersten Frustrationen, um die Literatur (okay – sicher nicht bei allen Jugendlichen), es ging um die intensiven Gespräche (die im Alter leider kaum noch geführt werden), es ging um dieses intensive Lebensgefühl – das leider beim Älterwerden oftmals immer mehr durch die tägliche Lebensroutine verdrängt wird - aber es ging auch Freundschaft und was sie mal bedeutet hat.
    Andre Kubiczek übertreibt nicht, er biedert sich nicht an, er labert keinen auf jugendlich getrimmten Scheiß – nein, er beschreibt alles so, wie es in der Realität eben ist.
    Hervorzuheben ist aber auch, dieses Buch spielt in Potsdam, also in der DDR, dass junge Menschen in ihrem Denken, Fühlen und in ihrem „Jungsein“ offenbar überall gleich sind – egal ob sie nun im Osten oder im Westen leben.
    Selten habe ich ein Buch gelesen, das „Jugend und vieles was damit zusammenhängt“ so authentisch und eindrucksvoll beschreibt.
    Dafür kann man dem Autor nur ein wirklich riesiges Kompliment machen.
    Dieser Roman gehört schon jetzt – auch wenn das Jahr noch vier Monate, also auch vier Lesemonate, noch vor sich hat – schon jetzt zu meinen Lesehighlights.
    Ein wirklich wunderbarer, sehr lesenswerter Roman über eine Zeit, ich meine die Zeit der Jugend, die man sich unbedingt im Herzen und im Gedächtnis bewahren sollte – auch wenn es oftmals sicher sehr hart war.
    Eigentlich albern: Aber die Protagonisten dieses Romans sind mir irgendwie doch sehr ans Herz gewachsen - kann man nichts machen, ist aber nun mal so.
    10 Eulenpunkte sind eigentlich zu wenig für dieses Buch.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Oftmals teile ich Voltaires Buchgeschmack.
    Aber hier bin ich leider gänzlich anderer Meinung.
    Ich fand das Buch furchtbar belanglos und noch dazu leider ganz schrecklich geschrieben. Und was Voltaire als positiv hervorhebt - dass Jugendliche überall offenbar gleich empfinden - , war für mich ein ganz großes Manko dieses Romans. Denn nicht nur meiner Meinung, sondern auch meiner Erfahrung nach, befasst man sich gerade mit 16 mit der Welt, in der man lebt, und hat noch sowas wie "revolutionäre Ambitionen". Das fehlte mir in diesem Roman völlig. Da gehts irgendwie nur um Mädels und ums Rauchen und Musik und Bücher. Derart oberflächliche Jugendliche sind mir zum Glück bisher in Romanen selten begegnet. Und im echten Leben auch nicht.
    Ich vergebe 4 Punkte, für einen Nachmittag am Strand durchaus lesbar, aber mich hat es nicht gepackt, es blieb nichts zurück - und von einem guten Roman erwarte ich, dass er mich irgendwie in Gedanken länger begleitet, vielleicht sogar irgendwie beeinflusst. Und dann diese Sprache:


    ""Apropos Melancholie, dachte ich, während ich mein fliehendes Ohr im Spiegel begutachtete und es probehalber an den Schädel drückte. Wer war denn nun zuerst zu wem gekommen? Doch ich hatte keine Zeit mehr, die Frage zu beantworten, denn es klopfte jetzt laut und - wie mir schien - ziemlich übellaunig an der Badezimmertür.


    "Mensch, René, jetzt komm mal aus dem Knick", hörte ich meinen Vater im Flur rumnörgeln.""


    Schrecklich. Da schießen den Leuten Gedanken in den Kopf, Dinge werden sich aus den Fingern gesaugt. Und ständig wird eine geraucht. Klang für mich alles eher nach: Schreiben für Anfänger, Kurs 1.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

  • Zitat

    Original von Frettchen
    Oftmals teile ich Voltaires Buchgeschmack.
    Aber hier bin ich leider gänzlich anderer Meinung.
    Ich fand das Buch furchtbar belanglos und noch dazu leider ganz schrecklich geschrieben. Und was Voltaire als positiv hervorhebt - dass Jugendliche überall offenbar gleich empfinden - , war für mich ein ganz großes Manko dieses Romans. Denn nicht nur meiner Meinung, sondern auch meiner Erfahrung nach, befasst man sich gerade mit 16 mit der Welt, in der man lebt, und hat noch sowas wie "revolutionäre Ambitionen". Das fehlte mir in diesem Roman völlig. Da gehts irgendwie nur um Mädels und ums Rauchen und Musik und Bücher. Derart oberflächliche Jugendliche sind mir zum Glück bisher in Romanen selten begegnet. Und im echten Leben auch nicht. ...


    Vermutlich bist du nicht - wie die Hauptfigur - als männlicher Jugendlicher in der DDR aufgewachsen, in einer Familie, die zur privilegierten bürgerlichen Elite gehörte, als Reisekader das Land verlassen in besonderen Luxus-Geschäften einkaufen durften, die der normalen Bevölkerung nicht zur Verfügung standen. Kubiczeks Jugendlicher begehrt auf seine Art gegen seine Verhältnisse auf - und dazu muss er erst einmal erkennen, das es keine "normalen" Verhältnisse sind. Die empfundene Oberflächlichkeit kannst du eigentlich nur abgleichen mit realen Chancen, die ein 16-Jähriger in der DDR gehabt hätte. Er wäre mit revolutionären Ideen vermutlich als arbeitsscheues Gesindel direkt in den Bau gewandert. Fiktion darf meiner Ansicht nach gern durch und durch erfunden sein - und dazu gehören eben die banalen oder absurden Seiten einer Jugend hinter der Mauer.

  • ich hab doch auch gar nichts gesagt gegen die Jugendlichen. Nur gegen den Autor. Und ich finds halt oberflächlich in jeder Hinsicht. Auch sprachlich. Aber es trifft mich gerade wie von einem Blitz, sowas sollte ich besser nicht schreiben. Oder vielleicht doch? Frisier ich mir die Haare nach links, statt nach rechts, dann darf ich doch sagen, dass ich gerade vom Blitz getroffen wurde und dachte: ja, ey, du. Das musst Du sagen.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

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  • Die Frage wäre, ob das Buch die oberflächlichen Gedanken von 16-Jährigen erzählt, oder ob das Buch an sich oberflächlich ist. Mir hat es sehr eindringlich gezeigt, dass ein Junge in diesen privilegierten, von der Realität getrennten Verhältnissen sich eben genau so verhalten könnte. Kinder von Arbeitern und Krankenschwestern haben anders gelebt. Für mich war eine zentrale Szene, als ihm klar wird, dass andere Menschen kein Telefon zuhause haben und sich in einem ganzen Dorf eine Telefonzelle teilen.


    Was hättest du denn mit 16 getan, wenn du entdeckst, dass du bis dahin ein Scheinleben geführt hast und völlig ahnungslos bist, wie die Mehrheit lebt? Manche haben sich der Punkerszene Ost angeschlossen. Wenn er aufmuckt und seinen Vater damit in Schwierigkeiten bringt, fällt der Zugang zu Luxusgütern aus dem Westen zukünftig weg. Wie realistisch ist so ein Szenario? Hättest du mit 16 freiwillig auf deine Musik oder deine Bücher verzichtet?

  • Es ist ein Roman. Und da erwarte ich eine gute Geschichte und ein gewisses sprachliches Niveau. Beides bietet dieser Roman meiner Meinung nach nicht.


    Was ich mit 16 getan hätte, wär ich im Osten aufgewachsen, spielt da, glaub ich, keine Rolle. Ich find das Buch halt mies. Fertig. Andere finden es toll. Ist doch gut. Aber ich darf hier doch wohl sagen, dass ich es nicht gut fand. Sprachlich ganz schlimm. Und inhaltlich. Wenn man in Erinnerungen schwelgen will, ok. Ich erwarte einfach mehr von einem guten Buch.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor