Verstreute Prosa
Hörbuch
Diogenes 2015
Gelesen von Hannelore Hoger
Laufzeit: 66 Minuten
Kurzbeschreibung:
Einem Ehemann wird in einem Brief erklärt, dass seine ihm untreue Gattin seine »grauenerregende Ehrbarkeit« nicht mehr ertragen hat. Ein Storch weint Niagarafälle ob der Zurückweisung durch das geliebte Stachelschwein. Ein Mann fühlt sich »ganz zerklopft«, ein anderer preist sich glücklich, dem »Glöckchenkonzert, dem Lachkonzert« zweier Kinder lauschen zu dürfen. Ein Dichter hingegen pflegt »vertraulichen Umgang mit allem, was kein Mensch war«, und ist froh dabei … Hannelore Hoger liest dreizehn ihrer Lieblingsgeschichten und -miniaturen des unverwechselbaren Robert Walser und lässt den Hörer hineintauchen in dessen mal traurige, mal einsame, mal absurde und komische, mal ironische und immer seelenvolle Welt, die sich in Ohr und Herz niederlässt.
Über den Autor:
Robert Walser wurde am 15. April 1878 in Biel geboren. Er starb am 25. Dezember 1956 auf einem Spaziergang im Schnee. Nach seiner Schulzeit absolvierte er eine Banklehre und arbeitete als Commis in verschiedenen Banken und Versicherungen in Zürich. Seine ersten Gedichte, die 1898 erschienen, ließen ihn rasch zu einem Geheimtip werden und verschafften ihm den Zugang zu literarischen Kreisen. Nach Erscheinen seines ersten Buches Fritz Kochers Aufsätze folgte er 1905 seinem Bruder Karl nach Berlin, der dort als Maler und Bühnenbildner den Durchbruch erzielt hatte. In rascher Folge publizierte Walser nun seine drei Romane Geschwister Tanner (1907), Der Gehülfe (1908) und Jakob von Gunten (1909). Infolge einer psychischen Krise geriet Walser Anfang 1929 gegen seinen Willen in die Psychiatrie, deren Rahmen er nie mehr verlassen konnte. 1933 von der Berner Klinik Waldau nach Herisau verlegt, gab er das Schreiben vollständig auf und lebte dort noch 24 Jahre als vergessener anonymer Patient.
Über die Sprecherin:
Hannelore Hoger arbeitete u. a. mit Volker Schlöndorff, Peter Zadek und Alexander Kluge. Sie spielt seit fast 20 Jahren Bella Block, die TV-Kommissarin schlechthin. Für diese Rolle wurde sie mehrfach auch international ausgezeichnet. Außerdem arbeitet sie als Regisseurin und Sprecherin.
Mein Eindruck:
Von allzu banalen Büchern der Gegenwart flüchte ich mich zu diesem Hörbuch mit Kurzprosa von Robert Walser.
Es sind kurze Prosatexte, die Hannelore Hoger getragen, aber gekonnt vorträgt. Sie hat anscheinend auch die Textauswahl getroffen. Robert Walser war eine Ausnahmeerscheinung in der Literatur. Die Prosa des Schweizers sind schon reichlich seltsam, doch sehr originell und immer wieder mit feiner Ironie durchsetzt.
Mein Lieblingstext ist der relativ lange “Brief eines Dichters an einen Herrn”.
Was wünschte ich, wenn es heute noch einen Schriftsteller gäbe, der Walsers Einstellung hätte. Stattdessen entblöden sich heutige Autoren nicht, uns ihre mutlosen Texte aufdringlich aufzudrücken. Man möchte sich so entziehen, wie Walser es konnte.
Es gibt noch mehr gute Texte auf dieser CD, z.B. “Klopfen“. Ein Text von 1926, wie die ganze Welt dabei ist, aufdringlich zu klopfen und es kaum noch ein entrinnen davor gibt.
Brief an einen Ehemann ist auch ganz gut, nicht unbedingt im Einklang mit moralischer Instanz.
“Der Hanswurst” gefällt mir auch, aber etwas kurz.
Das gilt auch für das pointenhafte „Ibsens Nora oder die Rösti“
Walser kann auch absurd, z.B. in Der Mann mit dem Kürbiskopf.
Ernsthafter geht es zu in Das Grab der Mutter und in “Der Traum” von 1914, bei dem durchaus treffend gesagt wird, dass er an Kafka erinnert..
Hannelore Hoger schafft auch ein Stück für 3 Stimmen allein: Storch und Stachelschwein. Dennoch fällt dieses Märchen auf der CD aus dem Rahmen.
Zwischen den Texten wird Musik eingesetzt, es sind Klavierstücke von Siegfried Gerlich. Das ist klug gemacht, da man gedanklich doch immerhin einen Moment braucht, um das Gehörte zu verarbeiten.