Als ich 13 war, überfiel mein Vater seine erste Bank - Molly Brodak

  • Verlag Nagel & Kimche
    Gebundene Ausgabe: 288 Seiten


    Aus dem Amerikanischen von Barbara Schaden


    Kurzbeschreibung:
    Im Sommer 1993, als Molly dreizehn wird, überfällt ihr Vater elf Banken. Er wird geschnappt und sitzt jahrelang in Amerika im Gefängnis. Nach seiner Entlassung verhält er sich eine Weile ruhig, dann zieht er wieder los. Dazwischen ist Joseph Brodak für seine Familie da, mit einem Job bei GM, einem Haus mit Garten, einer Ferienreise nach Peru. Als Kind ahnte Molly eine unbekannte Seite; heimlich hatte er schon einmal eine Familie gehabt. Er bleibt tagelang verschwunden, als Geschenk für die Schwester steht plötzlich ein Sportwagen vor der Tür, und er ist ein notorischer Lügner. Als er verhaftet wird, ist niemand wirklich überrascht. Molly Brodak rekonstruiert ihre Geschichte mit rückhaltloser Offenheit; aus der kühlen Präzision entsteht eine mitreißende Wirkung.


    Über die Autorin:
    Molly Brodak, wurde 1980 in Michigan geboren und lebt heute in Georgia, wo sie an der Augusta University Englische Literatur unterrichtet. Bislang veröffentliche sie Gedichte in literarischen Periodika und in der Presse. 2009 erhielt sie für ihren Lyrikband A Little Middle of the Night den Iowa Poetry Price.


    Über die Übersetzerin:
    Barbara Schaden studierte Romanistik und Turkologie in Wien und München. Nach einigen Jahren in der Filmbranche und im Verlagslektorat seit 1992 freiberufliche Übersetzerin. Sie übersetzte Sachbücher von Siddharta Mukherjee, Allen Frances, Amy Chua, Peter Demetz, Amana Fontanella-Khan und Umberto Eco u.v.a.


    Mein Eindruck:
    In der Tradition des US-amerikanischen Schriftstellers Richard Ford schreibt die Lyrikerin Molly Bradok eine tragische Familiengeschichte.
    Dabei muss man wissen, dass es ihre eigene Familie ist, um die es geht.
    Es sind ihre Kindheits- und Jugenderinnerungen an ihren kriminellen Vater, Joseph Brodak der Banken überfiel, spielsüchtig und unberechenbar war. Zwischendurch saß er auch im Gefängnis. Die Mutter ist labil und nicht fähig, die Familie zusammenzuhalten.
    Wenn man dann noch unstet in Detroit aufwächst und die Eltern sich früh scheiden lassen, ist das eine schwere Kindheit.
    Der fehlende Vater ist irgendwie nie ganz abwesend. Die ältere Schwester ist mal beim Vater, mal bei Schwester und Mutter und auch mehr oder weniger traumatisiert.


    Also kein Wunder dass ihre Erinnerungen überwiegend melancholisch sind. Der Schreibstil ist ansonsten recht trocken. Die Versachlichung dient dem Selbstschutz gegen eine Form des Selbstmitleids.


    Der Erzähl-Ton ist nicht wehleidig, aber sie macht keine Hehl daraus, wie unhaltbar der Zustand war.
    Molly bleibt verschlossen, flüchtet sich ins Schreiben von Lyrik.


    “Und geh, lulle dich ein mit dem, was du verstehst, und
    mit Klaviertönen.
    Denn ich lulle niemanden ein, und mich verstehst du
    nie.” (S.121)


    Der Roman verharrt nicht in der Kindheit. Als Molly 21 wird, kommt ihr Vater aus dem Knast, geht aber bald nach weiteren Überfällen wieder rein. 2015 wird der Vater 70 und sitzt jetzt schon seit langen im Gefängnis.


    Mich beeindruckt, wie Molly versucht mit der Situation fertig zu werden. Ihre Liebe gilt der Literatur, schon früh liest sie anspruchsvolle Literatur und philosophische Bücher, z.B. von Nietzsche. Dann muss sie auch noch mit einer schweren Erkrankung fertig werden. Über das Schreiben über sich und den Vater versucht sie, ihre Gefühle einzuordnen und eine Erklärung zu finden.


    Der Originaltitel ist Bandit. A Memoir. Warum also dieser lange deutsche Titel? Will sich der Verlag über seine Leser lustig machen?


    Davon abgesehen, ein gutes Buch!

  • Interessanter Tipp und tolle Wortschöpfung: Versachlichkeit.
    Oder meintest du Versachlichung?
    Mir gefällt der Titel.
    Seit "Der Hundertjährige ..." sind solche Titel zeitgeistig.
    Passt doch: En vogue ist geil! :wave