Bettina Hellwig (Hrsg.): Die Mörderin vom Bodensee – 26 Krimis, 26 Rezepte, Mannheim 2016, Wellhöfer-Verlag, ISBN 978-3-95428-185-5, Softcover, 352 Seiten, Format: 12,6 x 3,3 x 19,4 cm, EUR 12,95.
26 Autorinnen und Autoren aus dem deutschsprachigen Raum haben sich hier zum literarischen Mord und Totschlag versammelt. Jeder der 26 Kurzkrimis hat seinen Handlungsmittelpunkt in der Bodenseeregion und in jedem Beitrag spielt eine andere kulinarische Spezialität der Gegend eine Rolle. Das Rezept dazu wird gleich mitgeliefert: für herzhafte Kleinigkeiten, für Suppen, für Gerichte mit Käse, mit Fisch – wir sind ja am Bodensee – und mit Fleisch. Und süße Nachspeisen gibt’s natürlich auch. Man muss sich nicht einmal merken, in welchem Krimi welches Gericht vorkommt, denn es gibt praktischerweise ein separates Rezeptverzeichnis.
Köpfen, erstechen, ertränken, vergiften
Gemordet wird am Untersee, in Radolfzell, in Überlingen und Konstanz, Meersburg, Friedrichshafen, Langenargen, Lindau, Bregenz und Vorarlberg, in Rorschach und in Romanshorn. Es wird geköpft und erstochen, ertränkt und vergiftet, erschlagen, gestalkt und betrogen, gerungen, gefälscht und entführt, gestohlen und vertuscht. Mancher „Unfall“ entpuppt sich als Mord und mancher angebliche Mord war nur ein bedauerlicher Unfall. Nicht jeder Anschlag gelingt und in manchmal geschieht das Ungeheuerliche auch nur in der überaktiven Phantasie unterbeschäftigter Nachbarn.
Bei 26 Stories kann man sich auf eine abwechslungsreiche Mischung einstellen. Neben klassisch-spannenden „Whodunnits“ findet der Leser hier skurrile Geschichten, in denen UFO-Spinner und geisterhafte Erscheinungen vorkommen. Manche Beiträge werden mit einem Augenzwinkern erzählt und andere sind ein kleines bisschen ekelig. Bei Frank G. Gerigks origineller Story HÖRI-BÜLLE (Seite 138) sollte man schon einigermaßen hart im Nehmen sein, sonst vergeht einem der Appetit.
Eine abwechslungsreiche Mischung
Die meisten Geschichten spielen in der Gegenwart, aber es sind auch Kriminalfälle aus ferner Vergangenheit darunter: WEISSGLUT von Monika Küble und Henry Gerlach (Seite 9) ist im Mittelalter angesiedelt und überrascht mit einem ungewöhnlichen Tatverdächtigen. Heike Thissens Beitrag DIE LETZTE HINRICHTUNG (Seite 32) orientiert sich an einem realen Fall aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Manche Autoren schaffen es, auf unter 20 Seiten einen kleinen „Tatort“ entstehen zu lassen. Da gibt‘s nicht nur einen Kriminalfall und – eventuell – dessen Auflösung, sondern man erhält auch noch aufschlussreiche Einblicke in das Leben der Täter oder der Ermittler. Jutta Motz‘ EIN KÜHLES GRAB (Seite 118) ist so ein Fall, oder auch Petra Naundorfs NUR EIN ANRUF (Seite 167), Gitta Edelmanns beklemmende Story EIN FAST PERFEKTES DINNER (Seite 180) und nicht zu vergessen Uschi Kurz‘ Kunstkrimi TREIBHOLZ (Seite 298) Bei dieser Autorin musste ich gleich mal nachsehen, ob es von ihr auch Romane gibt. Gibt’s!
Etwas Makaberes zum Schluss
Eine besonders makabere Geschichte bildet den Abschluss dieser Anthologie. In Tanja Roths Kurzkrimi SEEFILET (327) stört ein unerwarteter Todesfall ein Koch-Event. Den Toten einfach liegen zu lassen und erst nach Ende der Veranstaltung die Polizei zu rufen, ist noch die harmloseste der schrägen Ideen, auf die die befreundeten Köche kommen …
Es sind auch zwei, drei Beiträge dabei, bei denen ich nicht sicher bin, ob ich sie zur Gänze verstanden habe. Das liegt in erster Linie daran, dass mich Kurzgeschichten mit viel Personal und Nebenhandlungen schnell überfordern. Wenn ein Handlungsstrang ohne viel Firlefanz geradlinig durcherzählt wird, ist mir das am liebsten. Aber das sind persönliche Präferenzen, die keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben.
Kurzweilig und unterhaltsam ist diese bunte Krimi-Mischung auf jeden Fall, nicht nur für Freunde und Kenner der Bodenseeregion.
Krimis und Rezepte aus der Region
Auch wenn es auf den ersten Blick befremdlich anmuten mag, im Umfeld von Wasserleichen und Giftmorden ans Essen denken zu sollen: Die Kombination aus (regionalspezifischen) Kurzkrimis und Rezepten ist offenbar ein Erfolgskonzept. Allein im Wellhöfer-Verlag sind bist jetzt ein knappes Dutzend entsprechender Anthologien erschienen.
Auch als „Appetithappen“ für die Arbeit der verschiedenen Autoren funktioniert dieses Konzept. Wer an dem einen oder anderen Beitrag besonderen Gefallen findet, kann gleich im Anhang des Buchs nachschauen, was der Betreffende Autor/die Autorin sonst noch so veröffentlicht hat. Die Seiten 344 bis 352 enthalten nämlich die Kurzvitae aller beteiligten VerfasserInnen. Für neugierige Menschen wie mich ist es ungeheuer interessant zu lesen, wer hier alles literarisch meuchelt: Journalisten, Werbetexter, Autoren, Lehrer … lebenserfahrene, gebildete und weitgereiste Menschen mit spannenden Biographien. Und wenn Sie wissen wollen, wie man richtig giftmordet, dann fragen Sie eine Ärztin oder Apothekerin …
Die Herausgeberin
Bettina Hellwig, Jahrgang 1963, ist promovierte Fachapothekerin für Arzneimittelinformation. Sie lebt und arbeitet als Autorin in Konstanz und in Stuttgart. Neben medizinischen Fachtexten schreibt sie kriminelle Geschichten. Sie ist Mitglied bei den Mörderischen Schwestern und im Syndikat.
Die Autorinnen und Autoren
Margarete Buhl, Nadine Buranaseda, Gitta Edelmann, Thomas Erle, Anne Grießer, Frank G. Gerigk, Bettina Hellwig, Karl F. Fritz, Renate Klöpper, Anita Konstandin, Susanne Kraft, Monika Küble, Henry Gerlach, Uschi Kurz, Jutta Motz, Petra Naundorf, Tanja Roth, Barbara Saladin, Ursula Schmid-Spreer, Regina Schleheck, Christiane Sußner, Heike Thissen, Michael Wanner, Ulrike Wanner, Gudrun Wertbrecht, Ingrid Werner.