Die Katze, die ins Paradies reist - Elke Seidel

  • Elke Seidel: Die Katze, die ins Paradies reist. Der fünfte Fritzi Kullerkopf Roman, Norderstedt 2016, Books on Demand, ISBN 978-3-7412-0605-4, Softcover, 360 Seiten mit farbigen Illustrationen von Dörte Schneider, Format: 17,5 x 2,7 x 22,1 cm, Buch: EUR 16,90, Kindle Edition: EUR 6,99.


    „Erst später erfuhr ich, dass man in Amiland Vorratsräume und Rumpelkammern als Closet bezeichnet, aber nicht die Hygienedepartments. Die heißen hier anders. (…) Du siehst, wenn du in den USA neu bist und dich nicht getraust nochmal nachzufragen, dann pullerst du möglicherweise in einem Closet in eine nicht dafür vorgesehene Ecke.“ (Seite 221/222)


    Es kann ungemein unterhaltsam sein, wenn kluge und humorvolle Mitmenschen von ihren Reisen erzählen und uns an hochemotionalen Momenten ebenso teilnehmen lassen wie an ihren Pleiten, Pech und Pannen. Das vorliegende Buch gehört in diese Kategorie – mit der Besonderheit, dass nicht ein Mensch seinen Trip kreuz und quer durch die USA schildert, sondern eine clevere und lebenserfahrene Hauskatze: Fritzi Kullerkopf aus Frankfurt. Die wundert sich schon ihr ganzes Leben lang über das merkwürdige Gebaren der Zweibeiner, die sie aus ihrer näheren Umgebung kennt. Und jetzt trifft sie auch noch auf US-Amerikaner! Die, findet sie, sind noch einen Tick schräger drauf als ihre Hessen. Die Kater allerdings sind überall auf der Welt gleich. Da drehst du die Hand – pardon, die Pfote – nicht rum.


    Eine Katze reist durch die USA
    Aber wie kommt eine europäische Hauskatze überhaupt dazu, durch die Vereinigten Staaten zu reisen? Das tun die doch sonst eher selten! Fangen wir von vorne an: Katze Fritzis Dosenöffnerin Elke muss zur Regelung einer Erbschaftsangelegenheit nach Nashville/Tennessee. Weil keiner ihrer Catsitter Zeit hat und sie Fritzi nicht im Tierheim einquartieren will, nimmt sie sie kurzerhand mit. Flugreisen mit Haustier und die damit verbundenen Formalitäten schrecken Elke nicht. Sie arbeitet seit vielen Jahren am Frankfurter Flughafen. Da kann ihr so schnell keiner was erzählen.


    Die Erbschaft ist beträchtlich, und so verlängert Elke ihren USA-Aufenthalt um zwei Monate und reist mit Fritzi an all die Orte, die sie schon immer einmal besuchen wollte. Wer sollte sie auch daran hindern? Fritzi ist verwitwet, ihre Katzenkinder sind aus dem Haus und Elke ist Single. Ihr großer Freundeskreis wird die beiden zwar vermissen, ihnen die Rundreise aber von Herzen gönnen.


    Ob Tennessee oder Georgia, Hollywood oder Hawaii, San Francisco oder Las Vegas: Elke will alles Interessante sehen und erleben und Fritzi muss mit. Auch wenn der Katzendame manchmal eher danach wäre, einen Tag im Hotelbett zu verdösen oder sich mit Artgenossen zu einem internationalen Erfahrungsaustausch zu treffen. Andererseits … welche Katze bekommt schon so ein abwechslungsreiches Bildungs- und Unterhaltungsprogramm geboten? Das muss man nutzen! Nur wer was erlebt, hat auch was zu erzählen. In einem sind die beiden Reisegefährtinnen sich auf jeden Fall einig: Aktivitäten, die mit die großen Höhen oder viel Wasser verbunden sind, überlassen sie lieber anderen.


    Fritzi sagt ihre Meinung
    Nicht überall ist eine Katze als Gast willkommen, und so muss Fritzi einige Veranstaltungen, Restaurant- und Museumsbesuche versteckt in Elkes Rucksack miterleben. Sie kriegt aber immer so viel mit, dass sie sich eine Meinung bilden kann. Und mit dieser hält sie nicht hinter dem Berg.


    Fritzi begegnet freundlichen und seltsamen Menschen, aufdringlichen, bunten und geschwätzigen Vögeln, treulosen Katern, verschiedenen Hunden und einer Menge merkwürdiger Meeresbewohnern. Vom Essen in den USA ist die Katzendame nicht so begeistert, es sei denn, es gibt frischen Fisch. Selbst die Mäuse schmecken hier irgendwie nach Plastik. Das wird vermutlich daran liegen, dass sich auch die Nager nur von Fastfood ernähren. Und die legendäre Micky Maus, die in den Comics immer so klein und niedlich aussieht, erweist sich zum Verspeisen als zu unhandlich.


    Fritzi hat wirklich gut aufgepasst, was die verschiedenen Reiseleiter erzählt haben und sich fleißig mit Elkes Tablet Notizen gemacht. Wer die beschriebenen Ziele schon bereist hat, wird beeindruckt sein von ihrer Gründlichkeit, ihrer Beobachtungsgabe und ihrem Humor. Ab und zu gerät Fritzi auch regelrecht ins Philosophieren: über Freundschaft, Liebe, Partnerschaft, das Leben und den Tod.


    Eine kleine Lästerbacke ist die Kätzin ja manchmal schon: wenn sie vom mangelnden Orientierungssinn ihrer „Dosilla“ erzählt, von ihren Schnäppchenjagden oder ihren Ess- oder Fernsehgewohnheiten, zum Beispiel. Doch auch wenn Elkes tierische Mitbewohnerin und Reisegefährtin ein loses Mundwerk hat: Die beiden sind ein tolles Team.


    Sie erzählt, lästert und philosophiert
    Eine gute Freundin ist Fritzi obendrein. Immer wieder denkt sie an die Menschen und Artgenossen daheim. Um ein Haar hätte sie jedem von Hawaii aus eine Kokosnuss geschickt. Und manch ein Reiseerlebnis erinnert sie an eine Geschichte, die ihr einer ihrer Kumpels mal erzählt hat. Ich weiß: Diese Freundes-Anekdoten machen den Charme der Fritzi-Bücher aus. Aber hier bringen sie mich manchmal ein bisschen aus dem Urlaubskonzept. Es sind aber nur einige wenige. Und nur, weil ich diesen Fritzi-Band als reinen USA-Reisebericht sehe, muss Fritzi Kullerkopf nicht derselben Meinung sein. Es ist ihr Buch, und wenn sie uns von den Erlebnissen ihrer Freunde berichten will, dann tut sie das.


    Am liebsten würde man gleich selbst auf Fritzis Spuren durch die USA reisen und das Buch als ganz privaten Reiseführer mitnehmen. Ihre bildhaften Beschreibungen wecken das Fernweh und die Sehnsucht nach Nordamerika und vor allem nach Hawaii. Dazu tragen auch die hinreißenden, farbigen und großformatigen Illustrationen bei. Band 5 ist der erste, der von Dörte Schneider bebildert wurde. Ihr Stil ist komplett anders als der des früheren Illustrators Rolf Dörge uns bringt das Erzählte auf ganz eigene Weise auf den Punkt. Die psychedelisch bunte Mai-Tai-Katze auf Seite 176 hätte ich am liebsten als Motiv auf einem T-Shirt. Oder auf einer Stofftasche. Fritzi-Merchandising, das wär’s doch!
    DIE KATZE, DIE INS PARADIES REIST ist ein vergnüglicher und durchaus informativer Roman LeserInnen, die ein Herz für Katzen haben – und ein gewisses Interesse an den USA.


    Die Autorin
    Elke Seidel absolvierte nach ihrem Fachschulabschluss eine Lehre. Anschließend arbeitete sie mehrere Jahre in einem Reisebüro, in dem sie auch als Reiseleiterin Touristen durch europäische Hauptstädte und durch den Nahen Osten führte. Anschließend arbeitete sie über 30 Jahre am Frankfurter Flughafen in der Passagierabfertigung und als Lehrgangsleiterin in einem Schulungszentrum. Bereits vor ihrem Ausscheiden am Flughafen begann sie ein Studium an der Frankfurter U3L. Dort nahm sie u.a. an einem Schreibseminar teil. Elke Seidel wohnt in Frankfurt. Ihre beiden Katzen Fritzi Kullerkopf und deren Freund Rüdiger adoptierte sie in einem Tierheim.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner