Bernhard Hennen, Robert Corvus - Himmelsturm (Die Phileasson-Saga Teil 2)

  • Worum geht es?
    Ein sehr bekannter britischer Fantasyautor schrieb mal sinngemäß: „Wenn sich irgendwo ein großer einladender Hebel befindet, über dem ein Schild mit der Aufschrift ‚Wer diesen Hebel zieht, wird das Ende der Welt auslösen‘ hängt – Wie lange dauert es wohl, bis jemand diesen Hebel betätigt? Antwort: Die Farbe auf dem Schild hätte keine Zeit, zu trocknen…“


    Nun stelle man sich einen Dungeon mitten im ewigen Eis vor. In einem Raum in der Nähe des Eingangs hängt ein großer, einladend wirkender Gong. Was wird höchstwahrscheinlich mindestens einer der lieben Spieler mal ausprobieren? Genau. Willkommen im Himmelsturm, dem wohl berühmt-berüchtigtsten Dungeon Aventuriens, der vermutlich mehr Spielleiter in den Wahnsinn getrieben hat als der gesammelte Kreaturenzoo von H. P. Lovecraft.


    Zu diesem Dungeon zieht es nun die beiden um den Titel ‚König der Meere‘ streitenden Drachenschiffkapitäne Asleif ‚Foggwulf‘ Phileasson und Beorn ‚Der Blender‘ Asgrimmson, denn sein Geheimnis zu erkunden ist die zweite Aufgabe, die sie zur Erlangung des Titels lösen müssen. Was werden sie in den eisigen Tiefen des Turms, um den sich zahlreiche schaurige Legenden ranken, vorfinden?



    Wer hat’s geschrieben?
    Die gleichen Verdächtigen die auch den Vorgängerband geschrieben haben, namentlich Bernhard Hennen und Robert Corvus.



    Und wie fand ich das nun?
    Wie schon der Vorgängerband ‚Nordwärts‘ beginnt ‚Himmelsturm‘ mit einem ca. 80seitigen Prolog, der sich dieses Mal mit dem Magier Abdul el Mazar beschäftigt und wie es dazu kam, dass er in die ziemlich haarige Situation geriet, in der die Helden später auf ihn treffen. Für mich war es die erste richtige Begegnung mit Abdul, weil ich ihn aus verschiedenen Gründen aus meiner Version der Saga gestrichen hatte, und er war mir auf Anhieb sympathisch. Insgesamt hat mir dieser äußerst spannende Prolog wesentlich besser gefallen als der des ersten Bandes, auch wenn ich mit selbigem mittlerweile aus Spielleitersicht auch meinen Frieden geschlossen habe, denn mit etwas Arbeit ließe sich daraus letztendlich ein schönes Detektiv-Einstiegsabenteuer für die Saga stricken.


    Dann ging es los mit dem epischen Dungeoncrawl, der einem auch Beorns Mannschaft wesentlich näher gebracht hat. Blieben sie im ersten Band größtenteils eindimensional und blass, konnten sie hier auch mal zeigen, was abseits von der Gier nach Beute charakterlich in ihnen steckt und auch Beorn selbst kommt nicht mehr als völlig kaltherzig und skrupellos rüber. Es scheint zudem, dass er genau die Traviageweihte bekommen hat, die zu ihm passt. Jetzt, wo man sie endlich mal näher kennenlernt, entpuppt sich Lenya als sehr interessante Figur, die heimliche Sympathien für eine andere, gnadenlosere Gottheit hegt. Auch der finstere Elf Galayne ist in seiner Undurchschaubarkeit sehr faszinierend und man fragt sich immer wieder, was wohl sein heimlicher Plan sein mag. Denn dass er mehr über den Himmelsturm weiß, als er den anderen gegenüber zugibt, ist von Anfang an klar wie Kloßbrühe. Sehr lachen musste ich, als Beorn Asleif abfällig einen Kartenzeichner nannte, das ist nämlich genau die Formulierung, mit der wir Geologen uns gerne mal über die Geographen lustig machen. Dennoch, wäre Beorns Mannschaft eine Rollenspielgruppe, wäre es größtenteils die Fraktion der Loot- und Erfahrungspunktejäger, während sich die Charakterspieler eher um Phileasson gesammelt haben.


    Während Beorns Truppe sich also mit Gewalt daran machte, dem Himmelsturm sein Geheimnis zu entreißen, gingen Phileasson und seine Mannschaft mit echtem Forscherdrang vor und besonders die Erstkontakt-Szene mit den Bewohnern des Turms hat mich stark an Star Trek erinnert. Die gewonnenen Erkenntnisse und gemeinsam durchgestandenen Gefahren führten dazu, dass sich die Figuren teils deutlich weiterentwickelt haben. So hat der Magier Tylstyr endlich sein ‚ich bin eh unfähig‘-Mimimi abgelegt, Shaya entdeckt ihre kämpferische Seite, und was mit dem Elfen Salarin geschah – Sagen wir es so, ich habe nun einen gewissen Verdacht, welches Schicksal ihm im Laufe der Saga zuteil werden wird. Leider kam Ohm Follker in diesem Band etwas zu kurz, ich hoffe, das ändert sich in den nächsten Bänden wieder. Und Irulla hat hat ihre Ankündigung wahr gemacht, sogar im Himmelsturm eine Spinne zu finden.


    Sehr schön fand ich, dass Asleif auch nicht immer lieb und nett spielt, sondern, wenn die Situation es erfordert, genauso skrupellos vorgehen kann wie Beorn. Das hat der Figur sehr gut getan und mein inneres Fangirl sehr gefreut. Ein gewisses schurkisches Potential braucht eine Figur nun mal, um bei mir zu punkten, und sein wir mal ehrlich: Es gibt mindestens ein Reich Aventuriens, für das der große Entdecker Asleif Phileasson auch nur ein glorifizierter Pirat ist, und so ganz unrecht haben sie damit objektiv betrachtet nicht.


    Insgesamt hat mir ‚Himmelsturm‘ sehr gut gefallen, die Luft nach oben, die bei ‚Nordwärts‘ noch drin war, wurde gut ausgenutzt. Lediglich die letzte Szene vor dem Epilog hat für mich nicht so funktioniert. Erst wird eine ziemlich spektakuläre Bedrohung aufgebaut, die dann schnell mit einem im wahrsten Sinne des Wortes Deus Ex Machina beseitigt wird und dann werden noch schnell ein paar Dinge angerissen und das war’s. Die Szene wirkte auf mich etwas unfertig, da wäre noch mehr drin gewesen. Aber trotzdem: Daumen hoch!


    Und was war nun mit dem Gong? Nun, der Roman zeigt noch eine dritte Möglichkeit auf, was passieren könnte, die besonders die eher sadistisch veranlagten Spielleiter erfreuen dürfte. Hmmm… *streicht sich über den imaginären Ziegenbart*



    Aber darauf, das Aquarium zu zertrümmern um die Verfolger aufzuhalten, ist meine Gruppe auch gekommen, was ihnen in ihrem Zustand definitiv den Hintern gerettet hat.


    Natürlich hatte auch einer meiner Spieler etwas aus dem Grab im Eis mitgehen lassen, weshalb er dann auch Besuch von der für alle anderen unsichtbaren Raubkatze erhielt. Im Gegensatz zu Hallar hat er es sogar überlebt.


    Vhascals Aktion unten in der Halle des Feuers war ja mal ein Paradebeispiel für saudumme Dinge die ein neugieriger Charakter tun würde wenn er seine Neugier-Probe spektakulär verpatzt hat, weshalb ich mich köstlich darüber amüsiert habe. Ich überlege ja ernsthaft, die altehrwürdige thorwalsche Tradition des Spießrutenlaufens in einen hypothetischen nächsten Kampagnendurchgang einzubauen, einfach um die Spieler von dem allergröbsten Dummfug abzuschrecken.


    Und ich denke, nun ist wohl klar, wie die Phrase ‚Missgünstige Elfen‘ zustande kam. Nach dem Kampf gegen Kayil’yanka und ihre Truppe meinte einer der Spielercharaktere ‚Die waren ja ganz schön missgünstig, diese Elfen‘ und irgendwie blieb das bis heute hängen.


    Jetzt heißt es warten auf Band 3. Die Geschichte, wie das Abspielen des Benny Hill-Themes in gewissen Situationen in meiner Spielrunde zur Tradition wurde und warum ich nur das Wort ‚Karen‘ aussprechen muss um kollektives Aufstöhnen zu ernten.