Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen - Ulla Scheler (ab 14)

  • Verlag: Heyne, 2016
    Broschiert: 368 Seiten


    Kurzbeschreibung:
    Ben ist seit Ewigkeiten Hannas bester Freund. Er ist anders. Wild, tollkühn, ein Graffiti-Künstler, ein Geschichtenerzähler. Und keiner versteht Hanna so wie er. Nach dem Abi packen die beiden Bens klappriges Auto voll und fahren zum Meer. An einen verwunschenen Strand, um den sich eine düstere Legende rankt. Sie erzählen sich Geschichten. Bauen Lagerfeuer. Kommen einander dort nahe wie nie zuvor. Und Hanna hofft, endlich hinter das Geheimnis zu kommen, das Ben oft so unberechenbar und verzweifelt werden lässt.


    Über die Autorin:
    Ulla Scheler wurde 1994 in Coburg geboren. Bücher liebt sie schon seit ihrer Kindheit. Nach dem Abitur arbeitete sie in einem Krankenhaus, beim Fernsehen und in einem marokkanischen Hotel. Bis sie dann endlich ihren Debütroman fertig schrieb, der schon seit drei Jahren darauf wartete, veröffentlicht zu werden. Die Autorin lebt in München und studiert Psychologie.


    Mein Eindruck:
    Heyne fliegt ist anscheinend wirklich eine Reihe anspruchsvoller, gut lesbarer Jugendromane. Dieser Roman ist wieder ein interessantes Debüt einer jungen Autorin.


    Die Erzählerin Hanna ist lange mit Ben befreundet. Er ist cool, aber weist auch selbstzerstörerische Tendenzen auf.


    Es ist die Zeit der Adoleszenz für die beiden und dazu gehört natürlich die ziellose Reise des Paars, die sich wie ein Road Movie entwickelt.
    Sie treffen noch andere Leute, z.B. die unkonventionelle Chloe und mit Sam einen Jungen, der sich für Hanna interessiert.


    Die Erzählweise ist so US-amerikanisch geprägt, dass man fast vergisst, das es sich um eine deutsche Autorin handelt.
    Zudem ist nicht nur wegen dem Klappentext eine geheimnisvolle Atmosphäre vorhanden, die nahendes Unglück ankündigt, das sich aus Ereignissen der Vergangenheit speist.
    Als schließlich das befürchtete eintritt, bewirkt das einen Bruch in der Handlung und die Suche nach Erklärungen beginnt. Hanna hat ihre eigene Überzeugung.


    Das Ende überzeugt mich nicht so ganz, aber unterstreicht die Eigenwilligkeit der Figuren.

  • Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen


    Ben und Hanna sind von Kindesbeinen an beste Freunde. Sie kennen und lieben einander und nehmen rasch ihre jeweiligen Rollen innerhalb dieser Freundschaft ein. Hanna ist oftmals vernünftig und wird dann von Ben herausgefordert an ihre Grenzen zu gehen, verbotene Dinge zu tun. Sie überredet Ben hingegen regelmäßig zur Schule zu gehen. Man kennt die Beiden nur miteinander. Sie sind Freunde. Nicht mehr. Das zeigen auch Bens wechselnde Liebschaften und Hannas Beziehung mit einem Jungen, die jedoch nicht lange anhält. Freunde. Nicht mehr. Oder?


    Kurz nach dem Abi und ihrem ersten großen Streit verschwindet Ben einfach und nicht einmal Hanna weiß wohin. Als er plötzlich wieder auftaucht, ist sie nicht in der Lage ihm einfach zu verzeihen und wieder bringt er sie in Versuchung, als er ihr anbietet ihm zu vertrauen. Mit ihm zu gehen, auch wenn sie nicht weiß wohin. Er fährt mit ihr scheinbar ans andere Ende Deutschlands, in ein Kaff, das am Meer liegt. Dort schlagen sie ein kleines Zelt auf, essen Tütensuppe und zählen das wenige Geld, das sie dabei haben.
    Ben, der sich seit dem Selbstmord seines Vaters verändert hat, wird wieder zum echten Ben. Sie lachen, lesen, erstellen Listen, schwimmen und streiten. Sie reiben sich aneinander und merken, dass sie nicht ohneeinander können, auch wenn sie nicht derselben Meinung sind. Doch Ben verheimlicht Hanna einiges und auf ihre Fragen schweigt er.


    Eines Tages treffen die Beiden nach dem Schwimmen ein aufgeschrecktes Mädchen. Chloe erzählt die Legende des Strandes, eine Geschichte um die Königin der Meere, deren Gefährte ums Leben kam. Rachsüchtig holt sie sich junge Männer, die gerne schwimmen und die es wagen noch jemand anderes zu lieben als das Meer. Hanna möchte nicht an die Legende glauben und doch häufen sich die Zeichen, dass sie und Ben ebenfalls Teil dieser Legende werden. Je näher sie sich kommen, desto wahrscheinlicher wird Bens Tod, doch sie können sich nicht von der Faszination ihres Lebens lösen und nicht voneinander.


    Die Geschichte ist sprachgewaltig. Fast jeder Satz lässt Filme im Kopf des Lesers entstehen, ist fast schon überladen mit Emotionen und sorgt so für eine ganze eigene Faszination. Niemals würden durchschnittliche Jugendliche so sprechen und wohl auch nicht denken, wie die Autorin es niedergeschrieben hat und doch stört es nicht, weil es passt, weil man sich diese Lebensweisheit und dieses Einfinden ins Erwachsenwerden bei Hanna und Ben wünscht. Sie sind großartig, lebensmüde, lebenshungrig, voller Elan und Traurigkeit. Diese explosive Mischung kann nur in einer Katastrophe enden, man arbeitet die ganze Zeit auf das Ende und diese Katastrophe hin und möchte wissen, wie sich die Geschichte letztendlich auflöst. Das Ende ist dann auch zwiespältig. Es passt zu den Beiden und doch gibt es auch hier wieder Reibungspunkte, die man am liebsten glätten möchte, dennoch scheint es, dass Jugendliche hier entschieden haben ihre Geschichten selbst zu schreiben.


    Sonderlich sympathisch werden die Beiden während der Geschichte nicht. Sie haben Ecken, Kanten, Reibungspunkte, viele Charakterzüge, für die sie man schütteln möchte und wirken wohl aus diesem Grund unglaublich echt, sind Jugendliche, die wir alle einmal waren oder alle einmal sein wollten. Sie nehmen sich eine Auszeit vom Erwachsenwerden und werden genau das in dieser kurzen Zeit ohne Dusche, anständigem Essen, sauberer Kleidung und Heizung. Dazu gehört, dass die Geschichte ruhig ist und erst im letzten Drittel Fahrt aufnimmt, das passt und entschleunigt nicht nur die beiden Jugendlichen sondern auch den Leser gleich mit dazu.



    Fazit:
    Sprachgewaltig und authentisch in ihren Ängsten und Freuden nimmt uns Ulla Scheler mit auf die Reise erwachsen zu werden und gestaltet Jugendliche, die wir auch einmal waren. Sie erschafft einen Kokon aus Emotionen mit ihrem einfühlsamen Debüt, das ebenso am Leser reißt, wie das Wasser an den Kieseln im Buch. Danach fühlt man sich befreit und wund. Empfehlenswert.

    Bücher sind eine höchst ergötzliche Gesellschaft. Wenn man einen Raum mit vielen Büchern betritt - man braucht sie gar nicht zur Hand zu nehmen - ist es, als würden sie zu einem sprechen, einen willkommen heißen.
    -William E. Gladstone-

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