Titel der englischsprachigen Originalausgabe: "Harry Potter and the Cursed Child - Parts I & II (Special Rehearsal Edition): The Official Script Book of the Original West End Production"
Meine Rezension bezieht sich auf die englischsprachige Ausgabe. Die deutsche Ausgabe erscheint am 24.9.16
Bei dem Buch handelt es sich, wie wahrscheinlich schon bekannt, nicht um einen weiteren Harry-Potter-Roman, sondern um das Script des zweiteiligen Theaterstücks, das am 30.07.2016 Premiere in London hatte. Das Buch besteht also aus kurzen Szenenbeschreibungen, einigen Hinweisen auf Mimik der Figuren und den Dialogen der Schauspieler. Dies war für mich jedoch kein Problem, denn dadurch dass die Handlung nur an bekannten Orten spielt, fiel es mir leicht, auch ohne große Beschreibungen ein gutes Kopfkino zu entwickeln.
Das Buch beginnt mit der bekannten Schlussszene des letzten Harry Potter-Bandes. Im Schnelldurchlauf erleben wir die ersten drei Jahre von Albus Severus Potter, Harrys zweitem Sohn. Albus ist ein unglaublich nerviges Kind, das ständig nur herumjammert, wie schwer es ist, der Sohn von Harry Potter zu sein. Während Harrys erstem Sohn alles zufällt, fühlt er sich als Versager. Er freundet sich schnell mit Scorpius Malfoy, Dracos Sohn, an, der für mich der eigentliche Sympathieträger des Buches ist. Im Verlauf der Handlung treffen wir viele Figuren der ersten Generation wieder, fast hatte ich das Gefühl, dass alle noch mal einen Auftritt haben sollten, ob es nun die Handlung voranbringt oder nicht.
Leider sind Harry, Ron und Hermione nur ein Schatten ihrer selbst. Harry und Ron sind ja noch nie durch ihre intellektuellen Fähigkeiten aufgefallen, aber insbesondere Ron taucht eigentlich nur auf, um auch da zu sein, ohne jedoch eine echte Aufgabe zu haben, dümmlich zu gucken und ein bisschen so zu tun, als sei er Fred & George. Hermione Granger ist einfach eine schlechte Magie-Ministerin, kaum zu glauben, dass sie sich mal für Hauselfenrechte engagiert hat. Zwanzig Jahre nach der Schlacht in Hogwarts gibt es immer noch das Gefängnis Azkaban. Das ist ja fast so, als ob Obama 7 ½ Jahre im Amt wäre und Guantánamo sei immer noch nicht geschlossen. Auch Werwölfe scheinen immer noch nicht in die Gesellschaft integriert zu sein, sondern ziehen in Rudeln durch die Gegend und werden dabei engmaschig beobachtet. Harry macht genau das, was er schon in Band 5 falsch gemacht hat und hat ansonsten völlig sein Profil verloren.
Im ersten Teil (1. Und 2. Akt) passiert eigentlich nichts, außer einem Haufen „teen angst“ und Vater-Sohn-Konflikt. Der erste Akt endet dann auch in einem üblen Cliffhanger, macht ja nichts, denn das Buch enthält ja beide Teile, aber wenn ich nur Theaterkarten für den ersten Teil hätte, würde ich mich ärgern. Erst im zweiten Teil (3. und 4. Akt) nimmt die Handlung an Fahrt auf, und zwar auf eine völlig absurde Weise. Ich hatte oft das Gefühl, schlechte Fan-Fiction zu lesen, und zwar inclusive eines möglichen Albus/Scorpius-Shippings, da die beiden sich ständig umarmen, um anschließend verlegen zu gucken. Der ganze Plot ist völlig absurd und meiner Meinung nach total überfrachtet, und was mich besonders stört ist, dass die Handlung kaum in der Gegenwart stattfindet. Die Figuren springen in der Zeit herum, um einige Schlüsselszenen aus den ersten sieben Büchern zu besuchen. Dadurch ändert sich letztendlich auch etwas an der Geschichte der ersten sieben Büchern, zumindest ergibt sich eine neue Sichtweise, die ich eigentlich nicht will. Für mich habe ich daher entschieden, da JKR auch nicht die Autorin ist, dass ich das Buch als Fan Fiction und nicht als Canon betrachte.
Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass die Autoren des Scripts die Bücher nicht gelesen haben, sondern ihr Wissen ausschließlich aus den Filmen gezogen hat, oder vielleicht auch nur aus den Trailern für die Filme. Es stören mich auch Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die ersten sieben Bücher, insbesondere was den Time-Turner angeht, und ich kann nicht verstehen, dass Joanne K. Rowling das so freigegeben hat. Es hat ja aber offenbar ihren Segen und sie war ja auch an der Produktion des Theaterstücks eng beteiligt. Ich verstehe es nicht so ganz.
Insgesamt fand ich das Buch, auch wenn ich es innerhalb von drei Stunden verschlungen habe, eher enttäuschend. Ich wollte eigentlich einfach noch mal ein bisschen Zeit in Hogwarts verbringen und es Stückchen des Zaubers damals noch mal erleben und vielleicht mal gucken, was die Figuren jetzt machen. Über die Figuren an sich erfährt man nicht viel Neues als das, was JKR eh schon häppchenweise veröffentlich hat. Die Stimmung war das ganze Buch über eher negativ, ich fand das Ganze überladen mit Problemen und Konflikten. Es fehlen den Autoren der Wortwitz und Humor und die Wortspiele, die ich bei Joanne K. Rowling immer gemocht habe. Die bekannten Figuren reden und verhalten sich nicht so, wie man es kennt.
Ich würde mir das Stück angucken, wenn ich die Möglichkeit hätte. Ganz einfach, weil ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, wie sie das auf einer Bühne umsetzen wollen. Die Handlung besteht aus vielen kurzen Szenen mit ständig wechselnden Bühnenbildern und ich würde gerne mal sehen, wie sie das umgesetzt habe. Auch kann ich mir vorstellen, dass das Ganze gespielt einfach noch mal anders herüber kommt.
Ich geb mal 5 von 10 Schokoladenfröschen, was erstaunlicherweise 5 von 10 Eulen entspricht.
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