Kurzbeschreibung:
Der Enkel Gert Hofmann geht als Kind jeden Tag mit dem Großvater ins Kino (23 Sitzplätze, viele Stehplätze), wenn der zum Stummfilm erzählt und Klavier spielt. »Aufpassen und nicht schlafen jetzt, wir kommen an eine sehr schöne Stelle!« ruft er in den unruhigen Zuschauerraum und bringt, sein Bambusstöckchen in der Hand, den Leuten die Romanze auf der »Hintertreppe« zwischen Fritz Kortner und Henny Porten nahe. Dabei fühlt er sich als Künstler und zu Höherem berufen. Dann kommt der erste Tonfilm nach Limbach. Der Kinobesitzer hofft, mit den sprechenden Bildern mehr Zuschauer ins Kino zu locken. Der Film und der Kinoerzähler sind von da an Feinde: je lauter der eine tönt, desto weniger darf der andere sagen. Bis sich die Nazis in Limbach breitmachen: da hofft der Großvater, daß »die Bewegung« den deutschen Stummfilm zu ihrer Sache macht...
Über den Autor:
Gert Hofmann wurde 1931 in Limbach / Sachsen geboren. Nach dem Studium in Leipzig und Freiburg lehrte er an mehreren Universitäten im Ausland Literaturwissenschaft, bis er sich als freier Autor in Erding bei München niederließ. Sein Werk wurde unter anderem mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis und zuletzt mit dem Literaturpreis der Landeshauptstadt München ausgezeichnet. Vier Wochen nach Abgabe des Manuskripts für seinen letzten Roman "Die kleine Stechardin" starb Gert Hofmann 1993 in Erding.
Meine Meinung:
Bei Gert Hofmanns Großvater Karl ist der Beruf zugleich Berufung. Der Kinoerzähler von Limbach (Sachsen) lebt und liebt seine Arbeit. Mit Herz und Leidenschaft erzählt er den - leider zunehmend weniger werdenden - Kinobesuchern die Geschichten zu den bewegten Bildern, die sie vom Alltag ablenken. Dieser offensichtlich autobiographische Roman setzt jenem Karl Hofmann und mit ihm auch allen Kinoerzählern ihrer Zeit ein Denkmal. Einst waren sie als Sinnbild der Unterhaltungskunst geachtete Leute, bis sie von der Technik (in diesem Fall dem Tonfilm) gnadenlos ersetzt wurden. Während Karl Hofmann mit seiner Entlassung seinen eigenen Untergang erlebt, steuert die Welt um ihn herum auf einen noch viel schrecklicheren Abgrund zu, der sie für immer verändern wird. In dem Roman findet letzteres allerdings nur am Rande statt, doch wie schon für das Schicksal des Großvaters nutzt der Enkel und Autor Gert Hofmann einzelne Szenen und Episoden, um die Atmosphäre und Ereignisse jener Zeit zu schildern. Etwas gewöhnungsbedürftig ist sein Stil, in dem sämtliche Anführungszeichen für die wörtliche Rede einfach weggelassen werden. Gut gefallen hat mir dagegen die Vielzahl von Zitaten der beteiligten Personen, die in den Erzählfluss eingebaut ein persönlich-familiäres Bild des Großvaters entstehen lassen, von dem man sonst leider - abgesehen von seiner Liebe zum Film - nicht viel erfährt. Ihm und noch mehr den anderen Figuren hätte etwas mehr Tiefe gut getan. Dafür macht Hofmann durch seinen Protagonisten, den Kinoerzähler, neugierig auf die Filme der 1920er und 1930er Jahre. Und damit hat der Kinoerzähler ja vielleicht auch sein Werk getan.
7 Punkte von mir.