Jonas Karlsson - Das Zimmer

  • Titel: Das Zimmer
    OT: Rummet
    Autor: Jonas Karlsson
    Übersetzt aus dem Schwedischen von Paul Berf
    Verlag: Luchterhand
    Erschienen: April 2016
    Seitenzahl: 172
    ISBN-10: 3630874606
    ISBN-13: 978-3630874609
    Preis: 17.99 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Von unausstehlichen Kollegen umgeben, in ein Großraumbüro gepresst, kann Björn sein Glück kaum fassen, als er eines Tages ein kleines, geheimes Zimmer entdeckt. Ein Büro nur für sich, auf demselben Stockwerk, im Flur gleich neben der Tonne für das Altpapier und dem Aufzug. Hier drinnen sind das Chaos und die Enge der Bürowabenwelt vergessen, Björn hat plötzlich Spaß an seiner Arbeit. Alles wäre gut, gäbe es da seine Kollegen nicht. Die treibt Björns bizarres Verhalten fast zur Verzweiflung. Und zu allem Übel tun sie auch noch so, als existiere dieses Zimmer überhaupt nicht.


    Der Autor:
    Jonas Karlsson, geboren 1971, lebt in Stockholm und ist einer der bekanntesten schwedischen Theater- und Filmschauspieler.


    Meine Meinung:
    Einige Kritiker haben diesen Roman im Überschwang tatsächlich als kafkaesk bezeichnet. Nur ist das absolut falsch und völlig übertrieben. Der Roman „Das Zimmer“ hat auch nicht einmal ansatzweise die Tiefe der Romane Franz Kafkas. Aber es ist ja nicht so selten, dass Literaturkritiker so oder so übers Ziel hinausschiessen – vielleicht wollen sie einfach auch nur „dezent“ auf ihre unglaubliche Belesenheit hinweisen.
    Der Roman selbst ist durchaus lesenswert und mehr eine Parabel auf das Zusammenleben im Büro und das Arbeitsleben insgesamt. Menschen strampeln sich ab, wie die Hamster im Rad, ohne dabei aber wirklich vorwärts zu kommen. Und wer da ausschert der wird misstrauisch beobachtet, ggf. auch gemobbt und generell ausgegrenzt.
    Man hat mit dem Strom zu schwimmen. Individualität wird nicht gern gesehen, man könnte ja eventuell etwas Sinnvolles bewegen. Und da wird man dann ganz schnell wieder auf seine ursprüngliche Größe zurechtgestutzt. Man mache seinen Job und halte ansonsten den Ball flach.
    Das „Andere“ ist immer verdächtig – Kollegialität fordert da man zumeist vergeblich ein.
    Jonas Karlsson hat einen ganz pfiffigen Roman geschrieben – ihn aber in eine Reihe mit Franz Kafka zu stellen ist völlig überzogen.
    Ein interessanter, ein lesenswerter Roman – aber ,man sollte nicht mit übertriebenen Erwartungen an ihn herangehen. 6 Eulenpunkte.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hallo Voltaire,


    Schön, dass du dieses Buch hier vorstellst. Ich habe es vor einiger Zeit gelesen. In der Originalsprache schwedisch ist es übrigens bereits 2009 erschienen.


    Bei mir hat das Zimmer (The Room) gemischte Gefühle hinterlassen. Daran sind sicherlich auch die Lobgesänge in der Presse und der hinkende Vergleich mit Kafka schuld.


    Klar, bei Missständen in der Bürokratie denkt man gleich an Kafkas Prozess. Die Beschreibungen dieser Missstände sind allerdings das einzige, das ‘Rummet’ mit Kafka verbindet. Ansonsten kann er dem grossen Kafka das Wasser ganz gewiss nicht reichen.


    Zugegeben, es liest sich gut, ist teilweise sogar ganz witzig, aber ein Meisterwerk nun wirklich nicht.


    Gestört haben mich vor allem auch die Dialoge, in denen deutlich die Schauspielerseite des Autors die Feder führt (bzw. die Tastatur des Computers behämmert).


    Deine 6 Eulenpunkte kann ich nachvollziehen. Mehr bekommt Karlsson von mir auch nicht.


    Das englische Cover finde ich übrigens viel passender als das deutsche.

    Gruss, Wilma

  • Ich gehöre auch zur grossen Gruppe der Büromenschen die jeden Morgen von neuem ins Hamsterrad steigt und versucht den ganz alltäglichen Bürowahnsinn zu meistern. Allerdings habe ich das grosse Glück, ein schönes 2er Büro mit grossen Fensterflächen mit einer sehr netten Kollegin zu teilen und kann so der unsäglichen Massenhaltung in einem Grossraumbüro entgehen. Mein Mitleid und meine Achtung gilt all jenen, die an sterilen und unpersönlichen Arbeitsplätzen ohne Rückzugsmöglichkeiten ihren täglichen Dienst verrichten.


    In diesem Roman haben wir es mit einer nicht näher definierten Behörde zu tun. Die Hauptfigur Björn tritt seinen neuen Job an. Vom ersten Tag an spürt er, dass er sich in dieser Käfighaltung ohne sichtbare Käfige unwohl fühlt und das dieses Gefühl auch nicht verschwinden wird. Da er ein extrem schwieriger Charakter mit vielen Ecken und Kanten ist und dazu ein sehr ordnungsliebender, ja geradezu pedantischer Mensch stösst er räumlich und und auf menschlicher Ebene rasch an eine Grenzen. Allerdings braucht Björn an seiner Arbeitsplatz keine sozialen Kontakte. Er ist sich selbst genug und hält sich allen anderen in jeglicher Hinsicht für überlegen und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sein Chef dies bemerken wird. Er pflegt seine komplett durchstrukturierten Arbeitsabläufe und seine Rituale. Eines Tages entdeckt er im Gang eine Tür und als er sie öffnet, findet er ein feines kleines Büro mit einem ordentlich aufgeräumten Arbeitsplatz. Er fühlt sich von der ersten Sekunde an wohl in diesem kleinen ruhigen Zimmer. Offensichtlich ist der Raum niemandem fest zugeteilt. Von nun an lassen die Gedanken an dieses Zimmer Björn nicht mehr in Ruhe. Immer wieder verschwindet er für ein paar Minuten in sein neu entdecktes Kabäuschen. Es wird zu seinem ganz persönlichen Zufluchtsort.


    Björns Arbeitskollegen fällt auf, dass er sich regelmässig im Flur für ein paar Minuten vor eine Wand stellt und dort regungslos verharrt. Sein merkwürdiges Verhalten wird Gesprächsstoff und er wird zum Chef für ein Krisengespräch bestellt. Es entwickelt sich eine unruhige Diskussion ob dieses Zimmer existiert oder nicht. Björn beschuldigt seine Kollegen des Mobbings lässt sich aber darauf ein den mysteriöse Raum nicht mehr zu erwähnen und zu betreten. Der innere Drang nach diesem Zimmer wird irgendwann übermächtig so dass er nun Nachts und am Wochenende heimlich arbeiten in seinem kleinen neugewonnen Refugium erledigt.


    Das ein unsympathischer Egomane die einzige Hauptfigur in einem knapp 170 Seiten kurzen Roman ist, ist höchst ungewöhnlich. Trotzdem schafft es der Autor Jonas Karlsson mich an die groteske Geschichte zu fesseln. Die Frage ob dieses Zimmer nun real existiert oder bloss eine Wahnvorstellung von Björn ist wird zum allgegenwärtigen Thema. Ja oder Nein? Ja oder Nein? Ach, es ist eine Krux mit diesen Schriftstellern …


    Der Roman überzeugt mich wegen seiner Schlichtheit. Die Sprache ist einfach und jedermann kann der Handlung problemlos folgen und selbst sein Urteil über Björn fällen. Mit meinen Urteil bzw. der Bewertung zum Buch tue ich mich genauso schwer wie mit der Frage nach der Existenz des Zimmers. Ist das nun eine geniale Parabel auf den tagtäglichen Bürowahnsinn oder ein banaler Roman über die moderne Arbeitswelt? Jeder Leser muss für sich selbst seine Entscheidung fällen und ich kann jede Wertung zwischen fünf und zehn Eulenpunkten verstehen. Der Volksmund sagt, dass Genie und Wahnsinn nahe beieinander liegen und nun musste ich mit diesem Buch lernen, dass Genialität und Banalität auch nicht weit voneinander entfernt sind. Wertung: 8 Eulenpunkte