Hier kann zu den Seiten 375 - 441 (Kapitel 34 - 42) geschrieben werden.
'Jeder stirbt für sich allein' - Seiten 375 - 441
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Puh, da sind die Quangels noch einmal davon gekommen.
Leider verhalten sie sich wie viele "Verbrecher": Sie werden unvorsichtig, was natürlich brandgefährlich ist.
Die Überschrift des dritten Teiles deutet es ja an, dass sich die Schlinge langsam zuzieht.Großen Spaß macht mir beim Lesen, dass die Gestapo sich selbst immer wieder überlistet. Zott sucht also zunächst unter den Straßenbahnern, nur um Recht zu behalten. Fallada legt wirklich den Finger tief in die Wunde der menschlichen Eitelkeit.
Erschreckt hat mich die Brutalität Escherich gegenüber. Dass gerade so ein vergleichsweise unbedeutender Fall für ihn zum Verhängnis wird, das sagt schon eine Menge aus.
Auch hier sind es nur persönliche Beweggründe, die zu der Festnahme führen. Von Sachlichkeit wird gar nicht gesprochen. Macht und Machtausübung ist reine Willkür.Eine Gänsehaut bekam ich, als ich den Werdegang der Persickes gelesen habe. Besonders die Tochter, die jetzt als Aufseherin im KZ arbeitet, verursacht mir Übelkeit. Ich habe shcon oft darüber nachgedacht, wer diese Menschen wohl waren und was sie veranlasst haben könnte, in einem KZ zu arbeiten.
Wenn ich das Buch so lese, kommen eine Menge Leute dafür in Frage. Das stimmt mich doch sehr nachdenklich. -
Jetzt, da ich das Buch zum zweiten Mal lese, wirkt es auf mich etwas konstruiert. Einmal die Zufallsbegegnungen von Quangel und Trudel und von Hergesell und Grigoleit. Und zum anderen Annas Bruder Ulrich, er taucht nach Jahrzehnten wieder auf und hat für die Handlung keinen weiteren Sinn.
Was ich in Romanen sonst überhaupt nicht mag, stört mich hier gar nicht. Es dient, wie Fallada im Vorwort schreibt, der "inneren Wahrheit". Er wollte möglichst viele Bevölkerungsgruppen und Situationen einbeziehen. Deshalb der gläubige Christ Ulrich, deshalb die Begegnungen, die zeigen, dass das Leben nicht vorherberechenbar ist, dass sich Keile zwischen Bekannte, Freunde und sogar Ehepaare geschoben haben, dass man sehr leicht Fehler machen konnte, zu wenig oder zu viel denunzieren.
Auch Escherich hat sich gründlich verrechnet. Man darf nicht zu gescheit sein, das mögen die Vorgesetzten nicht.Spätestens jetzt ist klar, dass man sich in diesem Deutschland nicht neutral verhalten kann. Hergesells spüren in Erkner, dass Nichtdafürsein schon verdächtig macht und Grigoleit sagt deutlich: wer nichts tut, wer duldet, dass andere getötet werden, macht sich schuldig.
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Zitat
Original von Regenfisch
Puh, da sind die Quangels noch einmal davon gekommen.
Leider verhalten sie sich wie viele "Verbrecher": Sie werden unvorsichtig, was natürlich brandgefährlich ist.
Die Überschrift des dritten Teiles deutet es ja an, dass sich die Schlinge langsam zuzieht.
Die sind in einer ziemlich aussichtslosen Situation. Weitermachen ist riskant, aber aufhören ist auffällig. Mir würde hier, glaube ich, auch keine Lösung einfallen.Ich konnte es nicht nachvollziehen, dass Quangel Trudel in die Sache mit hineinzieht. Warum beauftragt er sie, die Karte an einem geeigneten Platz abzulegen? Warum sagt er nicht, sie soll sie in einem unbeobachteten Moment vernichten, wenn es schon zu gefährlich war, sie zurückzugeben. Fehlt ihm hier die geistige Flexibilität?
ZitatOriginal von Regenfisch
Großen Spaß macht mir beim Lesen, dass die Gestapo sich selbst immer wieder überlistet. Zott sucht also zunächst unter den Straßenbahnern, nur um Recht zu behalten. Fallada legt wirklich den Finger tief in die Wunde der menschlichen Eitelkeit.
Das war schon irgendwie komisch. Aber es sind wohl auch Animositäten zwischen Gestapo und Polizei, wodurch sie sich gegenseitig behindern.ZitatOriginal von Regenfisch
Erschreckt hat mich die Brutalität Escherich gegenüber. Dass gerade so ein vergleichsweise unbedeutender Fall für ihn zum Verhängnis wird, das sagt schon eine Menge aus.
Auch hier sind es nur persönliche Beweggründe, die zu der Festnahme führen. Von Sachlichkeit wird gar nicht gesprochen. Macht und Machtausübung ist reine Willkür.
Das führt auch innerhalb der Behörden zu Angst und Misstrauen. Auch Escherichs Nachfolger Zott hat das bemerkt. Dennoch neigt auch er zu Selbstüberschätzung. -
Dazu kommen dann noch persönliche Rivalitäten und Konkurrenz.
Schlimm für Escherich, dass er dann gleich persönlich in die Mangel genommen wird. Man hätte ihn ja einfach nur strafversetzen können.
Das zeigt auch, wie irrsinnig das ganze System war. -
Und keiner konnte sich sicher sein. Nah an der Macht war genauso gefährlich wie weit entfernt zu sein. Nur angepasstes Verhalten wird belohnt. Optimale Bedingungen für uns Deutsche, wir sind ja berühmt für unser Pflichtbewusstsein und unsere Gesetzestreue.
Bei jedem der Romanfiguren ist aber auch eine Art von Arroganz zu spüren. Ganz oft heißt es sinngemäß "Lass mich nur machen, ich zeige Dir wie es geht.". Auch Otto Quangel ist ja übermäßig von sich überzeugt. Ist das nur eine Besonderheit im Buch oder entspricht das etwa dem Zeitgeist?
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Ganz häufig findet man das noch extrem patriarchalische Denken. Der Mann kann alles und weiß alles. Frauen sind eindeutig das schwache Geschlecht. Seltene Ausnahmen zeigen das nur umso krasser.
Ich denke mir, dieses Gefühl, alles am besten selber zu machen, kommt auch von der Vereinzelung der Menschen. Wenn jeder Angst vor seinen Mitmenschen hat, macht sie oder er auch möglichst viel selbst
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Zitat
Original von xexos
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Bei jedem der Romanfiguren ist aber auch eine Art von Arroganz zu spüren. Ganz oft heißt es sinngemäß "Lass mich nur machen, ich zeige Dir wie es geht.". Auch Otto Quangel ist ja übermäßig von sich überzeugt. Ist das nur eine Besonderheit im Buch oder entspricht das etwa dem Zeitgeist?
Ja, er ist von sich überzeugt. Er will allerdings auch Anna schützen. So habe ich seine Haltung auch interpretiert. -
So viel Gewalt liegt echt jenseits von allem, was ich mir vorstellen kann oder will. Eine schreckliche Zeit. Soviel Einsamkeit und Angst.
Mit der Aussage, dass Nichtstun Mitschuld bedeutet, habe ich aber so meine Probleme.Gilt das auch für Menschen, die nicht im Widerstand aktiv sind, aber im Geheimen Mitmenschen helfen, sie verstecken oder versorgen, obwohl sie selbst wenig haben? Schuld impliziert falsche Taten. Handelt man falsch, wenn man keinen Kampf aufnimmt, den man eh für aussichtslos hält und durch den man sein Umfeld, seine Kinder gefährdet?
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Zitat
Original von Ellemir
Mit der Aussage, dass Nichtstun Mitschuld bedeutet, habe ich aber so meine Probleme.Gilt das auch für Menschen, die nicht im Widerstand aktiv sind, aber im Geheimen Mitmenschen helfen, sie verstecken oder versorgen, obwohl sie selbst wenig haben?
Aber das ist doch auch Widerstand! Und was für einer! Ich finde, sogar nur einmal wegschauen und nicht denunzieren ist auch eine Form von Widerstand.ZitatOriginal von Ellemir
Schuld impliziert falsche Taten.
Für mich kann auch Nichtstun Schuld sein. Deswegen ist es unmöglich, niemals schuldig zu werden.ZitatOriginal von Ellemir
Handelt man falsch, wenn man keinen Kampf aufnimmt, den man eh für aussichtslos hält und durch den man sein Umfeld, seine Kinder gefährdet?
Es ist eben selten im Leben so einfach zwischen richtig und falsch zu entscheiden. Eine einzige Tat kann gleichzeitig richtig und falsch sein. -
Klar ist das auch Widerstand, ich hatte mit dem Begriff jetzt organisierte Gruppen gemeint.
Ich finde es schwer zu fassen, dass man mit einer Tat gleichzeitig richtig Handeln und doch Schuld auf sich laden kann. Könnte allerdings daran liegen, ich in meiner Jugend stark gegen die Vorstellung angekämpft habe, an etwas mitschuldig zu sein, was lange vor meiner Geburt geschah, nur weil ich in Deutschland geboren bin.
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Zitat
Original von made
Ich finde, sogar nur einmal wegschauen und nicht denunzieren ist auch eine Form von Widerstand.
Sehe ich auch so. Die Nazis haben das ja sogar schwer bestraft.ZitatOriginal von made
Für mich kann auch Nichtstun Schuld sein. Deswegen ist es unmöglich, niemals schuldig zu werden.
Ähnlich wie "Man kann nicht Nichtkommunizieren". -
Zitat
Original von Ellemir
Könnte allerdings daran liegen, ich in meiner Jugend stark gegen die Vorstellung angekämpft habe, an etwas mitschuldig zu sein, was lange vor meiner Geburt geschah, nur weil ich in Deutschland geboren bin.
Das habe ich auch nie explizit angenommen. Implizit haben wir dies aber wahrscheinlich alle in irgendeiner Weise mindestens bei Auslandsreisen verinnerlicht. -
Hat nicht mal jemand gesagt, wir haben keine Schuld an den NS-Verbrechen, aber eine besondere Verantwortung, dass es nicht wieder passiert.
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Ja, aber dem stimme ich eigentlich nicht zu. Womit sollte begründet sein, dass wir diese Verantwortung besonders haben - die hat jeder Mensch meiner Meinung nach im gleichen Maße.
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Das eine ist die logische, das andere die emotionale Sicht.
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Vielleicht tragen wir doch alle irgendwie unsere Vorfahren in uns, biologisch, psychisch und kulturell. Deshalb fällt es uns schwer, uns von ihnen abzugrenzen. Ahnenforschung boomt ja geradezu. Anscheinend ist es für uns wichtig zu wissen, wo wir herkommen.
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Nicht nur vielleicht, sondern ganz sicher. Wikipedia beschreibt es so:
Sozialisation (lateinisch sociare ‚verbinden‘) wird im einflussreichen "Handbuch der Sozialisationsforschung" von Klaus Hurrelmann und Kolleginnen und Kollegen definiert als "Prozess, durch den in wechselseitiger Interdependenz zwischen der biopsychischen Grundstruktur individueller Akteure und ihrer sozialen und physischen Umwelt relativ dauerhafte Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsdispositionen entstehen".
Sozialisation ist demnach die Anpassung an gesellschaftliche Denk- und Gefühlsmuster durch Internalisation (Verinnerlichung) von sozialen Normen. Sozialisation ist ein sozialwissenschaftlicher Begriff. Er bezeichnet zum einen die Entwicklung der Persönlichkeit aufgrund ihrer Interaktion mit einer spezifischen, materiellen und sozialen Umwelt, zum anderen die sozialen Bindungen von Individuen, die sich im Zuge sozialisatorischer Beziehungen konstituieren. Sie umfasst sowohl die absichtsvollen und planvollen Maßnahmen (Erziehung), als auch die unabsichtlichen Einwirkungen auf die Persönlichkeit.
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Ich bin mir ganz sicher, dass ich nicht Schuld bin an dem, was damals passiert ist und ich nehme die Schuld auch nicht an. Ich habe damals nicht gelebt und hätte da bestimmt auch nicht mit gemischt. Ob ich auffällig oder unauffällig gewesen wäre, weiß ich nicht. Ich kann zwar ein wenig nachvollziehen, wie es damals war, aber wenn man nicht in der Situation ist, kann man schnell mal sagen, dass man Widerstand geleistet hätte. Ich bin auch der Meinung, dass wir heute alles machen müssen um zu verhindern, dass es noch mal so wird.
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Wirklich heftig, der Absturz von Escherich! Ein falscher Gedanke, der ja eigendlich auch noch richtig ist und PENG, selbstständig denken ist eben nicht erwünscht.
Erstaunlich finde ich überhaupt den Aufwand, der betrieben wird, um den "Klabautermann" zu fassen, von daher sind die Karten vielleicht gar nicht so sinnlos, wie es auf den ersten Blick scheint, zumindest beschäftigen sie die Gestapo.
ZitatOriginal von Regenfisch
Eine Gänsehaut bekam ich, als ich den Werdegang der Persickes gelesen habe. Besonders die Tochter, die jetzt als Aufseherin im KZ arbeitet, verursacht mir Übelkeit. Ich habe shcon oft darüber nachgedacht, wer diese Menschen wohl waren und was sie veranlasst haben könnte, in einem KZ zu arbeiten.
Wenn ich das Buch so lese, kommen eine Menge Leute dafür in Frage. Das stimmt mich doch sehr nachdenklich.