'Jeder stirbt für sich allein' - Seiten 591 - 668

  • In diesem Abschnitt habe ich für beide nur den Wunsch gehabt, dass es schnell vorbei geht.
    Auch hier zeigt Fallada wieder die Bandbreite der Menschen.


    Trotz des aufwühlenden Inhaltes ein wichtiges Buch. Ich bin froh, es gelesen und durch euch entdeckt zu haben.


    Mein persönliches Fazit:
    Ich finde den Titel so passend, ein Lebensmotto. Am Ende muss man nur vor sich (und wie ich persönlich glaube vor Gott) gerade stehen. Lebe jeden Tag so, dass du in Frieden sterben kannst oder dir selbst ins Gesicht sehen kannst.
    Anna und Otto sind da ein Vorbild.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Der Präsident des Volksgerichtshofs Feisler ist sicher eine Anspielung auf den realen Freisler.
    Fallada beschreibt nicht nur, er nennt es beim Namen, dass der Richter höchst parteiisch ist und als Ankläger auftritt. Ist es wirklich unvoreingenommen, wenn er schreibt "Feisler, für jeden unvoreingenommenen Beobachter mit einem bösartigen Bluthund zu vergleichen"? Den Ankläger nennt er einen kläffenden Pinscher. Hat der überhaupt einen richtigen Namen?


    Der Prozess enthält jede Menge skurrile Züge, ein kläffender Pinscher (ich stelle mir seine Art zu sprechen vor: waff, waff, spuck), ein Angeklagter, der seine Hose festhalten muss, die schlagfertige Anna mit ihren 87 Geliebten, der Bübchen-drück-mich-Verein, ein hitziger Disput über eine Schrift Ciceros, ein Zeuge, der auf die Bank steigt, um loszufliegen, ein Linksanwalt, der seine Fingernägel poliert. Selbst Quangel empfindet die Komik der Situation.


    Wieder einmal ist Fromm völlig unerwartet zur Stelle. Unglaublich, was der Besitz der Blausäure bewirkt: Quangel fühlt sich frei. Er geht ihm so gut, wie schon lange nicht mehr. Ihm kann nichts mehr geschehen. Anna reagiert völlig anders. Sie ist erst frei, als sie das Glasröhrchen vernichtet hat.

  • Was hätte aus Anna in anderen Lebensumständen werden können! Aber so war es sicher bei sehr vielen Menschen.
    Ich frage mich, was passiert wäre, wenn einer der beiden die Blausäure benutzt hätte. Wäre die Todesursache bekannt geworden? Hätte man nicht den anderen Ehepartner durchsucht. Wäre Fromm nicht in Verdacht geraten?


    Die Beschreibung im Totenhaus geht auch unter die Haut. Woher weiß Fallada, wie sich die Todeskandidaten fühlen?


    Im Nachwort steht, das Ehepaar Hampel, reales Vorbild für die Quangels, hätten sich im Prozess gegenseitig beschuldigt, um sich zu retten. Was also in Wirklichkeit passierte, versuchte im Roman Feisler vergeblich zu erreichen, den Verlust der Würde.
    Dennoch bleiben ihre Taten und Beweggründe. Dass sie am Ende schwach wurden, kann ihnen niemand verdenken. Vielleicht hatten sie auch keinen Fromm, Reichardt und guten Pastor als Unterstützung.

  • Ich glaube, man kann gar nicht ermessen, was eine lange Haft unter solchen Bedingungen mit einem Menschen macht. So viele zerbrechen daran und wer darf ihnen daraus einen Vorwurf machen?


    Mir gefällt am besten an diesem Buch, dass es keine Helden gibt. Alle, auch die "Guten" haben Fehler und Schwächen. Die meisten "Bösen" sind auch nicht nur böse, haben auch menschliche Seiten.
    Ich habe es jetzt zum zweiten Mal gelesen und war wieder sehr berührt von der Intensität dieses Buchs.

  • Zitat

    Original von made
    ...
    Die Beschreibung im Totenhaus geht auch unter die Haut. Woher weiß Fallada, wie sich die Todeskandidaten fühlen?
    ...


    Ich denke nicht, dass er es weiß. Er stellt sich das wahrscheinlich so vor.


    Zitat

    Original von made
    ...
    Im Nachwort steht, das Ehepaar Hampel, reales Vorbild für die Quangels, hätten sich im Prozess gegenseitig beschuldigt, um sich zu retten. Was also in Wirklichkeit passierte, versuchte im Roman Feisler vergeblich zu erreichen, den Verlust der Würde.
    Dennoch bleiben ihre Taten und Beweggründe. Dass sie am Ende schwach wurden, kann ihnen niemand verdenken. Vielleicht hatten sie auch keinen Fromm, Reichardt und guten Pastor als Unterstützung.


    In Wikipedia steht, dass die beiden verraten wurden. Warum Fallada sich dazu entschieden hat, Otto die Karten verlieren zu lassen?


    Diesen Artikel habe ich gefunden.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Regenfisch ()

  • Ich persönlich hatte den Eindruck, dass Fallada die Geschichte der Quangels/Hampels nicht nur einfach erzählen wollte, sondern ihnen ein Denkmal setzen wollte. Hierzu gehört auch, dass nicht der Staat für ihr Entdecken verantwortlich ist, nicht die Ermittler cleverer waren oder Verräter sie entlarven konnten, sondern nur sie selbst. Es ist auch ein Hinweis auf die Machtlosigkeit "der kleinen Leute" gegen diesen Machtapparat.

  • Zitat

    Original von Saiya
    Ich persönlich hatte den Eindruck, dass Fallada die Geschichte der Quangels/Hampels nicht nur einfach erzählen wollte, sondern ihnen ein Denkmal setzen wollte. Hierzu gehört auch, dass nicht der Staat für ihr Entdecken verantwortlich ist, nicht die Ermittler cleverer waren oder Verräter sie entlarven konnten, sondern nur sie selbst. Es ist auch ein Hinweis auf die Machtlosigkeit "der kleinen Leute" gegen diesen Machtapparat.


    :gruebel Naja, ich finde es tragisch, dass nur eine Denunziantin die echten Quangels überführen konnte. Im Buch kommt es etwas tollpatschig rüber.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von made
    Regenfisch, der Artikel ist sehr interessant.


    Am Ende steht, ihr Haus wurde ein halbes Jahr später bei einem Fliegerangriff zerstört. Womöglich wären sie spätestens dann gestorben. Dann aber ganz und gar sinnlos.


    Ja, wahrscheinlich. :knuddel1

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Regenfisch


    :gruebel Naja, ich finde es tragisch, dass nur eine Denunziantin die echten Quangels überführen konnte. Im Buch kommt es etwas tollpatschig rüber.


    Ich finde das authentisch. Sie sind ja keine "Profis".

  • Ich nehme an, Fallada hat dieses Ende auch deshalb gewählt, weil er so die Gelegenheit hatte, in Person des Dr. Reichhardt noch einiges zur Motivation zu Widerstandshandlungen einzubringen, die anderen sinnlos erscheinen.
    Quangels alleine hätten so etwas ja niemals glaubwürdig äußern können.


    Da ist ein Autor schließlich frei, sich das vom historischen Stoff zu nehme, was ihm in die beabsichtigte Aussage passt.

  • Obwohl ich es vom Verstand her weiß, ist es für mich so schwer nachzuvollziehen, wie sehr der Mensch am Leben hängt. Was er alles Unmenschliches aushalten kann und dennoch immer weiter leben will.
    Dieser Überlebensinstinkt ist wohl ein Erfolgsrezept der Evolution. Wie würde die Welt ohne ihn aussehen?

  • Zitat

    Original von Regenfisch


    Mein persönliches Fazit:
    Ich finde den Titel so passend, ein Lebensmotto. Am Ende muss man nur vor sich (und wie ich persönlich glaube vor Gott) gerade stehen. Lebe jeden Tag so, dass du in Frieden sterben kannst oder dir selbst ins Gesicht sehen kannst.
    Anna und Otto sind da ein Vorbild.


    :write
    Da sollten sich mehr Leute dran halten. Ich versuche immer das zu tun, was mir richtig erscheint.


    Ich bin froh, dass ich das Buch gehört und nicht gelesen habe. Es wäre mir wohl zu intensiv gewesen. Trotz allem mag ich die Sprache von Fallada sehr und werde bestimmt bald ein weiteres Buch von ihm lesen oder hören. Irgend eins habe ich hier noch stehen.

  • Zitat

    Original von made
    Was hätte aus Anna in anderen Lebensumständen werden können! Aber so war es sicher bei sehr vielen Menschen.
    Ich frage mich, was passiert wäre, wenn einer der beiden die Blausäure benutzt hätte. Wäre die Todesursache bekannt geworden? Hätte man nicht den anderen Ehepartner durchsucht. Wäre Fromm nicht in Verdacht geraten?


    Die Beschreibung im Totenhaus geht auch unter die Haut. Woher weiß Fallada, wie sich die Todeskandidaten fühlen?


    Im Nachwort steht, das Ehepaar Hampel, reales Vorbild für die Quangels, hätten sich im Prozess gegenseitig beschuldigt, um sich zu retten. Was also in Wirklichkeit passierte, versuchte im Roman Feisler vergeblich zu erreichen, den Verlust der Würde.
    Dennoch bleiben ihre Taten und Beweggründe. Dass sie am Ende schwach wurden, kann ihnen niemand verdenken. Vielleicht hatten sie auch keinen Fromm, Reichardt und guten Pastor als Unterstützung.


    Hätte einer das Röhrchen zerbissen, wäre sicherlich er andere durchsucht worden.
    Die Todesursache wäre sicherlich geheimgehalten worden.


    Fallada hat ja selbst schon im Gefängnis gesessen.. Vielleicht hat er dort gar zum Tode verurteilte getroffen.


    Im Buch auf Seite 680 steht, beide Hampels sind am 8.4.43 hingerichtet worden. Anna Quangel starb im Roman durch einen Bombenangriff.


    Das Buch ist wirklich hart.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein



  • Aus dem Artikel wiederum gibt es auch einige Parallelen zum Buch. Kriminalrat Zott hatte Recht, Otto war auch früher beim Verkehrsbetrieb tätig. Es gab zwar kein Ottochen ab einen Bruder Karl.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Zitat

    Original von Lesebiene
    Im Buch auf Seite 680 steht, beide Hampels sind am 8.4.43 hingerichtet worden. Anna Quangel starb im Roman durch einen Bombenangriff.


    Das Buch ist wirklich hart.


    Im Buch war Anna immerhin bis zuletzt der Überzeugung, sie und Otto würden den Krieg überleben.