Juli Zeh - Unterleuten

  • ungekürzte Lesung
    18:09 Stunden (die gekürzte Fassung hat 15:22 Stunden)
    Sprecherin: Helene Grass
    Hörprobe bei audible *klick*


    Homepage zum Buch mit Rundgang durch Unterleuten http://www.unterleuten.de/


    Zur Autorin (vom Verlag)
    Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, Jurastudium in Passau und Leipzig, Studium des Europa- und Völkerrechts, Promotion. Längere Aufenthalte in New York und Krakau. Schon ihr Debütroman „Adler und Engel” (2001) wurde zu einem Welterfolg, inzwischen sind ihre Romane in 35 Sprachen übersetzt. Juli Zeh wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Rauriser Literaturpreis (2002), dem Hölderlin-Förderpreis (2003), dem Ernst-Toller-Preis (2003), dem Carl-Amery-Literaturpreis (2009), dem Thomas-Mann-Preis (2013) und dem Hildegard-von-Bingen-Preis (2015).


    Zum Inhalt (vom Verlag)
    Manchmal kann die Idylle auch die Hölle sein. Wie das Dorf "Unterleuten" irgendwo in Brandenburg. Wer nur einen flüchtigen Blick auf das Dorf wirft, ist bezaubert von den altertümlichen Namen der Nachbargemeinden, von den schrulligen Originalen, die den Ort nach der Wende prägen, von der unberührten Natur mit den seltenen Vogelarten, von den kleinen Häusern, die sich Stadtflüchtlinge aus Berlin gerne kaufen, um sich den Traum von einem unschuldigen und unverdorbenen Leben außerhalb der Hauptstadthektik zu erfüllen. Doch als eine Investmentfirma einen Windpark in unmittelbarer Nähe der Ortschaft errichten will, brechen Streitigkeiten wieder auf, die lange Zeit unterdrückt wurden. Denn da ist nicht nur der Gegensatz zwischen den neu zugezogenen Berliner Aussteigern, die mit großstädtischer Selbstgerechtigkeit und Arroganz und wenig Sensibilität in sämtliche Fettnäpfchen der Provinz treten. Da ist auch der nach wie vor untergründig schwelende Konflikt zwischen Wendegewinnern und Wendeverlierern. Kein Wunder, dass im Dorf schon bald die Hölle los ist …


    Zur Sprecherin (vom Verlag)
    Helene Grass, geboren 1974, hatte nach ihrer Schauspielausbildung an der Otto Falckenberg Schule die ersten Engagements an Theater in München, Braunschweig und Zürich. Sie ist immer wieder um Kino ("3/4", "Bach in Brazil") und im TV ("Rentnercops" und "Polizeiruf 110") zu sehen. Außerdem spricht sie regemäßig in Hörspiel- und Hörbuchproduktionen.


    Meine Meinung
    Juli Zehs neustes Buch „Unterleuten“ zeigt viele Facetten des Lebens in einem kleinen Dorf, das sich sogar Neuankömmlingen nicht lange als verschworene Gemeinschaft zeigt. Der Luchterhand Verlag bewirbt es als „großen Gesellschaftsroman über die wichtigen Fragen unserer Zeit“, mit der Frage „Gibt es im 21. Jahrhundert noch eine Moral jenseits des Eigeninteresses?“ Diese Beschreibung ist sehr treffend und beschreibt doch nur einen Teil des sehr facettenreichen Romans.


    Unterleuten ist ein sehr spezielles Dorf, das irgendwo in Brandenburg liegt und dessen knapp 100 Einwohner seit Jahrzehnten versuchen den Widrigkeiten der Politik und der Wirtschaft zu trotzen. Es gibt alte und nie vergessene Feindschaften, die einen tiefen Graben durch das Dorf ziehen und denen sich auch die so idealistischen wie arroganten Neuankömmlinge aus Berlin nicht entziehen können. Mit jedem neuen Kapitel wechselt auch die Perspektive, sodass jede der Hauptfiguren immer wieder selbst zu Wort kommt, die Leser oft mehr wissen als die meisten Figuren und die Handlung schnell an Tiefe gewinnt, vor allem wenn die gleiche Szene aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Jedem Kapitel vorangestellt ist ein Zitat der jetzt zu Wort kommenden Figur, eine originelle Idee.


    Schnell wird klar, dass schon lange kaum jemand wirklich glücklich ist in Unterleuten und als dann auch noch ein fremder Investor aus dem Westen quasi auf der Durchreise Land erwirbt, auf dem er einen Windpark errichten möchte, brechen schwelende Wunden wieder auf und es bilden sich deutlich sichtbare Fronten, hinter denen lieber über die Anderen geredet wird statt mit ihnen. Es dauerte nicht lange, bis ich gefesselt war von der Handlung und den Figuren, Juli Zehs Gabe, Menschen zu beobachten und knapp die treffenden Worte zu finden, ohne je in Klischees abzugleiten.


    „Unterleuten“ ist ein böses Buch, dessen Figuren alle scharfe Ecken und Kanten haben, von denen manche einem zum Ende hin fast ans Herz gewachsen sind, weil man ihre Motive verstehen kann, ihre Hoffnungen und allzu oft enttäuschten Träume. Andere bleiben eher fremd, jedoch nie blass - wie im wirklichen Leben. Eine der zentralen Figuren namens Krohn beschreibt sich selbst als ein Mensch, im dem mehrere Krohns unterschiedlichen Alters wohnen und ihre entsprechend unterschiedlichen Meinungen vertreten. Zahlreiche mehr oder minder gut versteckte Seitenhiebe auf aktuelle „Werte“ und Modeerscheinungen ließen mich mal Schmunzeln, mal das Lachen im Halse steckenbleiben.


    Helene Grass war mir bisher als Sprecherin kein Begriff, versteht es geschickt, die unterschiedlichsten Stimmungen und Figuren zu transportieren und gab mir oft das Gefühl, den Figuren selbst zuzuhören.


    Fazit
    Juli Zeh ist in „Unterleuten“ gelungen, ein Buch über das „wahre Leben“ zu schreiben, ihre Figuren sind wie echte Menschen, die viel erlebt haben, das sie mit ihren Nachbarn verbindet oder dauerhaft von ihnen trennt. Ein Buch über den Wertewandel unserer Gesellschaft und den Umgang damit, das nachdenklich macht und gleichzeitig spannender als viele Krimis ist, bis hin zum so überraschenden wie passenden Ende.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.