Hausbesuche: Wie ich mit 200 Kuchen meine Nachbarschaft eroberte - Stephanie Quitterer

  • 240 Seiten


    Kurzbeschreibung


    Kennen Sie eigentlich Ihre Nachbarn?


    Stephanie Quitterer backt Tag für Tag Kuchen und klingelt an fremden Wohnungstüren. Sie wettet, dass sie endlich ihre Nachbarn kennenlernt.
    Ein ansteckendes Experiment mit 200 Kuchen und eine charmante Geschichte über Fremdwohnungssehnsucht, Nachbarschaft und Freundschaft.



    Über die Autorin


    Die Kiez-Ethnologin Stephanie Quitterer, auch Rotkapi genannt, wurde 1982 in Eggenfelden (Niederbayern) geboren. Sie lebte in Rio de Janeiro, studierte in Berlin, Kairo, München und war Regieassistentin am Deutschen Theater in Berlin. 2011 nutzte sie ihre Elternzeit, um endlich ihre Nachbarn kennenzulernen. Die Autorin lebt in Berlin.


    https://stephaquitterer.com/



    Meine Meinung


    Stephanie hat eine kleine Tochter und langweilt sich in der Elternzeit. Sie lebt in Berlin, umgeben von vielen, vielen Menschen in ihrem und in den umliegenden Häusern - doch sie kennt niemanden davon. Und so entsteht eines Tages die Idee, einfach einen Kuchen zu backen, bei den Nachbarn zu klingeln und sich samt Kuchen und Kaffee auf ein Schwätzchen einzuladen. Eigentlich ist Stephanie viel zu zurückhaltend für eine solche Aktion. Doch irgendwie lässt sie diese Idee nicht mehr los und sie stellt sich in die Küche, bäckt einen Kuchen und zieht los. Häufig erhält sie auf ihr Klingeln überhaupt keine Reaktion, oft wird sie mit den unterschiedlichsten Erklärungen abgewimmelt, doch letztendlich lernt sie auf diese Weise 200 neue Menschen kennen: davon 86 Ossis, 85 Wessis und 29 mit Migrationshintergrund.
    Überhaupt hat sie was übrig für allerlei Auflistungen und Aufzählungen zu ihren Hausbesuchen. :grin


    Stephanie ist nicht unbedingt eine begnadete Bäckerin. Von 200 gebackenen Kuchen sind 57 "verbrannt, angekokelt oder sonst irgendwie missraten". Dennoch beginnt jedes Kapitel mit einem Rezept und ein paar davon will ich mal ausprobieren.


    Im Buch erzählt sie frisch und kurzweilig von ihren Erlebnissen und den unterschiedlichen Menschen, die sie auf ihren Hausbesuchen kennenlernt. Ich fand das sehr interessant und habe mich immer wieder gefragt, ob ich sie wohl reinlassen würde und ob ich mich auch auf eine solche Hausbesuchs-Tour wagen würde. Etwas ungewöhnlich fand ich ihren Weg, so die Elternzeit zu überbrücken durchaus, aber zu lesen war es auf jeden Fall interessanter als eine Runde Krabbelgruppen- und Pekip-Kurserfahrungen. Auch habe ich mal wieder festgestellt, dass ich diese extreme Großstadtanonymität befremdlich finde, aber ich lebe ja auch in einer Kleinstadt, wo man seine Nachbarn noch kennt - und ab und zu bekommen sie auch mal ein Stück Kuchen. :lache


    Von mir gibt es 9 Punkte für einen mal ganz anderen Erfahrungsbericht.

  • Irgendwo, ich meinte es wäre in der "Emotion", habe ich auch von dem Buch und der Umsetzung dazu gelesen. Ich fand auch, es hört sich interessant an. Mal sehen, ob ich widerstehe und es auch zu mir hole.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Stephanie Quitterer hatte eine ungewöhnliche Idee, um ihre Nachbarschaft im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg näher kennenzulernen. Statt sich aber nur im eigenen Häuserblock als neue Bewohnerin vorzustellen, entwickelte sie daraus ein großes Projekt, das fast die gesamte Elternzeit dauerte. Nach der Geburt ihrer Tochter fiel der Autorin auf, dass ihre Umgebung aus vielen Vorurteilen zu bestehen schien. Ihr Mann Tom kannte nur die wenigsten Leute, obwohl er schon sein halbes Leben in der Straße verbrachte. Doch wie öffnen vollkommen fremde Leute einer jungen Mutter die Tür und erzählen obendrein noch etwas aus ihrem Leben? Ganz gefahrlos ist das auch nicht für denjenigen, der klingelt. Dazu gehört eine gewisse Überwindung, Mut und vor allem Neugier. Man erinnert sich noch an das kleine Mädchen, das mit einem Korb voll Kuchen vor der Haustür der Großmutter in Gefahr geriet. Auch heute weiß man ja nie, wer die Tür öffnet, bei der man um Einlass bittet.


    Vorurteilen begegnet man am besten mit Kuchen und so entstand das Projekt um 200 Kuchen an 200 Tagen. Um diese zu verteilen musste die Bloggerin und inzwischen Autorin 2893 mal an der Tür ihrer Nachbarn klingeln. 130 Mal wurde ihr die Tür geöffnet und die überraschendsten Geschichten erzählt. Dafür hat sie insgesamt 120 Tage benötigt und dabei 200 Menschen kennengelernt. Ihre Erfahrungen konnte man zunächst in einem Blog nachlesen und jetzt eben auch in „Hausbesuche“. Dort werden die Erfahrungsberichte mitgeteilt und vor allem Rezepte ausprobiert. Dennoch ist es kein Backbuch, sondern eher ein Porträt eines bunten Stadtviertels. Jede Wohnung ist individuell wie die Menschen. Manchen ist man sofort sympathisch, andere muss man erst genauer kennenlernen, um das Liebenswerte zu entdecken. Wieder andere wenden Tricks an, damit man auf keinen Fall hinter die Fassade blicken kann. Die vorgestellten Geschichten regen auch zum sinnieren an, wie es denn wohl in der eigenen Nachbarschaft aussieht.


    Jedes der 30 Kapitel beginnt mit einem Rezept. Während die ersten noch einfach zum Nachbacken sind, werden sie mit steigender Seitenzahl anspruchsvoller. Allerdings nie so, dass man die leckeren Stücke nicht auch mit rudimentären Kenntnissen nachbacken könnte. Süßes Gebäck öffnet offenbar die meisten Türen und reißt sogar Mauern von Vorurteilen ein. Der Erzählstil im Plauderton lässt sich angenehm lesen, sodass man viel zu schnell die letzte Seite erreicht. Der Ton ist lustig, nachdenklich, tragisch und auch hoffnungsvoll. Die Idee ist übrigens gut nachzumachen. Man kann ja klein anfangen und muss auch nicht in einer Großstadt wohnen.

  • Meine Rezension

    Stephanie lebt mit Mann und Kind in Berlin. Sie befindet sich in Elternzeit, aber es fehlt ihr aktuell an einer „Aufgabe“. So beschließt sie, ihre Nachbarschaft kennenzulernen, indem sie mit Kuchen vor deren Türen steht, um bei einem gemeinsamen Kaffee ins Gespräch zu kommen. Gleichzeitig bloggt sie auch über ihre Erfahrungen.


    Was die Sache sicher nicht einfacher macht ist die Tatsache, dass sie beileibe keine begnadete Kuchenbäckerin zu sein scheint.


    Ich bin hier ein wenig hin- und hergerissen. Gut gefallen haben mir die Rezepte zu Beginn jedes Kapitels. Die eingestreuten Anmerkungen dazu deuten auf gewisse … hmmm... Schwierigkeiten beim Kuchen backen hin * ggg* . Was mir auch gut gefallen hat, waren die eingestreuten Statistiken über den Stand ihrer Besuche.


    Ich fand es sehr interessant, die Autorin bei ihren Streifzügen zu begleiten und mit ihr hinter die Türen ihres Viertels zu gucken.


    Was mich allerdings ein wenig gestört hat – ich kann hier aber nicht beurteilen, ob es sich um das subjektive Empfinden der Autorin gehandelt hat oder ob es wirklich so war – ist ein wenig das Schubladendenken: dass sie von vornherein als Mutter in ihrem Viertel (das m.E. nach Prenzelsberg sein müsste) „verrufen“ ist, entkoffeinierter Kaffee so und so was Böses ist, um nur zwei davon zu nennen.


    Stephanies Mann Tom empfand ich ehrlich gesagt als nicht besonders sympathisch oder kooperativ. Hier dachte ich mir beim Lesen mehr als einmal, was sie wohl an ihm findet. Aber gut, ich muss ja nicht mit ihm zusammenleben.


    Nichtsdestotrotz fand ich die Lektüre spannend – was einen hinter den Türen seiner Umgebung erwartet, welche Geschichten dort erzählt werden und was ich aber auch richtig gut fand: was daraus wurde. Denn so wie es sich liest, haben Stephanie und ihre kleine Familie durch ihr Nachbarschaftsprojekt Freunde und Bekannte vor ihrer Haustüre gefunden – man kennt sich nun und unternimmt teilweise sogar etwas miteinander. Das hat mir gut gefallen.


    Bei einer Beurteilung tue ich mir hier wirklich schwer – beim Lesespaß würde ich nur 6-7 Punkte vergeben (teils sicher auch, weil ich mit der Autorin nie so wirklich warm geworden bin), für die Idee und die Umsetzung dagegen würde ich eine glatte 10 austeilen. Ich würde das Buch nicht noch einmal lesen, fand die Idee aber wirklich gut und die Lektüre empfand ich auch nicht als vertane Lesezeit.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)