Fallensteller - Sasa Stanisic

  • Fallensteller
    Sasa Stanisic


    Gebundenes Buch mit Schutzumschlag
    Luchterhand
    275 Seiten
    ISBN: 978-3-630-87471-5


    Der Autor (Verlagsangabe)


    Saša Staniši wurde 1978 in Višegrad in Bosnien-Herzegowina geboren und lebt seit 1992 in Deutschland. Sein Debutroman Wie der Soldat das Grammofon repariert begeisterte Leser und Kritik gleichermaßen und wurde in 31 Sprachen ubersetzt.


    Vor dem Fest war ein SPIEGEL-Bestseller und ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, darunter dem renommierten Alfred-Doblin-Preis sowie dem Preis der Leipziger Buchmesse 2014.
    Saša Staniši lebt und arbeitet in Hamburg.


    Inhalt und meine Meinung


    Je nachdem, wie man zählen will, enthält dieser Band acht Erzählungen oder zwölf. Es gibt – ungewöhnlich für einen Band mit Erzählungen – zwei „Fortsetzungsgeschichten“, sowie eine, die an den Roman „Vor dem Fest“ anknüpft.
    Manchmal bewegen sich die Erzählungen ganz nah am vertrauten Alltag, zeigen einen besonderen Aspekt oder eine überraschende Wendung. Gleich die erste über den alt gewordenen Ferdinand Klingenreiter, der sein Leben lang im Schatten erfolgreicher Familienmitglieder stand, und jetzt die Gelegenheit hat, vor einem desinteressierten Publikum zum ersten Mal Zauberkunststücke vorzuführen, ist eine solche Geschichte.
    Dann entführt uns Stanisic in eine fremdartige Welt, in der eigenartige Dinge geschehen. Als sei in die Realität ein Traum eingebrochen oder eine etwas überdrehte Phantasie. In „Georg Horvath ist verstimmt“ geht nicht nur Georg Horvath, auf Geschäftsreise in Brasilien, verloren, es geht ihm besonders die Sprache verloren, verirrt sich in nie gedachten Zusammenhängen und manchmal verzweifelt er fast auf der Suche nach dem richtigen Ausdruck.
    Gelegentlich greift der Autor auf Sagen oder Märchenmotive zurück, baut sie um, verfremdet sie und manchmal kommen sie ganz offensichtlich daher. „Fallensteller“ ist eine solche Erzählung und ich finde sie sehr gelungen. Allerdings habe ich „Vor dem Fest“ gelesen und frage mich, ob sie für diejenigen, die den Roman nicht gelesen haben, verständlich ist.
    Mit einigen Geschichten konnte ich gar nichts anfangen. Über Mo mit seinem (oder seiner? Erst in der letzten Erzählung habe ich einen Hinweis gefunden) namenlos gebliebenen Mitreisenden grüble ich noch immer nach und frage mich, ob genau das die Absicht des Verfassers war.
    Insgesamt habe ich mich ein wenig schwer getan mit diesem Buch. Einerseits hat mir der spielerische Umgang mit Sprache und unserer manchmal sehr sachlichen Wirklichkeit gefallen. Bei einigen Erzählungen hat aber auch zweimaliges Lesen nicht verhindert, dass ich ratlos zurückgeblieben bin.
    Freude an skurrilen Geschichten und eigenwilligen Umgang mit Sprache sollte man mitbringen, um dieses Buch zu lesen. Außerdem empfehle ich: Zeit lassen. Es ist kein Buch zum „eben mal zwischendurch lesen“.


    7 von 10 Punkten

  • Fallensteller - Sasa Stanisic


    Mein Eindruck:
    Sasa Stanisic ist ein einfallsreicher Autor, dessen Storys nicht nur pointiert sondern auch sprachlich geschickt bearbeitet sind.
    Außerdem gelingt es ihm auf kurzen Raum eindrucksvolle Bilder zu erzeugen, manchmal übergroß wie die Story mit dem russischen Billardspieler.


    Manchmal scheinen mir die Geschichten überfrachtet, das fiel mir z.B. bei der ersten Geschichte auf, die mit vielen Figuren und viel erzählerischen Aufwand auch das Zeug für einen Kurzroman gehabt hätte.


    Zu den Vergnüglichsten Abschnitten gehören die “Mo und ich”-Geschichten, die vor Wortwitz und originellen Einfällen nur so übersprudeln.
    Es empfiehlt sich, die Reihenfolge dieser Geschichten einzuhalten, da z.B. Mo in einer Story ein Gemälde entwendet und in der nächsten Geschichte hat er es immer noch im Kofferraum.
    Auch die Georg Horvath-Storys sind zusammenhängend. Ehrlich gesagt, fand ich die Horvath-Geschichten im Gegensatz zu den “Mo und ich” eher langweilig.


    Die lange Titelgeschichte “Fallensteller” hingegen hat viel Atmosphäre und Ironie, Sehr gut, ist aber trotzdem nicht ganz mein Favorit im Band!


    Stanisic erzeugt in den verschiedenen Geschichten unterschiedliche Tonfälle. Das macht er bevorzugt durch eigenwillige Erzählstimmen. Der eigenwilligste unter ihnen ist der kritische Junge aus “Im Ferienlager im Wald”. Regeln versteht er als Unfreiheit! Immerhin weiß er selbst, dass es mit ihm nicht ganz leicht ist.


    Ich schätze den überbordenen Stil von Sasa Stanisic, auch wenn ich zugeben muss, dass ich nicht in jeder Geschichte immer ganz verstehe, worauf er hinaus will.
    Nachvollziehen kann man aber die letzte Geschichte “In diesem Gewässer versinkt alles“, die von Erinnerungen an Kriegsgeschehen und dem schützenden Großvater geprägt ist. Sicher ein Höhepunkt des ganzes Bandes!

  • Mein Eindruck
    Ich wollte diesen Autor mit diesem Wanderbuch testen, ob er mir liegt.
    Das Cover gefällt mir sehr gut.
    Die Kurzgeschichten sind verschieden lang und manche Figuren spielen in den nächsten wieder mit..
    Die erste Geschichte mit Ferdinand Klingenreiter, den jeder übersieht, ist gut vorbereitet. Ein guter Aufbau, aber leider war sie besonders kurz und somit dann schnell zu Ende. Da hätte ich gerne weiter gelesen.
    Es gibt interessante und einige weniger gute Texte
    .
    Der Stil des Autors ist erzählend und eigentlich ganz gut, aber etwas schwer zu lesen und verstehen.
    Mich konnte er leider nicht so richtig überzeugen, das liegt zum Teil daran, das ich mit Kurzgeschichten so meine Probleme habe.

  • Auf Saša Stanišiic war ich sehr neugierig, weil ich von ihm bisher noch nichts gelesen hatte. Sein Erzählband hat meinen Erwartungen an einen "anderen“ Blick auf die Absonderlichkeiten der deutschen Sprache entsprochen durch einen Autor, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist.


    Mehre zusammenhängende Geschichten handeln vom Justiziar Georg Horvath, der zu Vertragsverhandlungen in Brasilien unterwegs ist, um eine Brauerei zu kaufen. Als global Berufstätiger braucht Herr Horvath simple bad English oder sehr einfaches Deutsch, um sich mit in einer gemeinsamen Fremdsprache mit anderen verständigen zu können. Horvath wirkt auf mich wie ein Sprach-Chamäleon, das sich seiner Umgebung anpasst und irgendwann nicht mehr wissen wird, wer es selbst ist.


    Ein Icherzähler und sein Kumpel Mo, die sich seit frühesten Kita-Zeiten kennen, sind auf Reisen, um genau die Gegenden und Stadtviertel zu erkunden, vor denen Besucher lieber gewarnt werden. Die beiden treffen u. a. in Stockholm Menschenrechtsaktivisten, die für NGOs und in der Flüchtlingshilfe tätig sind. Deren höchst eigener, künstlich wirkender Helfer-Slang wird Unbeteiligten vermutlich ein Rätsel bleiben. Die absurde Struktur von Hilfsprojekten wohlhabender Länder wird hier durch die sonderbare Kommunikation der Helfer demaskiert.


    Das Abhandenkommen der Sprache bei Horvath und in der NGO-Szene wirkte auf mich verblüffend ähnlich. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass nicht jeder Leser sich in Probleme global tätiger Arbeitsnomaden vertiefen möchte.


    Einen weiteren Schwerpunkt des Buches bildet die Fallen-Stellerei; hier geht es u. a. um das in Deutschland immer noch emotional besetzte Thema Wölfe. Weil ich in diesem Jahr schon einige Bücher zu Wolfsthemen gelesen habe, konnte mich diese - längere - Passage nicht begeistern.


    Saša Stanišic zeigt in seinen Geschichten einen bemerkenswert erfinderischen Umgang mit Sprache; mir hat in seinem Buch jedoch eine Identifikationsmöglichkeit mit einer der Figuren gefehlt.


    7 von 10 Punkten