Gabriela Jaskulla: Septembermeer
Insel Verlag 2016. 458 Seiten
ISBN-13: 978-3458361503. 14,99€
Verlagstext
Ein Segelboot im Sturm. Skeptisch beobachten die Bewohner der kleinen Ostseeinsel den Kampf der beiden Segler gegen die Wellen. Wieder irgendwelche unerfahrenen Landratten, die sich bei einem solchen Unwetter aufs Meer hinauswagen! Sie ahnen nicht, dass ihre verschworene Gemeinschaft durch die zwei Schiffbrüchigen bald gehörig aufgemischt wird: Die umtriebige Svea und der stets zögerliche Daniel wollen auf der Insel einen Neuanfang wagen – und Teil dieses neuen Lebensglücks soll eine Buchhandlung sein. Eine Buchhandlung? Hier? Überhaupt stellt die Neue viel zu viele Fragen, und er fotografiert alles und jeden, der ihm vor die Linse kommt. Doch die Neugier siegt! Es kommt zu ersten zögerlichen Annäherungen und ersten Freundschaften. Alles scheint sich zu fügen, bis etwas geschieht, womit niemand jemals gerechnet hätte.
Die Autorin
Gabriela Jaskulla wurde 1962 in Franken geboren, wuchs in Hessen auf, lebte in Spanien, liebt Hamburg, kleinere Inseln und lebt heute bei Berlin. Sie ist Kunsthistorikerin und Journalistin, arbeitete 17 Jahre für den Rundfunk und lehrt Kulturjournalismus und Kreatives Schreiben an der Hochschule in Hannover.
Inhalt
Svea und Daniel haben das getan, von dem viele träumen, ihr Leben in der Stadt aufgegeben, um auf eine kleine Ostseeinsel zu ziehen. Daniel übernimmt eine dort bestehende Buchhandlung und Svea sucht eigene Wege. Das Paar pflegt eine recht eigenwillige Beziehung, in der Svea sich kleiner und unselbstständiger macht als sie ist. Beide Partner halten sich jeweils für einen guten Menschenkenner, wenn nur der andere das endlich anerkennen würde. Die Inselbewohner - wen wundert es - sind überzeugt, dass „Neue“ keine Ahnung haben und Jahre brauchen werden, bis sie sich in das Inselleben einfügen. Man braucht sich gegenseitig auf der Insel und hilft sich in der Not, sollte jedoch durch kluge Distanz die Beziehungen langfristig erhalten, damit man sich nicht eines Tages hasst. Auch früher muss die Insel schon Fluchtpunkt für Unangepasste gewesen sein. Die Insel ist noch deutlich durch ihre DDR-Vergangenheit geprägt, eine interessante Kombination aus Systemwechsel und Strukturproblemen, die andere ländliche Gebiete ebenso kennen. Über die Fischer, den Bäcker, die Lebensmittelhändler, den ehemaligen Tierarzt weiß Gabriele Jaskulla sehr einfühlsam zu erzählen. Ein Heimatdichter, dessen Nachlass auf der Insel gepflegt wird, gibt der Geschichte ein kulturelles Fundament. Svea und Daniel sind nur ein Paar unter weiteren handelnden Personen, Paare, Eltern und Kinder, erwachsene (alte) Freundinnen, Kollegen agieren zu zweit und in Gruppen. Schließlich sorgt eine sonderbare Gestalt für Aufruhr im Ort, die ein sehr persönliches Schicksal trägt, das weit in die DDR-Zeit zurückreicht.
Die Leseprobe zu Gabriela Jaskullas zweitem Ostsee-Roman hat mich sofort für das Buch eingenommen. Eine Handlung am Meer, ein Buchhändler-Paar als Aussteiger und der wirtschaftliche Hintergrund einer Region, in der in drei Monaten Touristensaison das Jahreseinkommen erwirtschaften werden muss – all diese Themen interessieren mich. Bei Lesern der Ostseeliebe wird dieser Band sicher Erfolg haben.
Fazit
Das Eingangsszenario der peinlichen Havarie mit Sveas und Daniels Boot bleibt ebenso wie die Buchhandlung leider nur Kulisse der Handlung, die sich stark auf die Beziehungsebene konzentriert. Wie schon in Ostseeliebe nimmt die Autorin sehr viele Handlungsfäden auf, die jedoch an der Oberfläche bleiben. Im Gegensatz zur stimmungsvollen Herbst- und Winter-Atmosphäre am Meer und den feinen Tönen des Zwischenmenschlichen hapert es im Buch an präzise formulierten und sachlich korrekten Schilderungen technischer Abläufe, sei es das Funktionieren eines Leuchtturms, das Wechseln eines Kameraobjektivs oder der Alltag in einer Buchhandlung. Ob Daniel gelernter Buchhändler ist oder ein Aussteiger, der sich den Beruf später aneignet, bleibt offen. Die Figur Daniel leidet jedoch unter einer Erzählerstimme, die Daniels Arbeitsalltag nicht glaubwürdig schildert. Neben der Korrektur an Kleinigkeiten wie Svea, die ein Boot bezahlt hat_ , dessen Eigner nach einem Drittel des Buches dann (für mich) überraschend Daniel ist, hätte der Roman ein Lektorat verdient, das konsequent alle Themen kürzt, die weder Autorin noch Lektorin präzise schildern können.
7 von 10 Punkten