Wellen - Eduard Graf von Keyserling

  • So, hab die Wellen gestern fertig gelesen.


    Mich persönlich hat es nicht ganz so sehr begeistert, wie ich das vielleicht erwartet hatte.


    Vielleicht habe ich es in der falschen Jahreszeit gelesen. Die vielen Umschreibungen des Meeres, des Sommers und ich sitz hier in Wolldecken eingemummelt :lache


    Das fand ich aber z. B. sehr gut an dem Buch: die Stimmung des Meeres, die auf den Handlungsablauf schließen lässt. Ich erinnere mich an eine Szene, der Tanzabend auf Einladung des Herrn Knospelius: Doralice und Hilmar kommen sich näher und das Meer ist rot gefärbt von der untergehenden Sonne: "Hinter den Birken aber schien etwas zu brennen, es war das Meer im Glanze des Sonnenuntergangs". Man ahnt also schon, was da auf einen zukommt :grin


    Weiß nicht wieso, aber ich bin nicht so in der Geschichte drin gewesen, habe keinen richtigen Zugang zu den Figuren finden können, obwohl deren Gefühle sehr explizit umschrieben wurden. Keine Ahnung, worans lag :gruebel


    Vielleicht sollte ichs im Sommer nochmal lesen.

  • von Keyserling ist einer meiner heimlichen Lieblingsautoren. Bis zu der Vorstellung im literarischen Quartett anno schießmichtot durch Reich-Ranicki kannte ich ihn gar nicht, wie ich zu meiner Schande gestehen muss. In der Sendung wurde der neu aufgelegte Roman "Wellen" vorgestellt. Nachdem ich Wellen gelesen hatte, wollte ich mehr von ihm lesen und bin auf dem Sammelband "Harmonie" gestoßen, der alle Romane und Erzählungen beinhaltet. Kann ich nur empfehlen! Keyserling hat eine wunderbare Sprache, kann erzählen und erinnert stellenweise an Fontane, nur dass er nicht ganz so "schwer" und schwermütig ist wie Fontane gelegentlich!


    Als Sommerliteratur im Garten unter Bäumen .... wunderbar!

  • Meine Meinung:


    Die unterschiedlichsten Menschen tummeln sich im 19. Jahrhundert zur Sommerfrische an der Ostsee und jeder von ihnen hat, wie man so schön sagt, sein Päckchen zu tragen. Sie alle verbindet der Wunsch nach Erholung und die Faszination des Meeres, die sie auf unterschiedliche Weise ausleben.
    Keyserling lockt den Leser mit seinen detailreichen und bildhaften Beschreibungen der Wellen, Dünen, Wolken und des Meeres und weckt die Sehnsucht nach dem Meer, die aus jeder Zeile spricht. Doch leider blieb mir die Hauptfigur der Gräfin Doralice seltsam fremd; obwohl sie (unfreiwillig) zum Dreh- und Angelpunkt der Ereignisse wird, die hier beschrieben werden, und ich durchaus Sympathien hege, konnte sie mich dennoch nicht berühren, was ich sehr schade finde, denn die Nebenrollen sind sehr lebhaft und glaubwürdig gezeichnet und vermitteln mehr Authentizität, obwohl dem Leser von ihnen nicht so viele Inneneinsichten gestattet sind. Dennoch ist die Sprache Keyserlings auf jeden Fall lesenswert und wer das Meer liebt, wird sich hierin wiederfinden.


    Von mir gute 6 Punkte! :wave

  • Und schon wieder ein Titel, der mir ohne die Eulen wohl nicht als kaufenswert erschienen wäre - ich hätte was verpasst!


    Hat mir gut gefallen, trotz Sommerthema passte es gut zur derzeitigen Herbststimmung. "Effi Briest" gehört ja zu meinen absoluten Hass-Büchern, deshalb habe ich auf den ersten Seiten fast ein bisschen darauf gewartet, dass ich dieses Buch ähnlich furchtbar finden werde. Die Sprache hat mich dann aber sofort gefangen genommen, in die Generalin habe ich mich schon nach 3 Sätzen verliebt, und das ist bis zum Schluss dabei geblieben.
    Eine wirklich tolle Erzählung!


    (Und ich habe in diesem Fall nicht bereut, mich ganz dem Kaufrausch bei der Bremer Büchermeile hingegeben zu haben, die 20ct pro cm Buch war es in diesem Fall definitiv wert :lache )

  • was für ein Buch! Ich hab das Büchlein auf dem SZ-Mängelexemplar-Tisch bei Real gefunden und an Eure Rezensionen gedacht. da musste es dann natürlich mit!



    Schon allein die Handlung und noch mehr die Figuren faszinieren mich. Da ist vor allem Doralice, die ständig zwischen Freiheit und dazu-gehören-wollen schwankt. Und dann wird sie doch wieder nur in eine Rolle gezwungen, die sie nie wollte. Der Maler Hans ging mit etwas auf den Keks - der war mir zu selbstgefällig und ich hätte ihn wohl zum Teufel gejagt.
    Die Familie um die Generalin von Palikow fand ich amüsant, die Generalin selbst ist meine Lieblingsfigur, resolut und doch verständnisvoll.
    Lolo dagegen tat mir leid - eine Doralice in Jugendjahren?
    Der Spruch ihres Bräutigams, als sie sich küssten: "von Schicksal keine Spur. Mehr ein friedlicher Pfingstsonntag auf dem Lande." Das ist schon hart.



    Aber noch viel mehr als die Figuren hat mich die bildreiche Sprache begeistert. Ich glaube, ich habe noch nie ein Buch gelesen, in dem die Beschreibungen von Wetter und Landschaft SO SEHR die Stimmung wiedergeben konnten. Ich freu mich auf jeden Fall auf den nächsten Ostseeurlaub, wo ich garantiert dieses Büchlein mitnehmen und noch einmal lesen werde. Ach Mensch, ich wollte, es wäre schon Urlaubszeit!

  • Der Titel für dieses Buch ist perfekt gewählt. Die stetigen Ostseewellen sind nicht nur während der gesamten Geschichte präsent, auch Hauptperson Doralice wird von den Wellen des Lebens hin- und hergerissen. Lange plätschert das Buch sanft dahin wie die Wellen an den beschriebenen langen und heißen Sommertagen an der Ostsee, bis aufkommender Wind und schließlich auch Sturm die Geschehnisse im Buch kräftig durcheinanderwirbeln.


    Die Begeisterung vieler meiner Vorredner kann ich aber leider nicht teilen. Zu lange ist für mich nichts passiert und auch wenn diese Zeit sicher gut investiert wurde, um die Charaktere einzuführen, war mir das zu träge. Dazu kamen die zu gestelzten Dialoge, mit denen ich wenig anfangen konnte. Als der aufkommende Wind das Buch belebt, hat es mir weitaus besser gefallen – nicht nur die Handlung schreitet voran, auch die Emotionen der Figuren wurden greifbarer.


    Gerade am Anfang habe ich es mehr gelesen, um in die Atmosphäre der gehobenen Gesellschaft in der Sommerfrische zu Beginn des 20. Jhd. eintauchen zu können und aus Interesse an Literatur der Vergangenheit, als aus Vergnügen am Buch. Das kam erst, wie gesagt, im hinteren Teil der Geschichte. Interessant war es allemal.


    Fazit: Für mich ein lehrreiches Eintauchen in die Gesellschaft und Literatur vergangener Zeiten. Kein Lesehighlight, aber aufschlussreich. Dafür gute 7 von 10 Eulenpunkten.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021