'Freiheit' - Seiten 001 - 070

  • Zitat

    Original von Lesebiene
    Auch in Deutschland sieht die Rechtslage nicht anders aus.
    In dubio pro reo.


    Mein subjektives Empfinden ist, dass unser Rechtssystem objektiver ist. :grin

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Regenfisch


    Ich finde, dass Franzen sich total von Irving unterscheidet. Irving stellt eigentlich immer einen außergewöhnlichen Menschen in den Vordergrung, Franzen modellhafte Protagonisten. Irving schreibt mit Witz, Franzen bleibt eher sachlich.


    Natürlich hast du Recht: die beiden Schriftsteller unterscheiden sich grundlegend. Ich meinte auch wirklich nur das erste Kapitel, vielleicht auch meine Überforderung mit den vielen Personen. Irving haut einem die Figuren auch so um die Ohren. Dazu kamen die verschachtelten Sätze und die dichte, leicht absurde Atmosphäre, die mich an Irving denken ließen. Das hat sich gegeben, seit Patty durch die Geschichte führt. :wave

  • So, ich bin jetzt auch mit dem Abschnitt durch.


    Das erste Kapitel fand ich auch etwas anstrengend, allerdings auch sehr interessant. Diese Beschreibung einer Nachbarschaft und den Beziehungen der Bewohner zueinander fand ich großartig gelungen.


    Richtig gepackt hat mich der Roman aber erst, als Pattys Geschichte erzählt wird. Schon ihre Position in der Familie als Außenseiterin, deren Interessen in den Augen der Mutter nicht die richtigen sind, macht einen ganz schön fertig. Dann die Art, wie die Familie mit ihr umgeht - einfach schrecklich. Der Vater, der sie mit Anspielungen auf frühere Fehler von ihr fertigmacht und damit quasi die Geschwister ermuntert, selbiges zu tun, ist auch nicht unbedingt sympathisch.


    Dann die Vergewaltigung - klassischer Fall von Date Rape, die am schwierigsten zu verfolgende und zu ahndende Art der Vergewaltigung. Und hier stehen ihr ihre Eltern nicht wirklich bei, die Mutter gibt zwar vor, Patty unterstützen zu wollen, aber eigentlich tut sie es auch nicht. Der Vater versucht, das Geschehen in eine Richtung zu lenken, die in seinen Augen den wenigsten Schaden anrichtet, allerdings steht auch für ihn Patty nicht im Vordergrund. Selbst die Trainerin, die ja vordergründig auf Pattys Seite zu stehen scheint, empfinde ich nicht wirklich als Hilfe. Ein junges Mädchen, dem so etwas geschehen ist, unter Druck zu setzen, indem man ihr suggeriert, dass sie die Verpflichtung hat, Anzeige zu erstatten, um andere Mädchen davor zu bewahren, geht in meinen Augen gar nicht. Speziell wenn man weiß, wie wichtig Teamgeist für dieses Mädchen ist. Sie macht sich gar keine Gedanken darüber, was eine Anzeige für Patty bedeuten würde, welche Folgen sie haben würde.


    Lesebine: ich denke auch, dass hier für Patty das Risiko besteht, zur Täterin abgestempelt zu werden. Kommt leider viel zu häufig vor.


    Das unser Rechtssystem in dieser Hinsicht wirklich besser ist, glaube ich nicht. Auch hier haben Vergewaltigungsopfer wenig Rückhalt, müssen vor Gericht Demütigungen ertragen und es kommt nur in wenigen Fällen zu einem Schuldspruch. Auch hier hätte der Täter die Möglichkeit, durch Zeugenaussagen seiner Freunde und einen guten Anwalt die Sachlage so zu drehen, dass es einvernehmlicher Sex war und Patty sich nur hinterher überlegt hat, dass sie ihm eins auswischen will.


    Wenn ich mir in der Tagespresse durchlese, dass die Koalition jetzt erst gesetzlich verankern will, dass "nein auch nein heißt" und der entgegenstehende Wille auch an Weinen oder Abwehr zu erkennen ist, frage ich mich schon, was da vorher falsch gelaufen ist. Und die Presseartikel zu Gina Lisa Lohfink tun ihr übriges.
    Mir hat mal ein ehemaliger Polizist in einem Gespräch gesagt, dass er seiner Tochter, sollte ihr sowas passieren, raten würde, die Sache für sich aufzuarbeiten (durch Therapie o.ä.), aber keine Anzeige zu erstatten, da das häufig alles noch schlimmer machen würde. Fand ich ziemlich vielsagend.

  • Ich möchte mich dieser LR noch anschließen. Freiheit ist mein zweiter Versuch, etwas von J. Franzen zu lesen. Die Korrekturen hatte ich vor Jahren mal begonnen, aber das konnte ich einfach nicht lesen, das erste Kapitel war mir richtig unangenehm und als es im 2. Kapitel nicht besser wurde, habe ich abgebrochen.


    Hier habe ich jetzt den 1. Leseabschnitt geschafft und es geht mir so wie vielen hier: Es hat mich nicht gerade angetörnt. Und auch ich fühle mich an John Irving erinnert aber auch an Jeffrey Eugenides - diese typisch amerikanische Art, sich über das Kleinstadtleben zu verbreitern und dabei einen Erzählton anzuschlagen, bei dem ich oft nicht so genau weiß, inwieweit gerade übertrieben und ironisiert wird und was davon ernst gemeint ist. Ich glaube, das ist sogar eine bestimmte Richting in der amerik. Literatur, sich genau auf dem Grat zwischen Ernst und Ironie zu bewegen.
    Und Clare, ich weiß genau, was du meinst. Auch mir ist es nie gelungen, mit John Irving richtig warm zu werden, obwohl ich drei seiner Romane gelesen habe. Ähnlich erging es mir mit Eugenides Die Selbstmord-Schwestern.
    Vielleicht fühlt es sich anders an, wenn man Amerikaner ist. Dann wird einen auch die feine Ironie hinter den scheinbar sachlichen Beschreibungen wahrscheinlich viel mehr anlächeln, weil man die Nuancen des Alltagslebens, die Redewendungen usw. natürlich viel besser kennt. Mir geht es dabei oft so, dass ich das alles einfach hinnehme und staune, wenn offen absurde Situationen und Verhaltensweisen beschrieben werden.


    Da ich schon auf Seite 97 bin, kann ich sagen, dass es mir ähnlich geht wie Clare, Kapitel 2, Beste Freundinnen, hat es mich (einigermaßen) gepackt. So spannend, dass ich nicht nebenbei noch was anderes lesen kann, ist es aber bis jetzt noch nicht.
    Aber es wird absurder, pointierter, interessanter, ich muss immer wieder schief grinsen... gut erzählt, wirklich. Mehr werde ich hier nicht verraten.


    Zitat


    Original von Ellemir: Das unser Rechtssystem in dieser Hinsicht wirklich besser ist, glaube ich nicht. Auch hier haben Vergewaltigungsopfer wenig Rückhalt, müssen vor Gericht Demütigungen ertragen und es kommt nur in wenigen Fällen zu einem Schuldspruch. Auch hier hätte der Täter die Möglichkeit, durch Zeugenaussagen seiner Freunde und einen guten Anwalt die Sachlage so zu drehen, dass es einvernehmlicher Sex war und Patty sich nur hinterher überlegt hat, dass sie ihm eins auswischen will.


    Dem kann ich mich voll und ganz anschließen. Gerade in den 80er-Jahren gab es aufgrund dieses so unfairen Rechtssystems ja die Frauenbewegungs-Initiativen mit Notruf-Telefon-Nummern und Beratung/Hilfe für vergewaltigte Frauen.


    Zitat


    Wenn ich mir in der Tagespresse durchlese, dass die Koalition jetzt erst gesetzlich verankern will, dass "nein auch nein heißt" und der entgegenstehende Wille auch an Weinen oder Abwehr zu erkennen ist, frage ich mich schon, was da vorher falsch gelaufen ist.


    Genau das habe ich auch gedacht! :write Welch ein Armutszeugnis die Politiker sich damit ausstellen, dass sie jetzt überhaupt erst beginnen, darüber nachzudenken, obwohl diese Diskussion schon vor 35 Jahren geführt wurde und sich seitdem nichts Wesentliches verändert hat.:bonk
    Ein Schelm, wer glaubt, dass sehr viele Politiker womöglich gar nichts daran ändern wollten.


    Jedenfalls hat mich im 1. Leseabschnitt die Vergewaltigung Pattys und die darauf folgenden Reaktionen der Eltern "erreicht", weil es mich wütend machte. Am meisten die Reaktion ihrer Mutter. Naja, da habt ihr ja schon ausführlichst beschrieben und diskutiert, darum halt ich jetzt mal wieder die Klappe :-).

  • Zitat

    Original von ginger ale


    Jedenfalls hat mich im 1. Leseabschnitt die Vergewaltigung Pattys und die darauf folgenden Reaktionen der Eltern "erreicht", weil es mich wütend machte. Am meisten die Reaktion ihrer Mutter. Naja, da habt ihr ja schon ausführlichst beschrieben und diskutiert, darum halt ich jetzt mal wieder die Klappe :-).


    Wie oben schon mal erwähnt, mich macht auch die Reaktion der Trainerin wütend. Vordergründig auf Pattys Seite, aber eigentlich auch nur darauf aus, das durchzusetzen, was sie für wichtig hält - den Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Sie macht Patty auf ziemlich fiese Art Druck, indem sie an ihren Teamgeist appelliert und fragt aber eigentlich auch nicht, wie es Patty damit geht und was die wirklich möchte.


    Die Korrekturen habe ich schon zu Ende gelesen, hab allerdings mehrfach überlegt, ob ich abbreche. Deshalb bin ich ganz froh, dass ihr mich motiviert habt, Franzen nochmal eine Chance zu geben.

  • Zitat

    Original von Lesebiene
    Die Korrekturen habe ich auch noch nie zu Ende gelesen.


    "Die Korrekturen" war für mich ein echtes Leserlebnis, und ich werde es mit Sicherheit noch mal lesen.


    Und auch dieses Buch zieht mich in seinen Bann, seit das für mich etwas angespannte erste Kapitel vorbei war. Ich bedauere nur, dass ich nicht noch mehr Zeit zum weiter lesen habe.

  • Zitat

    Original von Clare


    "Die Korrekturen" war für mich ein echtes Leserlebnis, und ich werde es mit Sicherheit noch mal lesen.


    Und auch dieses Buch zieht mich in seinen Bann, seit das für mich etwas angespannte erste Kapitel vorbei war. Ich bedauere nur, dass ich nicht noch mehr Zeit zum weiter lesen habe.


    :write :-]

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Interessant, wie unterschiedlich Franzens Romane ankommen.
    Ich lese diesen Roman so halb gelangweilt, halb interessiert. Er ist zwar einerseits interessant, aber andererseits nimmt er mich emotional nicht so wirklich mit. Die eingearbeiten Distanzierungssignale kommen bei mir an und verhindern, dass ich so richtig mitfühlen kann. Und da ich außerdem mit Sport, besonders Leistungssport, gar nichts am Hut habe, ist meine Distanz zu Patty nochmal 100 km größer.


    Wenn ich jetzt das Buch von Izquierdo schon hätte, würde ich wahrscheinlich sogar den Franzen unterbrechen und das Izquierdo-Buch sofort beginnen.

  • Zitat

    Er ist zwar einerseits interessant, aber andererseits nimmt er mich emotional nicht so wirklich mit. Die eingearbeiten Distanzierungssignale kommen bei mir an und verhindern, dass ich so richtig mitfühlen kann. Und da ich außerdem mit Sport, besonders Leistungssport, gar nichts am Hut habe, ist meine Distanz zu Patty nochmal 100 km größer.


    Kannst du das mit den "eingearbeiteten Distanzierungssignalen" etwas präzisieren?
    Was meinst du?
    Meinst du, dass Franzen nicht will, dass der Leser seinen Figuren näher kommt? Das sehe ich nicht so.
    Anders ist nur, auf welche Art man der Figur nahe kommt.


    Und nur kurz zu meiner Sicht auf Patty: sie ist eine komplizierte, in sich gefangene Frau, die sich selbst das größte Problem ist und nichts daran ändern kann, und so hat sie mein Mitleid, Mitgefühl und meine Aufmerksamkeit als Leser.


    Zitat

    Original von ginger ale
    Interessant, wie unterschiedlich Franzens Romane ankommen.
    Ich lese diesen Roman so halb gelangweilt, halb interessiert.


    Zitat

    Wenn ich jetzt das Buch von Izquierdo schon hätte, würde ich wahrscheinlich sogar den Franzen unterbrechen und das Izquierdo-Buch sofort beginnen.


    Dann tu es doch, wenn dich der Roman langweilt und du es eigentlich am liebsten abbrechen würdest. Dafür wäre mir die Zeit zu schade.

  • Zitat

    Original von Sabine Sorg
    Ich bin etwas erleichtert, das nicht nur ich "Startschwierigkeiten" habe mit diesem Buch. Es ist mein erstes Buch von Jonathan Franzen und ich komme noch nicht so rein in die Geschichte.
    Aber ich gebe nicht auf.


    Viele Grüße :wave


    Ich weiß ja nicht, wie weit du bist, aber für mich wurde es leichter, als das erste Kapitel vorbei war. Ich war nur mit diesem Anfang überfordert.
    Du schaffst das! :knuddel1

  • Zitat

    Original von Clare


    Ich weiß ja nicht, wie weit du bist, aber für mich wurde es leichter, als das erste Kapitel vorbei war. Ich war nur mit diesem Anfang überfordert.
    Du schaffst das! :knuddel1


    Liebe Clare,


    Du hattest recht. Es hat sich gelohnt, dass ich nicht aufgegeben habe.


    Interessant wurde es erst mit Pattys Geschichte. Sie hatte keine schöne Kindheit. Sogar in ihrer Familie war sie die Außenseiterin. Ihre Familie hat sie nicht gerade gut behandelt, angefangen bei der Mutter bis zu ihren Geschwistern.


    Und als Patty dann auch noch vergewaltigt wird bekommt sie aus ihrem gesamten Umfeld keine richtige Hilfe. Im Gegenteil, es wird fast so ausgelegt, dass Patty noch Schuld hat zumindest eine Mitschuld. Ich glaube, dass auch bei uns Vergewaltigungsopfer einen schweren Weg zu überstehen haben, wenn sie Anzeige erstatten. Und die sogenannten "falschen" Vergewaltigungsopfer" tragen auch nicht gerade dazu bei, dass dies in Zukunft besser wird.


    Muss nun unbedingt weitermachen.
    Viele Grüße :wave

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    Original von Clare: Dann tu es doch, wenn dich der Roman langweilt und du es eigentlich am liebsten abbrechen würdest. Dafür wäre mir die Zeit zu schade.


    Es ist ja nicht so, dass der Roman mich nur langweilt, er ist interessant genug, um dranzubleiben, aber wiederum nicht so mitreißend für mich, dass ich dafür alles stehen- und liegenlasse. Das ist auch ganz okay, so komme ich zu vielen anderen Dingen, die auch mal getan werden müssen. Ich lese hauptsächlich vorm Schlafengehen und bin inzwischen schon im dritten Leseabschnitt...
    Wenn das Izquierdo-Buch hier ankommt, werde ich es dazwischen schieben, denn der Autor ist in der LR dabei und ich weiß nicht, wie lange er Zeit hat.

  • Ich hatte auch so meine Startschwierigkeiten mit dem Buch, am anfang haben mich die vielen Namen total erschlagen, aber seit Pattys Autobiographie hat mich das Buch gepackt.
    Mich hat zuerst auch gewundert, dass sich Pattys Eltern für die sportlichen Erfolge ihrer Tochter so gar nicht interessieren, ich denke aber dass Fareun-Basketball und Softball allgemein nicht den gesellschaftlichen Stellenwert haben wie Männerbasketball und Baseball, vllt hätte sie sich "weiblichere" Sportarten suchen müssen.


    Die Reaktion der Eltern auf die Vergewaltigung, vor allem die der Mutter ist schrecklich :-(, es spricht wirklich viel dafür auf eine Anzeige zu verzichten, leider, aber der Mutter geht es ja mehr um den Schutz des Opfers und seiner Familie, als um den Schutz ihrer Tochter.

  • Zitat

    Original von ginger ale


    Es ist ja nicht so, dass der Roman mich nur langweilt, er ist interessant genug, um dranzubleiben, aber wiederum nicht so mitreißend für mich, dass ich dafür alles stehen- und liegenlasse. Das ist auch ganz okay, so komme ich zu vielen anderen Dingen, die auch mal getan werden müssen. Ich lese hauptsächlich vorm Schlafengehen und bin inzwischen schon im dritten Leseabschnitt...
    Wenn das Izquierdo-Buch hier ankommt, werde ich es dazwischen schieben, denn der Autor ist in der LR dabei und ich weiß nicht, wie lange er Zeit hat.


    Alles klar! :wave


    Trotzdem interessiert mich immer noch, was du mit "Die eingearbeiten Distanzierungssignale " gemeint hast. Vielleicht kannst du dazu noch mal etwas schreiben.

  • Den Erzählton empfand ich besonders am Anfang zurückhaltend und beobachtend.
    Im 2. Kapitel wird es zwar scheinbar persönlicher, da "autobiografisch" aber z.B. die eingestreuten Anmerkungen der Autobiographin, die aus einer späteren Zeit heraus immer mal ihre Kommentare über die damalige Patty abgibt, sind distanziert, weil kühl und analysierend. Allein schon, dass sie im autobiografischen Teil in der 3.Person von sich schreibt... in der Ich-Perspektive geschrieben wäre alles viel näher. Aberdas ist offensichtlich nicht beabsichtigt. Dieses Autobiografische in der 3. Person ist ja eine klare Distanzierung Pattys gegenüber ihrem früheren Ich.
    Mehr Signale habe ich jetzt nicht auf dem Schirm, da ich mich beim Lesen meistens auf den Inhalt konzentriere und nicht analysiere. Das würde einen 2. Durchgang erfordern.
    Inzwischen bin ich aber schon viel weiter (kurz vor der Hälfte) und schon gestern Abend hatte es mich ziemlich gepackt, war spannend, viel näher dran, so dass ich viel zu spät eingeschlafen bin, weil ich zu neugierig war um einfach aufzuhören. So muss es sein :-)

  • Danke! :wave


    Ich analysiere beim lesen auch nicht, lasse mich vielmehr davon tragen. So bekomme ich manches nicht mit, was anderen auffällt. Das genieße ich an Leserunden: dass es immer jemand gibt, dem etwas auffällt, was mir vielleicht entgangen ist.

  • Zitat

    Original von Regenfisch


    :write :-]


    :write
    Dem kann ich mich nur anschließen. Das Buch fand ich richtig gut und unsere Leserunde dazu sehr bereichernd!


    Ich habe den ersten Abschnitt jetzt gehört. Ulrich Matthes liest das Hörbuch herausragend gut. Vielleicht ist mir der Einstieg deshalb leichter gefallen. Er liest diese Begebenheiten in dieser typischen "Wohnsiedlung" mit einem ironischen Unterton, der dazu sehr gut passt.


    Patty tut mir unglaublich leid. Allerdings scheint auch sie als Erwachsene die Fehler ihrer Eltern zu wiederholen. Das sieht man alleine schon an dem Unterschied, den sie zwischen ihren beiden Kindern macht. Und genau deshalb reagiert sie auch so über, wenn es um ihren geliebten Sohn geht. Glücklich scheint sie jedenfalls nicht zu sein und ihr Mann ständig auf der Flucht vorm Privatleben in die Arbeit.


    In ihrer "Autobiographie" fand ich allein schon die Art und Weise ganz schrecklich, mit der ihr Vater sie regelmäßig fertig macht und ihre Geschwister dazu anstachelt, sie auszulachen.
    Das Verhalten aller Erwachsenen bei der Vergewaltigung ist dann auch bezeichnend. Jeder verlangt von Patty die Erwachsene zu sein, die Verantwortung zu übernehmen und lässt sie allein. Niemand stärkt ihr den Rücken oder stellt sich vor sie. Alle versuchen nur sich selbst gut aussehen zu lassen und vergessen dabei, dass Patty hier Erwachsene bräuchte, die für sie die Verantwortung übernehmen. Sie benehmen sich nicht wie Eltern, sondern wie Politiker und Anwälte. Scheinbar haben beide ihre jeweiligen Berufe so verinnerlicht, dass sie die Not ihrer Tochter dabei nicht sehen können und wohl auch nicht sehen wollen. Die Hilflosigkeit der Mutter und ihre Art sich bei Patty abzusichern, hat mir Übelkeit verursacht.


    An Irving fühle ich mich übrigens auch überhaupt nicht erinnert. Ich schließe mich da Regenfisch an. Franzen ist ein sehr guter Beobachter und hat nicht nur seine Figuren, sondern auch Zeit und Handlungsorte sehr, sehr gut im Blick.