Eddie Joyce: Bobby

  • Eddie Joyce: Bobby
    Deutsche Verlags-Anstalt 2016. 416 Seiten
    ISBN-13: 978-3421046512. 22,99€
    Originaltitel: Small mercies
    Übersetzer: Hans-Ulrich Möhring und Karen Nölle


    Verlagstext
    Der Tag, an dem sich alles veränderte – die mitreißende Geschichte einer New Yorker Familie nach 9 /11
    Fast zehn Jahre ist es her, dass Bobby Amendola als Feuerwehrmann beim Einsturz der Twin Towers sein Leben lassen musste, und noch immer sind die Wunden in seiner irisch-italienischen Familie nicht verheilt. Weder bei dem Vater, der selbst Feuerwehrmann war, noch bei der Mutter, die weiterhin jeden Morgen in das unveränderte Zimmer des toten Sohnes geht. Auch beim großen Bruder, einem erfolgreichen Firmenanwalt, bricht der wohlgeordnet-sorgenfreie Alltag gerade auseinander, während das Leben seines Bruders Franky noch nie anders als zerbrochen war. Und dann will Bobbys Witwe ausgerechnet am neunten Geburtstag von Bobby Junior einen neuen Mann mitbringen in das Familienhaus auf Staten Island ... Ein zärtlicher, bewegender Roman über Familie, Liebe, Verlust und Akzeptanz – und über das kleine Glück des Alltags.


    Der Autor
    Eddie Joyce wurde auf Staten Island geboren und wuchs dort auch auf. Nach einem Studium in Harvard und am Georgetown University Law Center war er zehn Jahre lang als Jurist in Manhattan tätig, meist als Strafverteidiger, bevor er mit dem Schreiben begann. „Bobby“ ist sein erster Roman.


    Inhalt
    Zu Bobby juniors Geburtstag wird die gesamte Familie Amendola zusammentreffen. Sein Vater, Bobby senior, ist als Feuerwehrmann beim Anschlag auf das World Trade Center ums Leben gekommen. Seitdem hat Tina Amendola mit Unterstützung ihrer Schwiegermutter ihre Kinder allein erzogen. Nach langer Trauerphase ist Tina frisch verliebt und will vor dem geplanten Kindergeburtstag Gail endlich diese Nachricht anvertrauen. Schlimmer noch als das Gespräch mit Gail wird das mit Bobbys Bruder Franky für Tina sein. Dass Wade, Tinas Neuer, ein guter Freund von Bobbys Bruder Peter ist, bringt alte Familiengeschichten und alte Schuldgefühle innerhalb des Amendola-Clans zum Vorschein. In Rückblenden in die Kindheit der Brüder Amendola und in die ersten Ehejahre von Gail und Bobby senior entfaltet Eddie Joyce die Geschichte einer irisch-italienischen Einwanderer-Familie. Zugleich erzählt er von New Yorks fünftem Stadtteil Staten Island, der von Manhattan aus gesehen stets leicht hochnäsig als provinziell betrachtet wurde. Gail, die selbst aus einer irischen Familie stammt, hat sich durch die enge Beziehung zu ihrer eigenen Schwiegermutter zu einer klassischen italienischen Mama entwickelt, vermutlich emotionaler und italienischer als eine Italienerin je sein könnte. Die Brüder Amendola verkörpern fast lehrbuchhaft unterschiedliche Typen innerhalb einer Geschwisterreihe: Peter, der immer von der Insel fort wollte und Karriere in einer angesehenen Kanzlei in Manhattan macht, Bobby, der beruflich dem Vater nacheifert und zu Gails Befriedigung auf der Insel bleibt, und schließlich Franky, das ewige Sorgenkind, das unter die Räder geraten ist.


    Fazit
    Eddie Joyce wählt hier seinen eigenen Stadtteil als Schauplatz und zoomt in das Leben einer italienischen Familie nach 9/11, wie sie nicht typischer für New York sein könnte. Psychologisch höchst interessant, wie das Familiengefüge durch Bobbys Tod wegbricht und wie erst sein Tod ein Nachdenken ermöglicht, inwieweit die Eltern Amendola Schuld am Schicksal ihrer Söhne tragen könnten. Eine italienische Matriarchin kann nur schwer ohne stereotype Wirkung auftreten - und der Roman kommt nicht ohne typisch amerikanisches Pathos aus. Als Denkmal für im Einsatz vermisste Feuerwehrleute und als Roman Staten Islands ein gelungenes Buch.


    Zitat
    "Die Farbe der Nacht geht von Schwarz in dunkelstes Blau über. Der Morgen gaut. Der Tag wird erst über Long Island anbrechen und auf dem Weg über die Stadtbezirke zuletzt Staten Island erreichen. Ihr Blick richtet sich auf die Insel, die noch in tiefem, wisperndem Dunkel liegt. Der einzige Fleck, der für sie jemals Zuhause war. Sie wünschte, sie könnte das Morgengrauen aufhalten, das Licht daran hindern, die Verrazano[-Bridge] zu überqueren, den Tag aufhalten und die unvermeidliche Traurigkeit, die er allen bringen würde, die sie liebt." (Seite 70)


    8 von 10 Punkten

  • Die Bilder, die beim Lesen der detaillierten Beschreibung einer New Yorker Durchschnittsfamilie im Kopf des Lesers entstehen, sind authentisch. Ebenso das Grauen, das sich einstellt, sobald gewiss wird, dass der geliebte Sohn zu den 9/11-Opfern zählt. Und der Hass, der in den Angehörigen aufsteigt, als sie vor dem Fernseher miterleben müssen, wie der Terrorakt in einem palästinensischen Lager gefeiert wird.


    Aber darum geht es eigentlich nicht. Der Terroranschlag ist ein Schatten, der die Psyche und sogar die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander nachhaltig verdunkelt. Die Folgen des Unheils gleichen einem unsichtbaren Gummiband, das die Familienbande zusammenhält. Obwohl es sich immer weiter auseinanderdehnt, reißt es wider Erwarten am Ende doch nicht.


    Die Figuren sind fein gezeichnet und überzeugen ohne Ausnahme. Der Autor schreibt mit einer Leichtigkeit, die selten ist - ganz besonders für einen Roman-Debütanten. 10 Punkte.

  • Ich durfte dieses Buch als Wanderbuch hier im Forum lesen und möchte mich dafür auch noch mal ganz herzlich bedanken.


    Ich hatte mich auf ein sehr trauriges Buch eingestellt, bei dem die Ereignisse des 11. Septembers 2001 im Mittelpunkt stehen würden. Bekommen habe ich aber etwas meiner Ansicht nach viel Besseres und Interessanteres: eine ergreifende Familiengeschichte einer irisch-italienische Familie, die auf Staten-Island wohnt.
    Der schreckliche Verlust von Bobby, dem Feuerwehrmann, der bei dem Anschlag ums Leben gekommen ist, ist zwar von der ersten bis zur letzten Seite des Buches spürbar, steht aber viel weniger im Vordergrund als ich angenommen hätte.
    Der Roman wird sowohl aus dem Blickwinkel von Bobbys Eltern, als auch seiner zwei Brüder und seiner Ehefrau erzählt.
    Dadurch bekommt man einen tiefen Einblick in die Familiengeschichte.
    Mich hat dieses Buch von den ersten Zeilen an gefangen genommen. Die einzelnen Personen werden jede für sich wahnsinnig fein, intensiv und ausführlich dargestellt. Ich konnte mich in jedes Familienmitglied hineinversetzten und mit ihnen mitfühlen und mittrauern. Für mich wirkt der ganze Roman einfach sehr authentisch und echt. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lesen, so tief habe ich mitempfunden und miterlebt.
    Für mich ist dieses Buch ein Überraschungshighlight dieses Jahres. Und es ist ein überzeugendes Romandebüt, sehr intensiv und lebendig erzählt.
    Ich bin von "Bobby" sehr beeindruckt und begeistert und wünsche diesem Buch noch ganz viele Leser.
    Von mit gibt es ganz klar 10 Eulenpunkte.

  • Bobby von Eddie Joyce ist ein Familienroman.
    Die Famillie Amendola, besteht aus Michael und Gail, sie haben drei Söhne Peter, Frank und Bobby. Die Charaktere der Brüder sind sehr verschieden. Es kommen abwechselnd alle Personen zu Wort.
    Bobby ist mit Tina verheiratet, sie haben eine Tochter und erwarten ihren Sohn Bobby Junior, als er bei den Anschlägen am 11. September als Feuerwehrmann ums Leben kommt. Die Familie trauert unterschiedlich.
    Das hört sich erst ziemlich traurig an, aber es wiird viel zurückgedacht und die positiven Zeiten überwiegen.


    9 Jahre später soll Bobby Juniors Geburtstag bei den Großeltern gefeiert werden. Tina hat einen Partner, den sie mitbringt. Wieder sind die Emotionen ziemlich verschieden.


    Der Autor lässt diesen Roman in Staaten Island, seinem Heimatort, spielen. Er schafft es die Geschichte glaubhaft darzustellen.


    Ich habe mich gerne mit dieser Familie beschäftigt, ich konnte mich gut einfühlen.
    Ich gebe 8 von 10 Punkte

  • Bobby - Eddie Joyce


    OT: Little Mercies


    Kurzbeschreibung:
    "Eine packende, feinsinnig erzählte Familiensaga. Die Liebe, mit der Eddie Joyce seinen Charakteren begegnet, findet sich in jedem einzelnen Wort wieder und sorgt dafür, dass wir Leser genauso tief für sie empfinden wie ihr Autor."
    Stewart O'Nan


    Über den Autor
    http://www.eddiejoyce.net/


    Über die Übersetzer:
    Hans-Ulrich Möhring, geboren 1953, hat u.a. Zora Neale Hurston, J.R.R. Tolkien, James Hamilton-Paterson und William Blake übersetzt. 2008 erschien sein Roman »Vom Schweigen meines Übersetzers«, 2011 sein Gedichtband »Dieksee«.
    Karen Nölle, studierte Literaturwissenschaften in Hamburg und Aachen. Sie ist als Lektorin, Autorin und Übersetzerin tätig.


    Mein Eindruck:
    Eine Familiengeschichte in Staten Island!


    Gail und Michael hatten 3 erwachsene Söhne. Peter, Frankie und Bobby. Doch Bobby war Feuerwehrmann und kam bei 9/11 ums Leben. Zurück bleiben seine Frau Tina, eine Tochter und sein Sohn Bobby Jr..
    Auch Jahre nach dem Verlust ist die Familie noch neben der Spur.


    Mit den wechselnden Kapiteln, die relativ lang gehalten sind, werden immer andere Figuren in den Mittelpunkt gestellt. So entstehen individuelle Stimmen. Man lernt die Gefühlslage der Familienmitglieder und ihre Beziehungen zueinander ganz gut kennen.


    Und wieder ein gelungener US-amerikanischer Debütroman. Jetzt bin ich doch gespannt, wer von den ganzen Newcomern der letzten Jahre längerfristig Bestand haben. wird Bei Eddie Joyce habe ich eigentlich ein gutes Gefühl!

  • Ich habe Bobby als Wanderbuch gelesen. DANKE liebe Buchdoktor, daß du wieder so ein tolles Buch auf die Reise geschickt hast.




    Schauplatz ist New York, Staten Island 9 Jahre nach 9/11 und es wird die Geschichte der irisch-italienschen Familie Amendola erzählt. Micheal und Gail hatten drei sehr verschiedene Söhne Peter, Franky und Bobby. Beim Einsturz der Türme verunglückte Bobby, der als Feuerwehrmann im Einsatz war. Er hinterließ seine hochschwangere Frau Tina und seine Tochter Alyssa. Nach Jahren der Trauer hat sich Tina neu verliebt und will anlässlich der Feier von Bobby jun. 9. Geburtstag der Familie ihren Freund Wade vorstellen.


    Es handelt sich um eine Familiengeschichte, die der Autor aus verschiedenen Perspektiven und Rückblenden in einer sehr schönen Sprache erzählt. Gott sei Dank nicht düster wie ich es eigentlich nach 9/11 erwartet hatte. Im Mittelpunkt steht wider Erwarten nicht das Unglück, sondern die Familie insgesamt, ihr Zusammenhalt, ihr Umgang mit dem Verlust und ihre Gefühle. Er beschreibt die einzelnen Figuren sehr detailliert, liebevoll und für mich authentisch. Als Leserin konnte ich mich in jeden einzelnen hineinversetzen. Gail fand ich eine tolle Frau. Sie selbst wurde von ihrer italienischen Schwiegermutter angeleitet, trauert noch immer um ihren Sohn, geht jeden Tag in sein Zimmer, aber sie unterstützt mit ihrer ganzen Kraft die Schwiegertochter bei der Kindererziehung.


    Für mich ein klasse Debüt und ich bin auf das nächste Buch des Autors sehr gespannt!