Christa Rau: Himmel zu vererben

  • Ehepaar Alexa und Robert sowie ihr 16- jährige Sohn Simon Grün sind eine relativ normale, 3-köpfige Familie, die mit verschiedenen Alltagsproblemen kämpft. Nach dem Tod von Alexas Tante Sophia bekommen die drei die Chance, ein sehr großes Vermögen zu erben. Doch das Erbe kann erst nach einem Jahr und nur unter einer Voraussetzung angetreten werden: Alle drei müssen ein Jahr lang als bewusste Christen gelebt haben.


    Und damit beginnt der Spaß, nicht nur für die Familie, sondern auch für den Leser. Der Pastor, den die Familie aufsucht ist skeptisch, doch letztendlich erklärt er der Familie, was sie tun können, um nach Außen wie Christen zu wirken: Ein Fischaufkleber auf dem Auto, ein Gebetswürfel auf dem Esstisch, ein Segensspruch im Flur, jeden Sonntag den Gottesdienst besuchen, in der Gemeinde mitarbeiten usw. Natürlich werden hier einige Klischees über Christen mit verarbeitet, die mich des Öfteren zum Lachen gebracht haben. Und so lässt sich die Familie auf das Abenteuer ein…


    Das Buch lässt sich leicht und schnell lesen. Die untypische und kreative Idee des Buches hat mir sehr gefallen. Es ist einfühlsam geschrieben, so dass ich für alle drei Familienmitglieder gleich viel Sympathie entwickeln konnte. Auch das liebevolle und gemeinschaftliche Familienleben war schön zu verfolgen. Nach den ersten Sätzen war ich in der Geschichte drin, denn die Anfangssituationen waren lebensnah beschrieben, so dass sie auch in meinen Leben hätten vorkommen können und ich habe mich im Buch direkt zu Hause gefühlt. Nebenbei kommt die Familie auch noch einem alten Geheimnis auf die Spur, so dass die Handlung nicht langweilig wird.


    Der christliche Aspekt gefällt mir sehr. Auf der einen Seite ist er Hauptthema des Buches und deshalb immer präsent, auf der anderen Seite sind die drei Familienmitglieder und damit die Hauptcharaktere keine typischen Christen und ebenso skeptisch wie vielleicht mancher Leser. Die Gespräche und Erklärungen mit dem Pastor sind immer sehr kurz und passen gut in die Geschichte.


    Insgesamt ein richtig schöner, entspannender und unterhaltsamer Roman, der ganz nebenbei Grundlagen zum Thema „Glauben“ vermittelt und Mut macht, sich ein eigenes Bild zum Thema „Gott“ zu machen.

  • „Es ist ja nichts dabei, wenn wir als Christen leben, und wir müssten nur so tun, als ob. Wir wären ja nicht wirklich Christen, oder?!“
    „Hört sich ganz okay an! Und was müsste ich so machen als Christ?“
    (Seite 40f)


    Meine Meinung


    Was wäre man bereit zu tun, wenn eine große, eine sehr große, Erbschaft als Belohnung winken würde? Vor dieser Frage stehen die drei Hauptfiguren des Romanes. Die Bedingung für sie: sie müssen ein Jahr lang als bewußte Christen leben. Bisher hatten sie weder mit Kirche noch mit Christsein viel am Hut und demgemäß recht wenig Ahnung. Wie lebt man also als Christ? Was muß man tun und lassen, um als Christ durchzugehen? Und kann man nur so zum Schein, um eben die Bedingung zu erfüllen, als Christ leben, das Geld kassieren und dann mit dem bisherigen normalen Leben weiter machen?


    Mit genau diesem Vorsatz, ein Jahr so zu tun als ob, und dann zur „Normalität“ zurückzukehren lassen die drei sich auf die Bedingung ein. Aber so leicht wird das denn doch nicht. Und kann man überhaupt ein Jahr lang, vierundzwanzig Stunden am Tag, schauspielern und etwas darstellen, was man nicht ist? Und selbst wenn das möglich wäre - wird man von dem, was man lebt, nicht berührt und verändert? Besteht - so die Intention der Erblasserin - nicht doch die Möglichkeit, daß aus dem „Schein“ ein „Sein“ wird, weil das, was man nach außen lebt am Ende doch nach innen wirkt?


    Zumindest über diese letztere Möglichkeit denken die drei der Familie Grün überhaupt nicht nach, als sie sich auf das „Abenteuer Christsein“ einlassen. Aber genau so sieht es Simon: als ein Abenteuer, als eine Abwechslung vom Routinealltag. Daß ihm dann doch recht mulmig wird, als er zum ersten Mal in eine Gruppe der Gemeinde geht und so gar nicht weiß, was auf ihn zukommt, steht auf einem ganz anderen Blatt.


    Aber als ein Abenteuer der ganz eigenen Art entwickelt sich das, was eigentlich als Charade begonnen war, denn doch. Denn zunächst einmal stellt sich natürlich die Frage: wie leben die eigentlich, die Christen? Was tun sie, was tun sie nicht? Und vor allem: was sagen unsere Verwandten, Freunde, Kollegen dazu, wenn wir plötzlich Christen sind? Der erste Weg führt ins Pfarrhaus, schließlich muß der Pfarrer wissen, wie man so als Christ lebt, was man braucht. Da kommen dann doch die ersten Zweifel, ob das denn gut gehen kann. Ob Geld all die Mühe und die Veränderungen im Leben wirklich rechtfertigt.


    Im Weiteren verfolgt der Leser das Scheitern der Bemühungen von Alexa, Robert und Simon, nur nach außen hin als Christen zu leben. Denn sich auf so ein Abenteuer einzulassen bringt es unweigerlich mit sich, daß früher oder später der Punkt kommt, wo man persönlich „getroffen“ wird und aus dem Spiel plötzlich Ernst wird. Zumal die gewohnte Welt der Grüns langsam aber sicher in Trümmer zerfällt und sicher Geglaubtes plötzlich unsicher wird.


    Die Autorin hat diese „Reise“ so gut beschrieben, daß ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte und innerhalb kurzer Zeit, fast in einem Zug, ausgelesen habe. Mit eingewoben ist die Suche nach der Herkunft des Vermögens, die ein lange gehütetes dramatisches Geheimnis aus dem Leben der verstorbenen Tante Sophie ans Tageslicht bringt. Daneben erfährt einiges darüber, wie denn „die Christen“ so leben, und daß man - obwohl Christ - dennoch ganz normal sein kann. Eine besonders angenehme Nebenfigur ist der Pfarrer, der sich zunächst über das Anliegen der Familie Grün mehr als wundert, im Weiteren jedoch wunderbar unkompliziert ist. Leider, und das ist eigentlich mein einziger Kritikpunkt, bleiben etliche Nebenfiguren recht blaß, tauchen teilweise nur kurz auf und verschwinden wieder, auch wenn man eigentlich erwarten würde, ihnen nochmals zu begegnen.


    So ist das Buch, wenn man so will, eine gelungene Mischung aus Fakt und Fiktion. Denn in die fiktive Handlung eingebaut sind einige Grunddinge und -überzeugungen, die „die Christen“ haben und solcherart fast schon spielerisch vermittelt werden, ohne daß es aufdringlich oder gar missionarisch erscheint, was auch dadurch deutlich wird, daß selbst am Ende eine gewisse Portion Skepsis übrig bleibt. Der Roman ist - neben seinem unbestreitbaren Unterhaltungswert - also auch für für Menschen geeignet, die vom christlichen Glauben wenig wissen und quasi nebenbei ein paar grundlegende Dinge darüber erfahren möchten.



    Mein Fazit


    Die Frage „Wie ticken die Christen“? wird in einem unterhaltsamen Roman mit ungewöhnlicher Ausgangslage beantwortet.



    Edit. Tippfehler berichtigt

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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