Meinen Hass bekommt ihr nicht - Antoine Leiris

  • Zum Inhalt
    Am 13. November 2015 verliert der französische Journalist Antoine Leiris seine Frau bei den Terroranschlägen in Paris. Um mit seiner Trauer fertig zu werden verfasst er unter dem Titel "Meinen Hass bekommt ihr nicht" einen offenen Brief an die Attentäter, in dem er seinen Verlust beschreibt, aber auch seiner Gewissheit und Entschlossenheit, nicht dem Hass zu verfallen, Ausdruck verleiht. Über Facebook verbreitet sich sein Text weltweit.


    Über den Autor
    Antoine Leiris (geb. 1981) war Kulturredakteur bei den französischen Radiosendern France Info und France bleu. Heute arbeitet er als freier Journalist in Paris.
    (Quelle: Blanvalet Verlag)


    Meine Meinung
    Am selben Abend, an dem Antoine Leiris seinen Brief auf Facebook veröffentlicht, beginnt er die Arbeit an dem vorliegenden Buch, seinem Tagebuch der Trauer. Er beginnt mit dem Abend des 13. Novembers, an dem seine Frau Hélène mit einem gemeinsamen Freund ein Konzert im Bataclan besucht, während er zu Hause bleibt und den gemeinsamen knapp einandhalbjährigen Sohn versorgt. Erst als Freunde besorgte SMS schicken, wird er auf die Anschläge aufmerksam. Er versucht, seine Frau zu erreichen, doch sie geht nicht ans Handy. Gemeinsam mit Freunden und Familie sucht er die Krankenhäuser der Umgebung ab, ohne Erfolg. Schließlich wird Hélène gefunden - sie gehört zu den Todesopfern.
    Antoines Trauer ist grenzenlos, er weiß nicht, wie er seinem Sohn klar machen soll, dass die Mutter nie wieder kommen wird und er weiß nicht, wie er Trost finden und gleichzeitig Trost spenden kann. Der Erkenntnis, dass das Leben für jeden anderen einfach weitergeht, während er vor den Trümmern seines Lebensplans steht, stellt er sich nur widerwillig. Sein Verlust ist öffentlich, nicht nur seit seinem Facebook-Eintrag, und so muss er auch mit den Reaktionen seiner Umwelt umgehen lernen. Sehr berührt hat mich seine Art, die Hilfsangebote der Mütter der Kinderkrippe seines Sohnes anzunehmen.
    Das Buch ist kein lückenloser Bericht dieser ersten Wochen, sondern entstand aus Antoines drängendem Bedürfnis, sich seiner Trauer zu stellen. Es wäre sicherlich wesentlich weniger schmerzvoll gewesen, sich irgendwelchen Rachegefühlen hinzugeben, doch Antoine wählt den schwierigeren - und gesünderen - Weg. Ein Held zu sein, weist er weit von sich, was ihn in meinen Augen nur noch zu einem weitaus größeren Vorbild macht. Seine geschilderten Momente, "Polaroid-Aufnahmen eines Lebens, das nach Atem ringt", wie er selbst es ausdrückt, sind das unglaublich berührende und mutmachende Zeugnis eines Menschen, der seine Trauer offen zulässt ebenso wie die Hoffnung auf Heilung. 10 Eulenpunkte.