Pfingstrosenrot: Ein Fall für Milena Lukin - Schünemann & Volic

  • • Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
    • Verlag: Diogenes; Auflage: 1 (2016)
    • Sprache: Deutsch
    • ISBN-10:

    ASIN/ISBN: 325706957X

    • ISBN-13: 978-3257069570


    Kurzbeschreibung (Amazon)
    In welche Mühlen geriet das serbische Ehepaar, das sich von falschen Versprechungen und einem verheißungsvollen Rückkehrprogramm in die alte Heimat, das Kosovo, zurücklocken ließ? Die Belgrader Kriminologin Milena Lukin kommt skandalösen Machenschaften auf die Spur, die bis in hohe Kreise der serbischen und europäischen Politik reichen. Wieder ein atmosphärischer, packender Krimi, der ins Herz des Balkans führt.


    Über die Autoren (Amazon)
    Christian Schünemann, geboren 1968 in Bremen, studierte Slawistik in Berlin und Sankt Petersburg,
    arbeitete in Moskau und Bosnien-Herzegowina und absolvierte die Evangelische Journalistenschule
    in Berlin, wo er auch lebt. Er hat im Diogenes Verlag bereits vier Kriminalromane um den Münchner
    Starfrisör und Amateurdetektiv Tomas Prinz veröffentlicht.


    Jelena Volic, geboren in Belgrad, studierte Allgemeine Literaturwissenschaft und Germanistik in Belgrad, Münster und Berlin. Mitarbeiterin in diversen Foren, die sich mit Serbien im europäischen Einigungsprozess befassen. Jelena Volic lehrt in Belgrad Neuere deutsche Literatur und Kulturgeschichte und ist Expertin für deutsch-serbische Beziehungen. Sie lebt in Belgrad und Berlin.


    Meine Meinung
    Pfingstrosenrot, der neue Krimi mit Milena Lukin rankt sich um einen Doppelmord, der im Juli 2012 im Kosovo begangen wurde, seinerzeit großes Aufsehen erregte und bis heute nicht aufgeklärt worden ist (so steht es im Vorwort der Autoren).


    Wieder ist Dr. Milena Lukin Dreh- und Angelpunkt dieser Geschichte, eine intelligente und zupackende Frau um die vierzig, sympathisch und mit einer gehörigen Portion Zivilcourage. Sie arbeitet in Belgrad am Institut für Kriminalistik und Kriminologie, teils betreut sie Studenten, teils widmet sie sich ihrer Habilitation. Ihre Stelle am Institut schein nicht mehr so vage und befristet zu sein wie im Vorgängerband (Kornblumenblau), zumindest wird diesbezüglich nichts erwähnt. Besonders gut bezahlt ist sie aber immer noch nicht. Zu ihrem Leben gehören ihre Mutter Vera und ihr zehnjähriger Sohn Adam, dessen Vater Deutscher ist und mit seiner neuen Frau in Berlin lebt. Nicht zu vergessen, ihre beste Freundin Tanja.


    Milos und Ljubinka gehen im Rahmen eines EU-Rückkehrer-Programmes nach 15 Jahren Exil zurück in die alte Heimat, nach Talinovac, gelegen im heutigen Kosovo. Trotz gegenteiliger Versprechungen müssen sie dort in bitterster Armut leben und eines Tages werden sie per Genickschuss getötet, einer Exekution gleich. Wie es der Zufall will, war Ljubinka die Jugendliebe von Milena Lukins Onkel und sein Entsetzen veranlasst sie nach den Hintergründen der Todesfälle forschen. Geschah die Tat aus Rache, Fanatismus oder nationalistischer Verblendung und der Mörder wäre demnach unter den Kosovo-Albanern zu suchen? In der Familie der Getöteten? Oder steckt etwas Anderes dahinter? Mit vordergründigen, einfachen Lösungen gibt sich Milena nicht zufrieden und ermittelt, ihren Bauchgefühlen folgend, auf eigene Faust.


    Wie schon in Kornblumenblau, werfen die Autoren einen intensiven Blick auf das heutige Serbien und beschreiben das für die meisten Menschen so mühevolle Leben in Belgrad, dieser Stadt zwischen Pracht und Verfall, Armut und neuem Reichtum. In erster Linie sind es die Menschen, denen Milena im Zuge ihrer Nachforschungen begegnet, die dieses Bild so greifbar machen. Menschen verschiedenster Herkunft und unterschiedlichstem gesellschaftlichen Status spiegeln die vielfältigen Probleme wider, einfühlsam geschildert und vor allem ohne Wertung.

    Da ist z. B. Marco, der homosexuelle Kosovo-Albaner, der in Belgrad lebt und jobbt, bereit nahezu alles zu tun für einen serbischen Pass.“Er hasste es, Kosovo-Albaner zu sein. Er wollte nichts zu tun haben mit Leuten, die bettelnd durch die Innenstadt zogen, am Stadtrand in Wellblechhütten wohnten, Autos klauten und daheim die Serben umbrachten“.


    Oder Slobodan Bozovic, opportunistischer Politiker und „echter“ Kerl, auch ein Menschenfreund, oder doch nur durch und durch geldgierig und karrieregeil?


    Dann gibt es da noch Juliane, eine alte Dame, die in der Küche eines ehemals hochherrschaftlichen, aber inzwischen abbruchreifen Palais haust und zunehmend in vergangenen Zeiten lebt. Wie passt sie in diese Geschichte?


    Die Ermittlungen zu den Todesfällen liefern den roten Faden und der Krimiteil wird unter Beantwortung der offenen Fragen plausibel zu Ende geführt. Das erschien mir hier deutlich stimmiger als in Kornblumenblau.


    Ein solider Krimi, der für mich besonders lesenswert wird, weil er die Atmosphäre in dieser von Krisen und Kriegen gebeutelten Region so eindrucksvoll schildert. Eine Region, die beständig weiter von korrupten Politikern und Geschäftemachern ausgebeutet wird, so dass den Menschen keine großen Perspektiven bleiben. Furchtbar, wie unversöhnlich sich Serben und Kosovo-Albaner gegenüberstehen. Hass und Misstrauen bestimmen das Verhältnis. Im Kosovo werden die Serben, auch von Seiten der Behörden, schikaniert wo es nur geht und vice versa. Armut, Trost- und Hoffnungslosigkeit wohin man schaut.


    Verblüfft hat mich, dass mir die meisten der Ortsnamen so vertraut sind, obwohl ich noch nie dort gewesen bin oder mich näher mit der Region beschäftigt habe. Ist wohl aus den Krisen- und Kriegsberichterstattungen vergangener Jahre hängen geblieben.


    Ein lesenswertes Buch, geeignet um Vorurteile abzubauen und Verständnis für die Menschen in Serbien und dem Kosovo und deren Probleme zu wecken. Politik und Gesellschaftskritik verpackt in eine fesselnde Geschichte mit guten Figuren, trotzdem unkompliziert, erzählt in erstklassigem Stil, flüssig und eloquent. 8 Punkte