Reclam-Verlag, 126 Seiten
Sechs Aufsätze von Werner Heisenberg, herausgegeben und mit Nachwort von Jürgen Busche
Der Autor:
Werner Heisenberg, 1901 – 1976, war einer der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts. Seine Arbeiten, besonders die erste mathematische Formulierung der Quantenmechanik sowie die von ihm formulierte und nach ihm benannte Heisenbergsche Unschärferelation, waren bahnbrechend und wegweisend für die Quantentheorie. 1932 erhielt er den Nobelpreis für Physik für die Begründung der Quantenmechanik.
Der Herausgeber:
Jürgen Busche, geboren 1944, ist ein deutscher Autor und Literaturkritiker, Mitbegründer des Literarischen Quartetts und arbeitet heute als freier Autor.
Inhalt:
Busche hat sechs Aufsätze zusammengestellt, die einen guten Überblick über die Entwicklung Heisenbergs und der Quantentheorie geben sowie Heisenbergs Gedanken dazu, wie diese neue Richtung der Physik sein und unser aller Weltbild beeinflussen könnte. Mich spricht bei diesen Texten besonders an, dass Heisenberg bei aller Sachlichkeit immer wieder duchblitzen ließ, wie erregend und spannend für die Physiker die damalige Zeit, die Entdeckungen und Enttäuschungen, die Irrungen und Erkenntnisse waren. Heisenberg hätte sicher einem anderen von mir sehr verehrten Physiker zugestimmt: „Ich liebe die Quantentheorie. Es ist, als würde man das Universum nackt sehen.“ - Sheldon Cooper
Die Aufsätze im Einzelnen
Die Geschichte der Quantentheorie
Heisenberg gibt hier einen Einblick in die Entstehungszeit der Quantentheorie. Man muss keinen Leistungskurs in Physik absolviert haben, um ihm folgen zu können, aber großes Interesse an physikalischen Zusammenhängen und/oder die Bereitschaft, einige Begriffe nachzuschlagen sollte LeserIn mitbringen. Mir gefällt Heisenbergs Art, ganz selbstverständlich zu erwähnen, mit wem er arbeitete, auf wessen Arbeiten er selbst aufbaute und dass die Entwicklung der neuen Theorien nur im Zusammenspiel und Parallelentwickeln möglich war.
Die Quantenmechanik und ein Gespräch mit Einstein
Überraschend poetisch erzählt Heisenberg von einer Bergwanderung durch Nebelschwaden, die er einmal mit Freunden unternahm und zieht Parallelen zu den Bemühungen der Physiker, die nebelhaften Mysterien der Quantenmechanik zu durchdringen. Eine dieser Bemühungen war ein langes, intensives Gespräch, das er im Anschluss an seinen ersten Vortrag über seine mathematischen Formulierungen zu diesem Thema mit Einstein führte. Dieses Gespräch ist sehr ausführlich und detailreich wiedergegeben. Ich glaube nicht, dass Heisenberg ein eidetisches Gedächtnis hatte, daher ist wohl anzunehmen, dass er Einsteins Beitrag zu diesem Austausch in seinen eigenen Worten nacherzählte. Im Kern drehte sich dieses Gespräch um die von Heisenberg angewandte Denkökonomie* und ob man sie im Bereich der Quantenmechanik anwenden soll – oder darf. Einstein scheint einige Zweifel an dieser Methodik gehabt zu haben. Er glaubte, dass dadurch zu viele zentrale Fragen ungeklärt blieben.
Das Gespräch der Beiden wurde, wie Heisenberg am Ende des Aufsatzes anmerkt, Monate später fortgesetzt.
*Denkökonomie = ein methodisches Prinzip. Es besagt: wenn es alternative Möglichkeiten der theoretischen Beschreibung gibt, wählt man die einfachste.
Die Kopenhagener Deutung der Quantentheorie
Heisenberg erklärt in diesem Aufsatz ausführlich und auch für Laien verständlich, weshalb in der Physik eine neue Betrachtungsweise nötig wurde und warum diese neue Interpretation dazu führte, dass philosophische Diskussionen ihren Einzug in die Physik hielten. Entwickelt wurde die Deutung hauptsächlich von Nils Bohr, Heisenbergs langjährigem Mentor, und Heisenberg selbst. In der Hauptsache postuliert die Kopenhagener Deutung, dass es in der Quantenmechanik nur Wahrscheinlichkeiten, jedoch keine genauen Vorhersagen geben kann. Ein wichtiger Bestandteil der Deutung ist der Welle-Teilchendualismus, der besagt, dass ein Quantenobjekt sich sowohl als Teilchen als auch als Welle charakterisiert. Diese spezielle Deutung spaltete zwar nicht Atome, jedoch die Welt der Physiker und führte zur Entwicklung zahlreicher konkurrierender Deutungen, die dennoch immer die Bohr-Heisenberg Deutung als Basis hatten.
Die Frage, ob Ort und Impuls eines Quantenobjektes genau bestimmt werden können, führte zu Heisenbergs Entwicklung seiner Unschärferelation, die Notwendigkeit dieser Entwicklung legt Heisenberg in seinem Aufsatz dar.
Quantenmechanik und Kantsche Philosophie
Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre war Heisenberg als Professor in Leipzig. Er war zu der Zeit kaum dreißig Jahre alt. Er scharte viele junge Leute um sich, heute alles bekannte Physiker. Sie arbeiteten nicht nur gemeinsam an den Projekten und Prinzipen dieser neuen, aufregenden physikalischen Richtung, sie diskutierten auch sehr viel über die Folgen und neuen Ansichten, die diese Richtung schaffen würde. Zu der Gruppe um Heisenberg gehörte auch Grete Hermann, eine bemerkenswerte Frau – Physikerin, Philosophin, Mathematikerin. Sie vertrat die Kant'sche Richtung der Philosophie und wurde durch die neuen Erkenntnisse der Quantenmechanik verunsichert, da diese ihrer Meinung nach allem widersprachen, was Kant als Kausalgesetz festlegte. Das Gespräch hier wiederzugeben würde etwas zu weit führen. Die abschließende Bemerkung Heisenbergs liefert jedoch ein gutes Resümee: „Der Fortschritt der Wissenschaft vollzieht sich nicht nur dadurch, dass uns neue Tatsachen bekannt und verständlich werden, sondern auch dadurch, dass wir immer wieder neu lernen, was das Wort 'Verstehen' bedeuten kann.“
Grete Hermann nutzte diese Diskussionen als Basis für einige ihrer Schriften, beispielsweise den Aufsatz „Die naturphilosophischen Grundlagen der Quantenmechanik“.
Über die Verantwortung des Forschers
Dieser Aufsatz erschien ursprünglich als ein Kapitel in Heisenbergs Autobiographie. Aufgrund seiner umstrittenen Rolle in der Nazizeit war ich sehr gespannt auf seine Gedanken zu diesem Thema. Er gibt hier ein Gespräch mit Carl Friedrich von Weizsäcker wieder, das kurz nach dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima stattfand. Beide schienen die Meinung zu vertreten, dass die Wissenschaft von aller Schuld freizusprechen sei. Die Verantwortung läge beim Erfinder, nicht beim Entdecker. Teilweise kann ich diese Ansicht nachvollziehen. Fraglich ist jedoch für mich, wo das Entdecken endet und das Erfinden beginnt. Im übrigen erwähnt das Gespräch den Ablauf der deutschen Entdeckung nur am Rande und grenzt die deutsche Entwicklung der Erfindung komplett aus. Abgesehen von der Bemerkung Heisenbergs, dass die deutschen Wissenschaftler, dadurch, dass es ihnen nicht gelang, die Atombombe zu entwickeln, „wahrscheinlich einfach mehr Glück hatten als unsere Freunde auf der anderen Seite des Ozeans.“
Die Bedeutung des Schönen in der exakten Naturwissenschaft
Hier taucht Heisenberg sehr tief in die Philosophie ein. Was ist Schönheit, wie definiert sie sich, was dachten die Philosophen im Lauf der Jahrhunderte darüber und lässt sich dieser Begriff wirklich auf Wissenschaften wie Physik und Mathematik anwenden? Heisenberg führt viele Beispiele aus der Geschichte der Philosophie an, angefangen bei den Pythagoreern. Er gelangt zu dem Schluss: Schönheit ist Harmonie, ist die Übereinstimmung der Teile miteinander und mit dem Ganzen. Und das trifft ganz bestimmt zu in Mathematik und Physik. Ich kann ihm da nur zustimmen.
Das Nachwort
von Jürgen Busche bietet einen sehr guten Überblick über Heisenbergs Karriere.
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