Ein trügerischer Sommer - Sybille Bedford

  • OT: A Compass Error


    Kurzbeschreibung:
    Ende der Zwanzigerjahre war Europa ein Ort der Hoffnung. Jedenfalls für die 17-jährige Flavia, die sich einen Sommer lang an der Côte d’Azur einrichtet, um für ihren Studienplatz in Oxford zu büffeln. Noch ahnt sie nicht, welche Ablenkungen auf sie warten...
    Elegant und scharfzüngig nimmt Sybille Bedford wie in ihrem Roman »Liebling der Götter« die mondäne Gesellschaft der Zeit aufs Korn und zeigt ganz nebenbei, wie tief die Abgründe der Verführbarkeit sein können.


    Über die Autorin:
    Sybille Bedford, geboren 1911 in Berlin als Tochter des Barons von Schönebeck und seiner englischen Gattin, wuchs in Deutschland, England, Italien und Frankreich auf. Als junges Mädchen lebte sie mit ihrer Mutter und deren zweitem Ehemann, einem Italiener, an der Côte d'Azur, dem Zufluchtsort für viele europäische Künstler und Intellektuelle der Zeit. Alle ihre Romane und Reiseerzählungen schöpfen aus ihrem reichen biographischen Hintergrund. Sybille Bedford hat außerdem viele Jahre als Gerichtsreporterin berühmten Prozessen beigewohnt und darüber für Esquire und Life berichtet. Sie starb 2006 in London.


    Meine Meinung:
    Leider habe ich erst zu spät gesehen, dass es sich hierbei um eine Fortsetzung (des Romans "Liebling der Götter") handelt, sonst hätte ich vielleicht zuerst mit dem Vorgänger angefangen. So aber las ich "Ein trügerischer Sommer" ohne Vorkenntnisse der Personen. Autorin Sybille Bedford erklärt in dem Nachwort, das sie zur Neuausgabe des Romans im Jahr 2005 verfasst hat, dass es sich hier streng genommen nicht um eine Fortsetzung, sondern vielmehr um einen Ableger handelt, da hier die Ereignisse aus einer anderen Perspektive geschildert wird und die Hauptfiguren des Vorgängers nur am Rande auftauchen. Tatsächlich erzählt die Protagonistin, die 17-jährige Flavia (Tochter eben jener Constanza, die als "Liebling der Götter" bezeichnet wurde) während ihres Aufenthaltes an der Côte d’Azur einer anderen Person von ihrer Familiengeschichte, so dass auch der Leser mit dem nötigsten Wissen ausgestattet wird. Dass diese Familiengeschichte vor allem durch starke Frauen geprägt ist und Männer hier eine untergeordnete Rolle spielen, zieht sich auch durch den gesamten Roman.
    Dennoch: Sybille Bedford erzeugt wie ein Maler mit wenigen Pinselstrichen eine dichte, sexuell aufgeladene, Atmosphäre: die flirrende Hitze des französischen Sommers, die Erfrischung durch einen Sprung ins Meer, die Leichtigkeit der Gespräche an warmen Abenden bei einem kühlen Glas Wein sind beim Lesen förmlich zu spüren. Die politischen Ereignisse, die Ende der 1920er Jahre ihren Schatten voraus werfen, werden angedeutet, bleiben aber ohne Bedeutung. Viel bedeutsamer, ja fast schon tragisch sind jedoch die Ereignisse in jenem Sommer, die nicht nur Flavias Leben verändern sollten. Dennoch lassen sie den Leser merkwürdig kalt, vielleicht weil Flavias Verhalten in seiner Naivität zu kindlich anmutet, vielleicht auch weil es einige offene Fragen gibt, die im Roman nicht beantwortet werden (wollten). Das weitere Schicksal der Figuren wird "Am Ende", so heißt das letzte Kapitel, zusammengefasst - auch hier zeigen sich, wie in Bedfords Romanen offenbar üblich, deutliche Parallelen zur Biographie der Autorin.


    Ich vergebe 6-7 Punkte.