Die 33. Hochzeit der Donia Nour - Hazem Ilmi

  • Die 33. Hochzeit der Donia Nour
    Hazem Ilmi


    • Gebundene Ausgabe: 272 Seiten
    • Verlag: Blumenbar; Auflage: 1
    • ISBN-13: 978-3351050276
    • Originaltitel: The Thirty Third Marriage of Donia Nour
    Übersetzt aus dem Englischen von Matthias Frings


    Der Autor (Verlagsangaben)


    Hazem Ilmi ist ein Pseudonym. Der Autor ist ägyptischer Neurowissenschaftler, geboren in Kairo, wo er bis 2014 gelebt hat. Seither lebt und forscht er in Neuseeland. »Die 33. Hochzeit der Donia Nour« ist sein Debüt. Ilmi hat es auf Englisch geschrieben und mit großem Echo selbst publiziert.


    Inhalt und meine Meinung


    Ägypten im Jahr 2048. Das Land wird von einer islamischen Überwachungsdiktatur regiert. Auch der intimste Bereich wird dank modernster Elektronik kontrolliert, wer die strikten Regeln der Scharia nicht einhält, wird schwer bestraft.
    Drei Regionen gibt es im Land. Den Norden, wo die reiche Elite im Reichtum schwelgt, die Mitte, in der Durchschnittsägypter durch immerwährenden Konsum bei Laune gehalten werden und den Süden. Für den Rest und alle, die sich etwas haben zuschulden kommen lassen. Für ganz schlimme Fälle gibt es noch die Quarantäne für verlorene Seelen.
    Die junge Donja arbeitet im Ministerium für Erlösungshilfe. Sie will weg aus Ägypten und um das nötige Gold für eine heimliche Ausreise zu beschaffen, willigt sie in Hochzeiten für eine Nacht ein. Die gelten als nicht geschlossen, wenn sie innerhalb von 24 Stunden aufgelöst werden. Auch die ständige Wiederherstellung der unverzichtbaren Jungfräulichkeit hat Donia geregelt. Bis bei der 33. Hochzeit alles schiefgeht.
    Zweiter Handlungsstrang: ein ägyptischer Philosophieprofessor Ostaz Ostaz wird 1952 von Außerirdischen entführt. Sie wollen die Denkweise der Menschen kennenlernen und ihm das Universum zeigen. Den Außerirdischen scheint es miteinander etwas langweilig geworden zu sein. Kurz vor Donia Nours 33.Hochzeit wird Ostaz nackt in Kairo ausgesetzt. Natürlich wird er verhaftet und das Todesurteil im öffentlichen Schauprozess steht schon fest.
    Das Buch beginnt eher vergnüglich. Mit bösem Humor zeigt Ilmi, zu welchen Absurditäten die strikte Befolgung religiöser Vorschriften führen kann. Kombiniert mit ausgeklügelter und ständiger ideologischer Berieselung und Beeinflussung der Menschen bis in ihre Träume, werden die schlimmsten Befürchtungen vor einer umfassenden Kontrolle großer Menschenmassen hier Wirklichkeit.
    Im Laufe der Geschichte zeigt die Diktatur allerdings ihre böse Fratze. So ziemlich jede Schlechtigkeit, die uns aus den Nachrichten bekannt ist, begegnet uns in diesem Roman. Durchaus nichts für zarte Seelen, denn ohne brutale Szenen geht es nicht ab.
    Beeindruckend, wie Ostaz in seiner Verteidigungsrede die Existenz Gottes in Frage stellt, Religion und letztlich jede Ideologie als brutales Herrschaftsinstrument einer elitären Herrscherschicht entlarvt.
    Solltet ihr euch an ein schon älteres Werk zu einem Überwachungsstaat erinnert fühlen, die Ähnlichkeit ist offensichtlich beabsichtigt und auch die Jahreszahl ist kein Zufall.
    Beißende Kritik, verpackt in schwarzen Humor und Überspitzung bis zum Slapstick, das erwartet die Leser in diesem Buch.
    Schön gestaltet ist dieses Buch auch noch.
    Ich empfehle: Lesen


    8 Punkte

  • Was für ein Buch.


    Donia Nour lebt in Ägypten im Jahre 2048. Aber sie will das Land unbedingt verlassen und sammelt Goldstück um Goldstück um die Schlepper bezahlen zu können. Die bekommt sie nur, indem sie jungfräulich heiratet. Da das aber wie man weiß nur einmal geht, muss eben die Doktora das Hymen auf künstlichem Weg wieder herstellen. 32 Mal ist es schon ohne Komplikationen gelungen diese sogenannte "Genussehe" abzuschließen, die nach 24 Stunden wieder geschieden ist.
    Doch dieses Mal passiert es. Ein Sprühkondom verrät dem aktuellen Ehemann die Täuschung.


    Allein die Darstellung dieses Gottesstaates in dem gute Taten gesammelt und gezählt werden und E-Hidschabs sogar Berührungen durch Väter Alarm geben ist so abgefahren und schräg und absolut lesenswert.
    Ägypten ist in drei Zonen aufgeteilt, im Norden wohnen die Oligarchen, die durch die religiöse Revolution alles gewonnen haben und uneingeschränkt herrschen und auf Kosten der restlichen Bevölkerung Geschäfte machen. Überwachung durch SWs - Sittenwächter die durch die Luft fliegen und bei Bedarf sofort eingreifen machen jede Keimzelle der Aufbegehrung unmöglich.
    Wenn der Autor nicht teilweise völlig überzogen und komisch Donias Erlebnisse beschrieben hätte, würde dieses Buch in Anbetracht der IS erschreckend real wirken. So kann man nur vermuten was möglich wäre und besser nicht wahr werden darf.


    10 Punkte

  • "Die 33. Hochzeit der Donia Nour" ist auf jeden Fall ein ganz besonderes und spezielles Buch.


    Am Anfang habe ich mich ein wenig schwer getan in das Buch reinzukommen.
    Aber dann hat es mich regelrecht mitgerissen und ich war nur noch fasziniert von dem Ideenreichtum des Autors und von seinem Mut, solch ein Buch überhaupt zu schreiben.
    Ich möchte zu dem Inhalt des Romans hier gar nichts mehr schreiben. Jeder zukünftige Leser sollte sich selber überraschen lassen von dieser außergewöhnlichen und fesselnden Zukunftsvision.
    Der Autor schreibt mit viel Humor und vielen Anspielungen auf die heutige Zeit. Zum Teil waren die Schilderungen in dem Buch recht brutal und hart. Aber trotzdem war ich während des Lesens bis zum Ende hin fasziniert. Das Buch ist spannend, lustig, fantasievoll und kritisch gleichzeitig und hat mich viel zum Nachdenken gebracht


    Vielen Dank dafür, dass ich es hier im Forum als Wanderbuch lesen durfte.
    Ich vergebe für dieses Buch gute 8 Eulenpunkte.

  • Ihr Lieben,


    lasst doch bei Eurer Begeisterung für das Buch auch ein paar Pünktchen springen - noch hat keiner Punkte oben vergeben. :wave

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Donia Nour, Anfang 20, möchte aus dem Großägypten des Jahres 2048 fliehen, doch dafür benötigt sie 1 Kilo Gold. Dieses Gold beschafft sie sich durch sogenannte Genussehen, die nach 24 Stunden wieder annulliert werden. Selbstverständlich muss nach jeder dieser Ehen ihre Jungfräulichkeit wieder hergestellt werden. Nun steht die 33. Hochzeit an, danach hätte Donia ihr Kilo Gold zusammen. Doch gerade bei dieser letzten Hochzeit läuft etwas entsetzlich schief. Im weiteren Verlauf der Geschichte spielt ein Philosophieprofessor, der 1952 von Ausserirdischen entführt wurde, eine wichtige Rolle.


    Was wie eine Satire beginnt, mündet schnell in einer beklemmenden Zukunftsvision einer Diktatur unter dem Deckmäntelchen des Islam. Wobei für mich hier die Religion austauschbar ist.
    Trotz einiger heftiger Gewaltszenen, wird die Handlung weiterhin durch sarkastische Details aufgelockert.
    Der Autor, selbst Ägypter, legt mit diesem Buch einen provokanten und turbulenten Roman vor, und versäumt es nicht, auch schwarzen Humor einfließen zu lassen. Dass er sich für ein Pseudonym entschieden hat, ist verständlich, übt er doch massive Kritik an den Dogmen der Religion.


    Mich hatte dieses Buch sehr schnell beim Wickel, ich habe es sehr gerne gelesen und wünsche mir, dass es noch vielen Lesern genauso geht.


    10 Punkte

  • Das Buch beginnt wie eine Dystopie, entpuppt sich dann aber auch als eine Art "Der Gotteswahn" in Romanform. Da das Ägypten des Jahres 2048 ein muslimischer Staat ist, werden in diesem Buch werden statt Bibelversen Koranverse zitiert, die Religionen sind aber tatsächlich austauschbar und die von Ostaz vorgebrachten Argumente gegen den Glauben sind die gleichen, die auch gegen einen Glauben an einen christlichen Gott sprechen (Pascal's Wette, Russel's Teapot, Moral ohne Religion, Euthyphron-Dilemma, Theodizee-Problem,...).


    Mit Beginn des Prozesses gegen Ostaz hatte ich ein bisschen die Befürchtung, dass der Rest des Buches eine Art "Apologie des Ostaz" ist, und ich die gleichen Argumente noch mal lesen muss, die ich in jeder Religionsdiskussion schon auf und ab diskutiert habe. Tatsächlich nimmt der Prozess aber nur einen kleinen Teil der Handlung ein und wir lernen im Verlauf des Buches alle Bereiche Ägyptens kennen. Das Buch ist leicht satirisch überdreht, teilweise völlig absurd, das hat mich aber nicht gestört. Gut gelungen fand ich auch die Rolle der Kafari (der Ungläubigen) an der Aufrechterhaltung der Diktatur, was sicher auch eine Anspielung auf die Rolle "des Abendlandes" bei der Aufrechterhaltung heutiger Diktaturen in muslimischen Ländern ist.


    Ich hab das Buch auf Englisch gelesen, die Kindleausgabe ist ein echtes Schnäppchen.


    Ich gebe 8 von 10 Eulenpunkten.
    .

  • Mir geht es wie meinen "Vorrednern".
    Mein erster Gedanke nach dem Zuklappen ist gewesen: :wow, was für ein Buch!


    Na ja, lies mal rein hab ich mir gedacht, kann nicht schaden und weg legen geht immer ;-).
    Aber trotz des verwirrenden Anfangs, hat es mich sofort gefesselt. Die verwirrenden und vor allem verstörenden Elemente gibt es auch weiterhin, doch nach und nach stellt sich verständnisloses Verständnis der Zusammenhänge ein.
    Ein menschen- insbesondere frauenverachtendes Herrschaftssystem hat sich in dem dreigeteilten Ägypten etabliert, die Bewohner bis auf eine kleine Elite entmündigt und manipuliert durch Religion und Konsum, Angst und Gewalt.


    Irgendwann taucht die Frage auf, wo sind die Pyramiden geblieben? - Am Ende wird sie beantwortet.


    Die Demontage des Islam, wie sie der Autor in den philisophisch geprägten Sequenzen vornimmt, lässt sich auch auf andere Religionen übertragen. Seine Argumentation ist sicher nicht neu, aber für mich hat er Sinn und Unsinn von Religion einfach und schlüssig auf den Punkt gebracht.


    Eine satirische Dystopie wie ein islamischer Staat in der Zukunft aussehen könnte, überzeichnet und manchmal etwas abgedreht, doch mit gerade so viel Bezügen zur Realität, dass sich die Beklemmung nicht so leicht beiseite schieben lässt.


    Ein unglaublich mutiges Buch für einen ägyptischen Autor. Kein Wunder, dass er inzwischen im Ausland lebt.


    "Es war die Grundüberzeugung des Nizam, dass nichts die Menschen nachhaltiger ruhigstellte als pausenloser Konsum. Z. kannte diesen Karl Marx und wusste, dass er falsch lag. Religion war nicht das Opium des Volkes, es war Konsumerismus. Aber wenn das System beide miteinander verweben konnte, Religon und Konsum, dann war die Droge keine, deren Wirkung mit der Zeit nachließ. Sie machte süchtig. Lebenslang."


    Da lassen sich durchaus auch Parallelen zu unserer Gegenwart ziehen. Gerade wenn man sich die derzeitige Wirtschafts- und Geldpolitik anschaut, deren Hauptanliegen das Anheizen des Konsum zu sein scheint.


    Noch ein Zitat, sicher nicht unbekannt, aber ich hab es zum ersten Mal gelesen:


    "Religion ist das, was die Armen davon abhält, die Reichen zu töten."
    Napoleon soll das gesagt haben.


    9 Punkte