Ein wenig Leben [A Little Life] - Hanya Yanagihara

  • Klappentext
    A Little Life by Hanya Yanagihara is an immensely powerful and heartbreaking novel of brotherly love and the limits of human endurance.


    When four graduates from a small Massachusetts college move to New York to make their way, they're broke, adrift, and buoyed only by their friendship and ambition. There is kind, handsome Willem, an aspiring actor; JB, a quick-witted, sometimes cruel Brooklyn-born painter seeking entry to the art world; Malcolm, a frustrated architect at a prominent firm; and withdrawn, brilliant, enigmatic Jude, who serves as their centre of gravity. Over the decades, their relationships deepen and darken, tinged by addiction, success, and pride. Yet their greatest challenge, each comes to realize, is Jude himself, by midlife a terrifyingly talented litigator yet an increasingly broken man, his mind and body scarred by an unspeakable childhood, and haunted by what he fears is a degree of trauma that he'll not only be unable to overcome - but that will define his life forever



    Die Autorin
    Yanagihara arbeitete als Redakteurin für das US-amerikanische Reisemagazin Conde Nast Traveler bevor sie stellvertretende Herausgeberin der Wochenendbeilage T: The New York Times Style Magazine wurde. Sie lebt heute in New York City.


    Yanagiharas erster Roman The People in the Trees erschien 2013 und behandelte das Leben und den Missbrauchskandal um dem US-Amerikanischen Virologen und Nobelpreisträger Daniel Carleton Gajdusek. 2015 veröffentlichte sie den Roman A Little Life (wikipedia)




    Hanya Yanagiharas zweiter Roman "A LIttle Life" ist für mehreren internationale Preise nominiert gewesen, darunter auch den Man Booker Preis. Ich vermute und hoffe stark, das es auch in Deutsch übersetzt wird. Denn es ist eines der ungewöhnlichsten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Es hat mich in den knapp 2 Wochen, die ich brauchte, um es zu lesen, extrem beschäftigt und bewegt.


    Die Geschichte dreht sich um 4 Freunde, Sie lernen sich als 16jährige auf dem College kennen und wir begleiten sie, bis sie über 50 sind: Willem, Malcom, JB. Die Kernfigur ist aber Jude. Alle vier ziehen nach der College nach New York und werden über die Jahre alle beruflich extrem erfolgreich. Willem wird praktisch über Nacht ein vielbeschäftiger und erfolgreicher Schauspieler, JB findet endlich seinen Stil und wird mit einer Seire von Bilder über seine Freunde ein gefeierter Künstler. Malcolm eröffnet sein eigenes Architektenbüro und baut schon bald überall auf der Welt prestigeträchtige Gebäude. Und Jude wird ein sehr guter Anwalt. Sie bleiben auch alle Freunde und in Kontakt. Im Besonderen geht es aber um die Beziehung zwischen Willem und Jude. Die beiden haben eine ganz besondere Verbindung.


    Jude hatte eine traumatische Kindheit. Er hat seine Eltern nie kennengelernt und wuchs die ersten Jahre in einem Kloster auf. Seine ganze Kindheit und seine Jugendjahre sind durchzogen von Missbrauch und Grausamkeit. Er lernt erst Freundschaft und Nähe kennen, als er die drei anderen trifft. Doch für viele Dinge ist es einfach zu spät für ihn. Er ist nicht nur seelisch sondern auich körperlich geschädigt. Wie es zu diesen ganzen Dingen kam, erfahren wir nach und nach. Diese Passagen sind wirklich nicht einfach zu lesen. Ich bin hart im nehmen aber hier ging es mir wirlich oft echt nahe. Vor allem die Szenen, die genau beschreiben, wie Jude sich selber verletzt. Er ritzt sich mit Rasierklingen in die Arme. Ständig, dauernd. Wir erleben die Spannung die sich in ihm aufbaut, wie er weiss, das er Abends diese "Erlösung" braucht und herbeisehnt und dann endlich, abends in seinem Badezimmer, bekommt.


    Die Geschichte wird aus der Sicht verschiedener Personen erzählt. Dabei weiss man am Anfang der Kapitel nicht immer, wer gerade spricht, da die Autorin es geschickt vermeidet, Namen zu erwähnen. Am Anfang habe ich mich dabei schwer getan, ich habe auch eine Weile gebraucht, bis ich mich eingefunden hatte in dieses Buch. Die Rückblenden in Jude's Kindheit habe ich sehr ungern gelesen, weil sie einfach so schrecklich waren.


    Bei so einem unfangreichen Buch (720 Seiten) gibt es meist auch einige Längen. Das habe ich hier nicht empfunden. Nur einmal habe ich kurz resigniert geseufzt, als ziemlich weit hinten eine weitere grauenvolle Episode aus Judes Leben erzählt wird. Diese schließt dann aber die Lücke in Judes Geschichte, die seine körperliche Versehrtheit erklärt.


    Die Geschichte, die sich ja über Jahrzehnte erstreckt, ist seltsam losgelöst vom jeweiligen Zeitkontext. Reale Geschehnisse werden niemals erwähnt. Es gibt nur den Kosmos dieser Gruppe von Freunden, der sich im Laufe der Geschichte immer ein paar Randfiguren mehr anschließen. Ausser einem, einen von Judes Tutoren, der in seinem Leben eine wichtige Rolle spielen wird, bleiben alle anderen Charaktere wirklich nur Randfiguren. Selbst JB und Malcolm verschwinden in den Hintergrund. Mir ist auch aufgefallen, das es sehr wenige Frauenfiguren gibt, vor allem keine wichtigen. Hier geht es um Jude. Das Buch und auch alle Figuren kreisen um Jude. Als Kind zog er nur schlechtes an, aber als Erwachsener muss er etwas an sich haben, das alle zu ihm zieht und wirklich jede Figur alles für ihn tun würde, im Grunde alles tut, um ihm zu helfen. Aber alle Freundschaft, alles Glück können ihn nicht die ersten 15 Jahre seines Lebens vergessen machen.


    So sehr dieses Buch Freundschaft und Liebe preist, so düster ist es doch. Einerseits ist es fast lächerlich oberflächlich in der Beschreibung, wie einfach alle 4 zu Ruhm und Geld kommen, um die Welt jetten, mal eben für ein Wochenende nach Paris, zum Urlaub nach Bhutan. Man fragt sich auch, wie viel kann ein Mensch, oder eine Buchfigur, erleiden. Und doch ist es so einnehmen. So bewegend. So traurig. Ich hätte erwartet, das ich irgendwann genervt wäre von Jude. Aber seltsamerweise war ich es nicht. Die Autorin hat auch mich als Leser zu Jude gezogen. Sin Zauber, den er um sich haben muss, hat auch auf mich gewirkt. Ich war vollkommen gefangen in der Geschichte und habe das Gefühl, diese Leute wirklich zu kennen.


    Für mich ist dieses Buch, für das mir trotz dieser epischen Rezension die Worte fehlen, ein großes Leseerlebnis gewesen. Ich weine selten beim Lesen. Nur wenige Geschichten konnten mich wirklich zu Tränen rühren- Ich vermeide solche Bücher sogar eher. Aber hier ist es passiert .Und wirlich zum ersten Mal in meinem Leben weiss ich nicht, wie ich aus diesem Buch wieder rausfinden soll und was ich nun tun soll, da es ausgelesen ist


    Ich verlinke die US-Ausgabe, weil das Cover so viel passender ist als das englische.
    Edit: Fur das Verzeichnis habe ich die deutsche Ausgabe im Threadtitel u. d. ISBN eingetragen. LG JaneDoe

    “Wer kleine Kinder und Hunde nicht mag, kann kein schlechter Mensch sein



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  • Inhalt
    Jude St. Francis ist ein begabter US-Amerikanischer Anwalt, der als Kind vernachlässigt und schwer sexuell missbraucht wurde. Obwohl sein Freund JB schon früh in ihrer Beziehung mit dem richtigen Instinkt feststellt, dass Jude auf körperliche Berührungen exakt wie ein Missbrauchsopfer reagiert, verbirgt Jude seine monströsen Erfahrungen lange vor seinen Freunden. Die Vier sind einander seit dem College eng verbunden. Willem, der vom Aufwachsen mit einem schwerbehinderten Bruder geprägt ist, hat Riesenerfolg als Schauspieler, JB lebt als Künstler und überwindet in harter Anstrengung seine Drogensucht. Malcolm stammt bereits aus reichem Elternhaus und wird ein weltweit anerkannter Architekt. Alle vier Freunde sind beruflich erfolgreich, in ihrer Branche berühmt und können gemeinsam über einen fast schon obszönen Reichtum verfügen. Für Jude scheint sich ein Leben in Armut, voller Scham und körperlicher Schmerzen zu einem nahezu märchenhaften Schicksal zu wenden, als das kinderloses Professoren-Ehepaar Harold und Julia ihn als Erwachsenen adoptiert. In Rückblenden wird Stück für Stück aufgeblättert, warum Jude sich in schwer vorstellbarer Grausamkeit immer wieder selbst verletzt. Er lebt die klassische Biografie eines Missbrauchsopfers, das sich als Erwachsener wieder in einer Missbrauchsbeziehung verstrickt, das immer wieder daran zweifelt, ob es wirklich liebenswert ist. Das verlassene Kind Jude muss sich zwingend immer wieder der Zuneigung anderer versichern und gefährdet gerade durch dieses Verhalten seine Beziehungen. Wenn seine Freunde aufhören würden ihn zu lieben, würde er auch daran die Schuld tragen, meint Jude, wie er sich an seinen Missbrauchserfahrungen schuldig fühlt. So machen sich seine Freunde ständig Vorwürfe, ob sie sich genug um Jude kümmern. Ihre Aktivitäten zu Judes Betreuung wirken - mit einem egoistischen Kern - gut gemeint und in der Sache höchst dilettantisch. Sein Arzt, mit dem er zugleich befreundet ist und der keine therapeutische Ausbildung hat, agiert reichlich fragwürdig als Judes Komplize darin, die Fassade zu wahren und einer Therapie mit Schwerpunkt Missbrauch aus dem Weg zu gehen.


    Zu dem Zeitpunkt, als die Leser Judes Vorgeschichte vollständig erfahren haben, sind die Männer Mitte 40 und wirken wie ewige Jugendliche, die sich weder über ihre sexuelle Orientierung noch über ihren Platz im Leben klar sind. Obwohl man als Leser zahlreichen Dialogen folgt, scheinen die Vier wenig miteinander zu sprechen. Einzig eine Betreuerin des jungen Jude hat wirklich mit ihm gesprochen – der Verlust Annas ist eine weitere Verletzung auf Judes katastrophalem Lebensweg.


    Fazit
    Hanya Yanagiharas wuchtiger und schonungsloser Bildungs- und Entwicklungsroman zerfällt für mich in einen professionell recherchierten Teil und einen Abschnitt, in dem Figuren der Gegenwart eigenartig laienhaft agieren. Die Darstellung eines Missbrauchsopfers mit all seinen Zwängen, Selbstverletzungen und Widersprüchen finde ich - verfasst von einem psychologischen Laien, der nicht beruflich Missbrauchsopfer betreut - außerordentlich treffend. Für einen Roman, der nicht die therapeutische Versorgung in den USA der 50er zum Thema hat, sondern in der Gegenwart spielt, agieren die befreundeten „Helfer“ meiner Ansicht nach höchst eigenartig. New York hat die höchste Therapeutendichte der Welt. Selbst wenn ein Teil davon nur mittelmäßig qualifiziert wäre (die Bezeichnung ist nicht geschützt), kann ich kaum glauben, dass gebildete Mitglieder der Oberschicht, für die Geld keine Rolle spielt, nicht früher auf die Idee kommen, ein zielgerichtetes Therapieangebot für Jude zu suchen, anstatt ihm verschämt Visitenkarten von irgendwelchen Therapeuten in die Tasche zu schieben. Das Buch kann berühren, es kann sich sicher auch in seinen Lesern festkrallen und sie lange nicht loslassen. Durch den für meinen Geschmack schwachen zweiten Teil und das laienhafte Herumtherapieren der Freunde vergibt der Roman allerdings seine Chancen. Bis auf die Rückblenden und Harolds Sicht der Dinge finde ich „Ein wenig Leben“ sprachlich recht einfach erzählt, mit vielen Dialogen und einigen Wortwiederholungen.


    [edit:]
    P.S.: Inzwischen habe ich überlegt, warum mich einige Passagen des Romans schlicht gelangweilt haben. Die Beschreibung der Figuren, ihrer Beziehungen zueinander und der Ereignisse in Judes Jugend konnten mich fesseln und anrühren. Überflüssig fand ich reine Aufzählungen von Häusern, die gekauft, Reisen, die unternommen, Filmen und Bildern, die betrachtet wurden. Als Stilmittel wirken diese Aneinanderreihungen bei mir nicht, wenn sie nichts darüber erzählen, wie und wer eine Person ist. Eine Reise, ein Bild, eine Atmosphäre auf den Punkt bringen, fände ich wirkungsvoller. Am Ende bleibt der Eindruck, dass Jude (und der Leser) nur deshalb so lange leiden müssen, damit der Roman fast 1000 Seiten erreicht.


    knappe 7 von 10 Punkten

  • Danke für die Info, Buchdoktor. Ich habe es noch nicht gesehen. Aber da mir die Geschichte so herausragend gut gefallen hat, haben sie es bestimmt verrissen. Das ist bei den dort besprochenen Büchern, die ich mag, immer so. :lache

  • Zitat

    Original von Saiya
    ... Aber da mir die Geschichte so herausragend gut gefallen hat, haben sie es bestimmt verrissen. Das ist bei den dort besprochenen Büchern, die ich mag, immer so. :lache


    So schlimm ist es nicht. Sie werfen die interessante Frage auf, warum es ein (rosa) Buch für Männer ist. Und nebenbei für mich die Frage, warum darin Frauen nur als Staffage am Rand vorkommen dürfen. Eine Existenzgründerberatung würde diese Konstallation ungern durchgehen lassen. :chen

  • Ich habe das Hörbuch gehört, Herr Palomar. Mir hat es sehr gut gefallen.


    Buchdoktor : Ich habe es nicht als Buch für Männer, egal welcher Farben empfunden und auch eine herausragende Stellung von Frauen nicht vermisst. Ich lese nicht nach genderisierten bzw. feministischen Kriterien.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar ... Ich habe das Lit.Quartett gestern auch gesehen und bin durchaus inbteressiert.
    Aber fast 1000 Seiten. Kann mman das schaffen mit latenten Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom?


    Ich habe es jetzt zum zweiten Mal als Hörbuch angehört. 1,4 Tage Hörzeit wird angezeigt. ;-) Beim ersten Durchgang hatte ich nach ungefähr 2/3 einen Durchhänger, obwohl ich sonst 1000-Seiten-Romane klaglos wegschmökere. Der reine Umfang war nicht mein Problem, sondern die Sprache mit zahlreichen Wiederholungen. Um 1/3 kürzer wäre der Text der "guten Sache" vermutlich dienlicher, sexuellem Missbrauch und sexueller Gewalt weltweit Gehör zu verschaffen.

  • Selten habe ich einen so wuchtigen Roman gelesen. Anfangs hatte ich Angst, ich würde es nicht schaffen, die vier zunächst ähnlichen männlichen Protagonisten auseinanderzuhalten (zumal man immer erst eine Weile braucht, um sich zurechtzufinden, in wessen Kopf man gerade steckt), aber schnell schälte sich heraus, wer in diesem Buch das Sagen hat, auch wenn er es am wenigsten will. Dieser Roman ist in meinen Augen einfach unerhört! Und wenn ich mir hier die Kritiken durchlese, dann bin ich ein bisschen traurig, denn ich meine, dass dieses Buch unbedingt gelesen gehört. (Als Hörbuch kann mir das nicht vorstellen, weil dieses Buch die ganze Aufmerksamkeit braucht, da möchte ich nicht nebenher bügeln oder autofahren.) Die Art und Weise, wie man die Qualen von Jude miterlebt, geht einem durch und durch unter die Haut. Mich hat diese Erfahrung fassungslos und sprachlos gemacht. Hier wird sehr intensiv von den Folgen von Missbrauch erzählt, (Gott sei Dank nicht über den Missbrauch selbst). Gerade dafür habe ich das Buch schon sehr geschätzt. Es beschreibt sehr intensiv, wie einsam ein Kind wird, das so etwas miterlebt, und wie anfällig es auch für sein ganzes Leben in dieser Einsamkeit und der ständigen Sehnsucht nach Liebe bleiben wird, obwohl es gelernt hat, dass es nicht wert sei, geliebt zu werden.


    Es ist ein Roman, da muss es nicht zu einer zweckgerichteten Therapie kommen! Wenn jemand so traumatisiert ist, dass er keine Therapie haben will, weil er über diese Erfahrungen nicht sprechen möchte, dann finde ich es sehr wohl legitim und auch als Zeichen großer Liebe, wenn man ihn nicht dazu zwingt. Hätte der Arzt Zwangsmaßnahmen angewendet, hätte sich Jude ja vollkommen verraten und verkauft gefühlt, es wäre einem nochmaligen Missbrauch (diesmal seines Vertrauens) gleichgekommen. Er traute sich ja ohnehin immer nur für winzig kleine Momente aus seinem Schneckenhaus und streckte vorsichtig die Fühler aus, um sie gleich wieder einzuziehen.


    Der Missbrauch hat ihn vollkommen zerstört! Völlig! Da geht gar nichts mehr. Und genau das hat die Autorin meisterhaft ausgearbeitet. Ich will den Schluss nicht verraten, aber ich habe über den letzten Seiten zwei Tage lang herzzerreißend geheult. Das ist mich lange nicht mehr passiert.


    Für mich das herausragende Buch der letzten Jahre.


    Meine unbedingte Leseempfehlung. Gebt diesem Buch eine Chance!

  • Hui, da bin ich ja echt gespannt...


    Ich habe gestern angefangen dieses Buch zu lesen und war gerade am Überlegen, ob ich ihm noch bis Seite 100 eine Chance gebe oder schon vorher abbreche...

    Genauso wie Rita fällt es mir im Moment noch sehr schwer, die verschiedenen Personen auseinander zu halten und gleichzeitig die eingestreuten Erinnerungen zu sortieren.


    Aber wenn ich Eure Kommentare so lese scheint es sich zu lohnen dranzubleiben...


    Danke für Eure Meinungen,


    Grüsse

    mosaique

  • Jetzt, mit ein wenig Abstand zum Buch, kann ich auch ein paar Zeilen dazu schreiben, die aber eher nicht als Buchvorstellung zu lesen sein können.


    Vermutlich wird mich Jude bis an mein Lebensende begleiten. Die Autorin hat ihm alles zugemutet, was man einer Buchfigur andichten kann, und wenn man sich darauf einlässt, bekommt man irgendwann das unheimliche Gefühl, dass man hier über eine reale Person liest. (Vorgestern habe ich einen sehr unschönen Traum von einem offenen Bein gehabt - es war mein eigenes, das Fleisch war wundbrandig bis runter auf den Knochen; das Bild werde ich nicht mehr los...)

    Hanya Yanagihara kann sich jedenfalls einreihen neben Irving, Frantzen, Boyle und wie sie nicht alle heißen.


    Es mag etwas skurril anmuten, aber ich musste bei einer bestimmten Beziehung immer an Ernie und Bert denken. Noch jemand?

    Kaum Frauen vorhanden in der Geschichte oder nur am Rand? Vielleicht die Konsequenz daraus, dass Jude von seiner Mutter auf den Müll geworfen wurde und danach nur noch Männer eine Rolle in seinem Leben spielen.


    Das einzige, was mich wirklich sehr gestört hat:


    Alles in allem fand ich das Buch sehr gut geschrieben, aber zu lang.

    Ein 8-Punkte-Buch.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Ich habe sehr, sehr gehadert mit diesem Buch. Es hat viele großartige Momente, Szenen und Beschreibungen, die mich überraschten, mitrissen oder in tiefe Verzweiflung stürzten. Das Gefüge von Beziehungen, egal, ob ungut oder glücklich, ist sehr genau und sehr überzeugend geschildert, mehr als einmal hätte ich die Figuren gern einfach nur geschüttelt vor Wut oder Verzweiflung. Aber dazwischen kapitelweise Langeweile. Seitenlange Aufzählungen von irgendwelchen Straßennamen, belanglose Begegnungen, wiederholte Andeutungen - das Buch hätte gern nur die Hälfte an Seiten haben können.