Nils Mohl: Zeit für Astronauten
Verlag: Rowohlt Taschenbuch 2016. 432 Seiten
ISBN-13: 978-3499216787. 14,99€
Vom Verlag empfohlenes Alter: 14 - 17 Jahre
Verlagstext
Was ist härter – noch nicht ganz 16 zu sein oder schon Anfang 20? Körts, eine schräge Gestalt aus den Riegeln am Stadtrand, trägt seit neuestem gebügelte Hemden. Das Schülerpraktikum absolviert der 15-Jährige im Reisebüro des Einkaufszentrums. Er träumt von seiner früheren Nachbarin Domino, rund fünf Jahre älter als er und für ihn praktisch unerreichbar. Die wiederum bekommt eines Tages eine rätselhafte Postkarte von ihrem lang verschollenen Mitbewohner Bozorg. Die Spur führt an den Rand des Kontinents, 3.000 Kilometer weit im Süden. Lebenswege kreuzen sich, die Vergangenheit drängt sich in die Gegenwart, ein Countdown beginnt zu laufen – und die Frage bleibt: Wo geht die Reise hin, wenn plötzlich alles auf dem Spiel zu stehen scheint?
Der Autor
1971 in Hamburg geboren, wo er auch heute lebt. Sein Debütroman "Kasse 53" erschien 2008, 2009 folgte "Ich wäre tendenziell für ein Happy End". - Für "Es war einmal Indianerland", den Auftakt einer Romantrilogie über das Erwachsenwerden, wurde er u. a. mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis und mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.
Inhalt
Nils Mohl schließt seine in einer Hamburger Hochhaussiedlung spielende Vorstadttrilogie nach „Liebe“ und „Glaube“ nun mit dem Motto „Hoffnung“ ab. Im Viertel gibt es unverändert nur Cems Markt und ein Reisebüro. Einziges Kulturangebot bietet die Kirche. Im Pfarrbüro arbeitet inzwischen Edda, den Lesern vertraut aus den Vorgängerbänden; ihre Videothek hat sich längst überlebt. Neben der ebenfalls vertrauten Domino betritt der 15-jährige Kevin Körts die Bühne, der sein Image mit einem Hörgerät aufpoliert, obwohl er nicht hörbehindert ist. Körts liebt zum Ärger seiner Mutter die 5 Jahre ältere Domino und hat sich ein Geschäftsmodell zur Versorgung betagter Rentner aufgebaut. Damit scheint er direkt auf die schiefe Bahn zuzusteuern, obwohl der Einblick in die Schicksale anderer ihm auch guttut. Kevin braucht dringend einen Praktikumsplatz, besser noch einen Ausbildungsplatz; denn er will auf keinen Fall in der Nachtschicht einer Süßwarenfabrik landen wie sein Vater.
Um Domino rankt sich eine phantastische Geschichte. Sie will nach Sinillyk reisen, auf der Suche nach der ganz bestimmten Landschaftsszene auf einer Ansichtskarte. Die Ansichtskarte ist Dominos Schlüssel, um Bozorg zu finden. Bozorg soll in einer Urlaubsregion eine leer stehende und unwirklich wie das Weltende wirkende Ferienanlage renovieren. Das Zusammentreffen der drei jungen Leute an einem fiktiven Urlaubsort weckte bei mir die vage Hoffnung, dass Körts die Hochhäuser, die „Riegel“ seiner Kindheit, endgültig hinter sich lassen und Arbeit im Tourismus finden wird. Die Suche nach Personen und Lebenszielen hat etwas von einem Road-Movie. Die Sehnsuchtsorte des Buches könnten fiktive Schauplätze von Märchen oder Mythen sein, aber auch Verballhornung deutscher Pauschalurlaubsziele. Liest man Sinillyk rückwärts, lässt sich im Wort ein noch in den 70ern menschenleerer Strand entdecken, den inzwischen der Pauschal-Tourismus verschlungen hat.
Der dritte, unabhängige Band der Reihe berichtet die Ereignisse von 10 Tagen. Wieder wird im Text wie in Film oder Musikstück vor- und zurückgezappt. Bozorg trifft man auch in der Vergangenheit an; blickt in Dominos und Körts Zukunft, jeweils mit einem kurzen Schritt nur ein paar Wochen weiter und mit einem langen Schritt 40 – 60 Jahre später. - Das Bild der Astronauten stammt aus einer Therapiesitzung, steht hier aber auch für ein schwerelos schwebendes Ungeborenes im Mutterleib.
Fazit
Nils Mohl zeigt junge Leute, die sehr erwachsen wirken und in ihrer Suche nach Lebenssinn und Arbeit mit Problemen Erwachsener zu kämpfen haben. Kevin wirkte allein durch die Anrede mit seinem Nachnamen „alt“ auf mich, so dass ich mir immer wieder ins Gedächtnis rufen musste, dass er noch Jugendlicher ist. Dass die Figuren durch den Blick voraus in meiner Vorstellung tatsächlich erwachsen werden, trägt stark zu dieser Wahrnehmung bei. Das Vor- und Zurückzappen im Leben der Figuren liefert alles andere als leichte Unterhaltungslektüre, lässt Mohls junge Darsteller aber auch nachhaltig in Erinnerung bleiben.
7 von 10 Punkten