Karen Duve - Macht

  • • Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
    • Verlag: Galiani-Berlin (18. Februar 2016)
    • Sprache: Deutsch
    • ISBN-10:

    ASIN/ISBN: 386971008X

    • ISBN-13: 978-3869710082


    Kurzbeschreibung (Amazon)
    Noch nie war Liebe so finster und Weltuntergang so unterhaltsam.
    Frauen haben die Regierung an sich gerissen, Pillen geben ewige Jugend, religiöse Endzeitsekten schießen wie Pilze aus dem Boden und ein genervter Mann kettet seine Frau kurzerhand im Keller an ...
    Wir schreiben das Jahr 2031: Staatsfeminismus, Hitzewellen, Wirbelstürme, Endzeitstimmung und ein 50-jähriges Klassentreffen in der Hamburger Vorortkneipe ›Ehrlich‹. Dank der Verjüngungspille Ephebo, der auch Sebastian Bürger sein gutes Aussehen verdankt, sehen die Schulkameraden im besten Rentenalter alle wieder aus wie Zwanzig- bis Dreißigjährige, und als Sebastian seine heimliche Jugendliebe Elli trifft, ist es um ihn geschehen. Wen interessiert es da noch, dass die Krebsrate von Ephebo bei 60% innerhalb der nächsten zehn Jahre liegt?


    Alles könnte so schön sein, wäre da nicht Sebastians Frau, die ehemalige Ministerin für Umwelt, Naturschutz, Kraftwerkstilllegung und Atommüllentsorgung, die er seit zwei Jahren in seinem Keller gefangen hält. Dort muss sie ihm seine Lieblingskekse backen und auch sonst in jeder Hinsicht zu Diensten sein. Seiner neuen Liebe steht sie jetzt allerdings im Weg. Bei dem Versuch, sich seine Frau vom Hals zu schaffen, löst Sebastian eine Katastrophe nach der anderen aus ...


    Über die Autorin
    Karen Duve, 1961 in Hamburg geboren, lebt in der Märkischen Schweiz. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Ihre Romane Regenroman (1999), Dies ist kein Liebeslied (2005), Die entführte Prinzessin (2005) und Taxi (2008) waren Bestseller und sind in 14 Sprachen übersetzt. 2011 erschien ihr Selbstversuch Anständig essen, in dem sie die Frage aufwarf »Wie viel gönne ich mir auf Kosten anderer?« und damit eine breite Diskussion über unser Konsumverhalten auslöste. Zuletzt erschien von ihr die Streitschrift Warum die Sache schiefgeht (2014). Die Verfilmung ihres Romans Taxi kam im Sommer 2015 in die Kinos.


    Meine Meinung
    Gar nicht so leicht, dieses Buch zu einzusortieren und zu bewerten. Ich habe es als politisch-dystopische Gesellschaftssatire empfunden, bitterböse und mutig, mit einem sarkastischen und schwarzen Humor, der einem das Lachen im Hals stecken bleiben lässt.


    Man schreibt das Jahr 2031, die Menschen in Deutschland leben in einer Art feministischen Demokratie, der Klimawandel zeigt drastische Auswirkungen, Technik und Medizin haben einige befremdliche „Fortschritte“ gemacht.
    Sebastian ist meiste Zeit seines Lebens einer von den „Guten“ gewesen, ein Kämpfer für die Umwelt, die Gleichberechtigung und den Erhalt unseres Planeten – nun, im fortgeschrittenen Alter (dazu später mehr) von ca. 70 Jahren hat er aufgegeben. Der Punkt, an dem eine Umkehr noch möglich wäre, ist für ihn überschritten und er geht davon aus, dass der Menschheit noch 5 bis 10 Jahre beschieden sind bis zu ihrem endgültigen Untergang. Seitdem sind bei ihm die moralischen Schranken gefallen. Er isst wieder Fleisch – und hat seine Exfrau im Keller seines Hauses eingesperrt, wo er sich in jahrelang unterdrückter männlicher Machtausübung ergeht. Daraus entwickeln sich bizarre Situationen, von merkwürdig über grotesk bis hin zu grausam und brutal. Nichtsdestotrotz trägt Sebastian seine vorwurfsvollen Thesen bezüglich der Selbstvernichtung der Menschheit beständig auf den Lippen.


    Die Geschichte ist ziemlich verstörend, aber interessant und fesselnd geschrieben, die Beschreibungen ebenso anschaulich wie drastisch. Karen Duve nimmt kein Blatt vor den Mund und schont ihre Leser nicht. Sie legt den Finger schonungslos in die offenen Wunden unserer Gesellschaft - nicht nur in Bezug auf Umweltzerstörung und teilt dabei nach allen Seiten aus. Ausgehend vom Status Quo zeigt sie, wohin die Reise in den nächsten Jahren gehen könnte (ihrer Überzeugung nach sicher „gehen muss“) und dabei kriegt so ziemlich jeder sein Fett weg.


    Besonderes Augenmerk legt sie dabei auf den übersteigerten Jugendwahn der Menschen, der sich ja bereits heute abzeichnet. Mit Ephebo hat man in der näheren Zukunft ein Medikament entwickelt, welches die Jugend zurückbringt. Wobei sich durch die Dosierung steuern lässt, welchen Grad an Verjüngung man erzielen will. Die überwiegende Zahl der Übersiebzigjährigen bewegt sich demnach in Körpern von deutlich Jüngeren, so auch Sebastian. Das Ganze bezahlt man mit einem exorbitant gesteigerten Krebsrisiko, was aber keinen interessiert, weil jeder denkt, ihn wird es schon nicht erwischen. Sebastian sieht die Sache durchaus realistisch, aber auch für ihn ist das nicht weiter von Bedeutung, da es nach seiner festen Überzeugung über die nächsten paar Jahre hinaus eh keine Zukunft geben wird.


    Wie die Geschichte am Ende aufgelöst wird, hat mir gefallen. Es passte so. Glaubwürdigkeit und Stimmigkeit bezüglich der Figuren und der Ereignisse sollte man nicht so eng sehen. Alles ist überzeichnet, wenig subtil, ja sogar ein bisschen plakativ. Manchmal hatte ich den Eindruck, Karen Duve hat sich im Vorfeld diverse Schubladen zurechtgelegt und dann sämtliche Figuren passend einsortiert.


    Ihr drastisches Anprangern der Umweltzerstörungen durch Geldgier, Gleichgültigkeit und Versagen von Wirtschaft und Politik ist mir noch geläufig durch ihre Streitschrift "Warum die Sache schiefgeht". Ihre aufrüttelnden Wahrheiten sind es durchaus wert, wieder und wieder ausgesprochen zu werden. Aber es stört mich ein bisschen, dass sie es dem Leser quasi mit dem Holzhammer eintrichtert. In den ersten beiden Dritteln des Buches gibt es kaum ein Gespräch, das sich nicht um Endzeitszenarien dreht und in welchem nicht die immer gleichen Vorwürfe fallen.


    Trotz der kritischen Anmerkungen war es für mich ein interessantes Buch, das sicherlich polarisieren und so manchen er- und abschrecken wird, dem ich aber trotzdem viele Leser wünsche.
    7 Punkte

  • Danke für die Rezi, Lumos. Ich überlege gerade, ob mich das Buch (oder auch das andere mit dem Schieflaufen) interessiert, bin da noch nicht ganz entschlossen. Ich glaube, ich entdecke gerade meine Zuneigung für Dystopien und hier - egal, ob es dystopisch ist oder nicht - reizen mich ja auch die Themen und so. Bei dir klingt das Buch ja auch ganz passabel und spannend.
    Ich hatte ja vor einiger Zeit mal einen Artikel gelesen über das Buch und da kam es nicht so gut weg. Keine Ahnung, kann das daran liegen, dass ein Mann den Artikel schrieb? :lache


    Der hier war es: http://www.zeit.de/kultur/lite…02/karen-duve-macht-roman

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  • Hab den Artikel gerade überflogen.
    Die Wiederholungen zu "Warum die Sache schief geht" sind mir auch aufgefallen.
    Aber gut, Karen Duve engagiert sich sehr für ihr Anliegen und ihre entsprechenden Veröffentlichungen dazu haben schon etwas Verzweifeltes, Extremes. Und irgendwie überspitzt, doch ich fürchte, dass sie im Kern in den meisten Belangen recht hat.


    Bei diesem Buch und o.g. Vorgänger kommt es sehr auf Sichtweise und Einstellung des Lesers an. Deshalb gehen die Meinungen extrem auseinander - siehe auch die Amazon-Rezis.
    Manchmal dachte ich, der Schreiber hat ein anderes Buch gelesen. Da werden Dinge kritisiert, bewertet und unterstellt, die ich so überhaupt nicht wahrgenommen hatte.
    Z.B. wird ihr vorgeworfen, sie sei eine Männerhasserin - das kann ich absolut nicht nachvollziehen.


    Nur auf die reine Handlung reduziert, käme Macht bei mir auch deutlich schlechter weg ;-). Aber alles zusammengenommen ist es für mich en 7-Punkte-Buch.


    Ich lasse das Buch gerne wandern.
    Falls es jemand lesen möchte, sagt mir nur Bescheid, dann mache ich einen Thread auf und schicke es los.

  • So, ich habe dank Lumos das Buch lesen dürfen. Ich habe bereits recht ausführlich und mit einigen Anmerkungen meine Meinung in dem "Was lesen die Eulen zur Zeit"-Abteilung (Macht - Karen Duve - Buch und Hörbuch) etwas geschrieben, daher hier nur kurz.


    Also, ich bin mit dem Buch leider nur begrenzt warmgeworden. Woran das ganz genau lag, weiß ich nicht, aber ich denke, mir war das einfach zuviel des Guten - es wurden sehr viele sehr interessante und vor allem auch wichtige Themen angesprochen bzw. sie haben in dem Buch eine Rolle gespielt (Verjüngungs"wahn" bzw. "Sehnsucht", Vernachlässigung bzw. "Zerstörung" der Umwelt und Klimaerwärmung, Konsum von Fleisch, gesellschaftliche Rollenverteilung,...). Das find ich grundsätzlich gut und dass sich da Frau Duve diese Mühe macht und die Reaktionen anderer nicht scheut, halte ich ihr sehr zugute. Das ist heute einfach doch mehr als nötig, denn irgendwie richten wir uns und die Erde doch immer mehr zugrunde, glaube ich oft.
    Mit dem Aspekt, dass die Hauptfigur Sebastian seine Frau gefangen hielt, wollte Frau Duve offenbar noch auf Fritzl und seine "Machenschaften" aufmerksam machen bzw. dieses Thema verarbeiten. Und das war wohl der Punkt, an dem mir das zuviel wird. Zuviele Themen auf einmal, zu dick aufgetragen, teilweise kam es mir sogar sehr plump vor. Und das hat mich dann doch sehr gestört.


    Kurzum: Wichtige Themen etwas unglücklich rübergebracht. Zwei Bücher hätten es evtl. aufnehmen können, aber als ein Roman ist mir das doch zuviel.


    Von mir gibt es 6 Punkte. Gut gemeinte 6 Punkte. :lache

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  • Titel: Macht
    Autorin: Karen Duve
    Verlag: Galiani
    Erschienen: Februar 2016
    Seitenzahl: 413
    ISBN-10: 386971008X
    ISBN-13: 978-3869710082
    Preis: 21.99 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Wir schreiben das Jahr 2031: Staatsfeminismus, Hitzewellen, Wirbelstürme, Endzeitstimmung und ein 50-jähriges Klassentreffen in der Hamburger Vorortkneipe 'Ehrlich'. Dank der Verjüngungspille Ephebo, der auch Sebastian Bürger sein gutes Aussehen verdankt, sehen die Schulkameraden im besten Rentenalter alle wieder aus wie Zwanzig- bis Dreißigjährige, und als Sebastian seine heimliche Jugendliebe Elli trifft, ist es um ihn geschehen. Wen interessiert es da noch, dass die Krebsrate von Ephebo bei 60% innerhalb der nächsten zehn Jahre liegt?
    Alles könnte so schön sein, wäre da nicht Sebastians Frau, die ehemalige Ministerin für Umwelt, Naturschutz, Kraftwerkstilllegung und Atommüllentsorgung, die er seit zwei Jahren in seinem Keller gefangen hält. Dort muss sie ihm seine Lieblingskekse backen und auch sonst in jeder Hinsicht zu Diensten sein. Seiner neuen Liebe steht sie jetzt allerdings im Weg. Bei dem Versuch, sich seine Frau vom Hals zu schaffen, löst Sebastian eine Katastrophe nach der anderen aus ...


    Die Autorin:
    Karen Duve, geb. 1961in Hamburg, lebt mit einem Maultier, einem Pferd, einem Esel, zwei Katzen und zwei Hühnern auf dem Lande in der Märkischen Schweiz. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.


    Meine Meinung:
    Beim Lesen dieses Buches ging mir der Text des Auftrittsliedes des Kalman Zsupan „Ja, das Schreiben und das Lesen sind nie mein Fach gewesen“ aus der Operrette „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauss nicht aus dem Kopf.
    Kannte Johann Strauss vielleicht Karen Duve? Hat diese literarische Möchtegern-Amazone schon mal gelebt.? Denn das Schreiben ist wahrlich nicht ihr Ding.
    Gegürtet mit einem Kampfgewand aus triefenden Männerhass, das literarische Bajonett ist aufgepflanzt – zieht das Duve-Mädchen in den Kampf, in den Kampf gegen die Männerwelt, gegen die Männerwelt, gegen die Männerwelt und gegen die Männerwelt.
    Aus jeder Pore dieses Romanes dringt ihre Aversion gegen die Männer.
    Ist das jetzt der vielbeschriebene Penisneid – oder ist da in ihrem Oberstübchen vielleicht ein wenig durcheinander geraten. Man weiß es nicht.
    Denn sie schreibt über etwas, von dem sie so gar keine Ahnung hat: Über die Männer.
    Ein echtes Ärgernis ist aber, wie Frau Duve versucht, ihre Message unters Volk zu bringen. Platt, plakativ und wenig aussagekräftig. Ihre politische Aussagen wirken wirr und werden mit dem Holzhammer präsentiert.
    Sie entwirft keine Zukunftsvision – sondern das was sie wahrscheinlich für eine Zukunftsvision hält ist nichts anderes als wirr zusammengekleisterter Science-Fiction-Müll.
    Aber ich bin ihr dankbar – dankbar für diesen Roman.
    Der ist nämlich so schlecht, dass er fast schon wieder gut ist.
    Und nebenbei erinnere ich mich an eine Zeit, als Karen Duve noch durchaus lesenswerte Bücher geschrieben hat. Lang, lang ist's her.
    2 Eulenpunkte sind das höchste der Gefühle – mehr gibt es nicht für vergewaltigte Buchseiten.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Du magst nur zwei Eulenpunkte für das Buch geben - ich allerdings gebe glatte 10 zerkaute Eulen Bienen für diesen überaus vergnüglich zu lesenden Verriss! Es tröstet Dich unter Umständen ein wenig das Deine Lesezeit nicht vollkommen verschwendet war, denn deine Ausführungen sind für jeden Leser ein echter Genuß! :anbet

  • Wenn man dieses Buch freiwillig liest, dann ist man selber schuld; und nicht etwa Frau Duve. Dass die liebe Autorin in ihrem Plot schwächelt, wurde mir klar als die Vornamen programmatischen Inhalt entpuppten. Christine ist auf Auferstehung programmiert. Was will Fr. Duve mit dieser doofen Masche bezwecken, ausser dass man sie selbst für grenzdebil hält?

  • Zitat

    Original von Larissa
    Wenn man dieses Buch freiwillig liest, dann ist man selber schuld; und nicht etwa Frau Duve.


    Wie liest man denn ein Buch unfreiwillig?
    "Macht" als Schullektüre kannst du nicht gemeint haben - denn würde man das Buch in der Schule lesen, dann wäre das ein klarer Verstoß gegen den gesetzlich verankerten Bildungsauftrag der Schule.


    Frau Duve ist schuld nach dem Verursacherprinzip. Hätte sie diesen Müll nicht geschrieben, wir würden uns nicht über "freiwillig oder unfreiwillig lesen" unterhalten.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich durfte dieses Buch hier im Forum als Wanderbuch lesen und möchte mich dafür auch noch mal ganz herzlich bedanken.


    Ich wollte dieses Buch unbedingt lesen, weil ich von "Anständig Essen" von Karen Duve wahnsinnig beeindruckt und begeistert war.
    Leider hat mich aber ihr neues Werk "Macht" enttäuscht und auch ratlos zurückgelassen. Es ist mir schon klar, dass man einen Roman nicht mit "Anständig Essen" vergleichen kann, trotzdem hätte ich mir eindeutig mehr davon erwartet oder erwünscht.


    Den Anfang von "Macht" fand ich noch ganz interessant zu lesen. Die Autorin erschafft ein erschreckendes Bild von dem Leben auf der Erde, wie es 2031 vielleicht bei uns aussehen könnte. Auf Grund der Klimaveränderungen und der extremen Erderwärmung steht der Weltuntergang kurz bevor. Es gibt eine "Schönheitspille", die zwar krebserregend ist, dafür aber jedem das Aussehen eines 20 jährigen schenkt. Und es wurde ein CO2-Punkte-System für das Essen von Fleisch und das Autofahren eingeführt. Diese Darstellung unserer Erde und wie sie vielleicht in einigen Jahren zur Realität werden könnte, haben mich zu Beginn des Romans schon fasziniert.


    Allerdings dreht sich dann nach ca. 100 Seiten der Hauptteil der Handlung nur noch um Sebastian Bürger und wie er seine Frau in einem eigens dafür hergerichteten Kellerraum gefangen hält und brutal behandelt. Und diesen Teil des Buches fand ich zum Teil ganz schlimm zu Lesen. Es kommen einige sehr brutale Szenen vor mit Gewalt gegen Frauen. So was lese ich einfach gar nicht gerne. Auch wenn ich versuche das Ganze mit einer gewissen Distanz zu lesen und mir bewusst bin, dass die Autorin es absichtlich übertrieben darstellt geht so was bei mir einfach gar nicht. Und ich bin dabei nur ratlos, was mir die Autorin damit sagen möchte.


    Die Handlung wird bis zum Ende des Buches immer wirrer und konfuser und ich war zum Schluss einfach nur froh, als ich die letzten Seiten gelesen habe und das Buch zuklappen konnte.


    Ich denke, dass Karen Duve mit dem Buch die wirklich gute Absicht hatte, den Leser auf die Missstände unseres Lebens hinzuweisen und vor einem drohenden Weltkollaps zu warnen. Leider kann ich bis auf die gute Idee aber nichts Positives in diesem Roman erkennen.
    Für mich leider sehr enttäuschend. Ich gebe dem Buch noch gut gemeinte 4 Eulenpunkte, weil ich die Autorin sonst sehr schätze.

  • Frau Duves Idee dieser zukünftigen Gesellschaft finde ich gar nicht so übel. Es hätte eine hübsche kleine Satire daraus werden können ähnlich wie Stepford Wives. Leider verschenkt sie diese Idee, indem sie sie als Rahmenhandlung benutzt für ihr eigentliches Thema. Dumm nur, dass dieses Thema keine Rahmenhandlung gebraucht hätte und vermutlich erheblich besser funktionieren könnte, wenn die Autorin den Mut gehabt hätte sich ausschließlich auf dieses Thema zu konzentrieren.
    Das ist für mich das größte Manko dieses Buches: es fehlt ihm resp. der Autorin an Mumm. Zugegeben, meine Erwartungshaltung war hoch, weil ich schon einige wirklich packende Bücher über solche Macht"spiele" kenne. Tatsache ist aber auch, dass die Autorin diese Erwartungen selbst weckt durch ihre Wahl der Ich-Perspektive. Da hätte mehr, viel mehr kommen müssen als dieses zimperliche, plätschernde Erzählen eines farblosen, konturlosen Protagonisten. Man merkt Frau Duve zu sehr an, dass sie ihre Figuren abscheulich und verächtlich findet. Natürlich sind sie das auch. Aber sie selbst würden das nicht so sehen – und deshalb funktioniert die Geschichte nicht.
    Für mich ist das Buch angefüllt mit Konjunktiven: hätte, könnte, wäre. Ein Buch voller verschenkter Möglichkeiten, ein Versuch, der gescheitert ist. Und nicht mal grandios gescheitert. Leider einfach nur belanglos.

  • Während ich ein echter Fan von "Anständig essen" war und bin, wirkt dieser Roman von Karen Duve für mich wie hingeschmiert.


    Es wirkt wie eine Übernahme der Berichterstattung der Webseite Ökosystem-Erde und dazwischen geqeutscht eine leicht überdrehte Handlung eines Mannes, von dem man nicht weiß, ob er nun ein Psychopath sein soll oder einfach nur völlig überfordert von Alter, Frust und Umweltgeschehen.


    So richtig viel konnte ich mit dem Buch also leider nicht anfangen und kann es auch nicht weiterempfehlen. Ich hätte mir bei diesem Thema etwas Ernsteres, Realistischeres gewünscht.


    Klar, das Buch ist auch bissig und über-ironisch, enthält sicher auch viele Wahrheiten und dennoch - es war ein bisschen, als wäre die Hauptfigur eine männliche Ausgabe von Andrea Schnidt (erschaffen von Susanne Fröhlich) und gehörte eher in die Chick-Lit-Ecke (für frustrierte Männer).


    Ach ja, und ich habe herzlich gelacht, als Sebastian Bürger gleich auf der ersten Seite im Jahr 2031 sein analoges Telefon mit Drehwahlscheibe in die Buxe steckt - das funktioniert ja schon heutzutage nicht mehr (ja, ich habe es ausprobiert und nein, ich kaufe keinen Adapter für 30 Euro, damit es funktioniert). :lache


    Mehr als schlaffe 5,5 Punkte kommen für mich leider nicht dabei heraus.


    Sehr schade.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

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  • Vorweg: Es gibt schlechtere Dystopien.


    Man sollte das Buch als Satire lesen, um Enttäuschungen vorzubeugen. Schließlich ist die Autorin keine Physikerin; denn wäre sie eine, dann hätte sie gewusst, dass in 15 Jahren das Gesetz der Entropie noch wirksam sein wird. Ephebos könnten 2031 die Alterung zwar verlangsamen, aber sie können niemanden jünger machen. Das funktioniert nicht!


    Einige Trends hat die Autorin unterhaltsam verstärkt, andere übersehen, manches sehr klischeehaft dargestellt. Aber so etwas liegt nun mal in der Natur der Dystopie, schließlich kennt niemand die Zukunft. Insofern verstehe ich auch die Kritiker nicht, die der Autorin vorwerfen, sie habe es sich zu leicht gemacht. Witzig ist ihr Werk allemal und die Zeichnung der handelnden Figuren ist ihr ausgezeichnet gelungen.


    Ob die beste Zeit der Menschheit hinter uns liegt, weiß niemand, allerdings werden die Probleme nicht weniger, das sollte uns allen klar sein. Ich habe das Buch gerne gelesen, dabei über die Zukunft nachgedacht und mich gut unterhalten.


    Mehr habe ich nicht erwartet.

  • Beeindruckend, aber nicht Duves größter Wurf


    viersterne.gif


    Seit ihrem irrwitzigen „Regenroman“ (1999), der mir, um Herrndorf zu zitieren, damals echt den Stecker gezogen hat, habe ich hin und wieder geschaut, was die Duve so macht, deren Werk zu folgen in etwa so leicht ist wie eine bestimmte, einzelne Fliege in einem Pferdestall zu fangen. Nachdem sie im Jahr 1996 den „Gratwanderpreis“ des feministischen Kampfblatts „Playboy“ gewonnen hat, gab es von ihr neben vielen anderen Veröffentlichungen politische Essays, Sachen wie das ironische Märchen „Die entführte Prinzessin“, Romane wie „Taxi“ und das hinreißende „Dies ist kein Liebeslied“, das Selbstversuchs-Tagebuch „Anständig essen“ und zuletzt den historischen Roman „Fräulein Nettes letzter Sommer“ über Annette von Droste-Hülshoff. Duves im Jahr 2016 publizierter Langtext „Macht“ ging dabei fast an mir vorbei, aber nur fast.


    Der Roman spielt im Jahr 2031 und verdichtet sozusagen die Sachtexte „Anständig essen“ (2011) und „Warum die Sache schiefgeht“ (2014) zu einer fiktiven Geschichte. Im Mittelpunkt steht der Ich-Erzähler Sebastian Bürger, der in einem erfundenen Hamburger Vorort mehr oder weniger allein in einem ganz normalen Einfamilienhaus lebt. Mehr oder weniger, weil er im Keller seine Ex-Frau gefangen hält, die ihn verlassen hat und Ministerin in Berlin wurde. Bei einem Besuch hat er sie überwältigt und eingekerkert.

    Der Klimawandel hat inzwischen ordentlich zugeschlagen, die halbe Welt ist verwüstet, invasive Pflanzenarten verdrängen alles andere, und die Stürme, die über die Republik fegen, sind so stark, dass sich kaum jemand noch eine Gebäudeversicherung leisten kann. Für Fleischkonsum und Energie muss man rare CO2-Wertepunkte eintauschen. Das Land wird von einer feministischen Regierung verwaltet, geführt jedoch von einem Kanzler Olaf Scholz, und ganz allgemein gibt man dem, was vom Planeten übrig ist, noch höchstens eine Dekade. Andererseits: Die frei erhältliche Arznei „Ephebo“ erlaubt es, sich drastisch zu verjüngen, also beispielsweise wie Sebastian, der eigentlich in den Siebzigern ist, wie ein Spätdreißiger auszusehen und durchzugehen. Das Mittelchen hat allerdings einen Pferdefuß: Je jünger man sich damit macht, umso stärker wächst das Krebsrisiko. Und wenn man „Ephebo“ absetzt, wechselt man schnell vom Bio-Alter ins Chrono-Alter zurück.


    Unterm Strich geht es Sebastian richtig prima, der im „Demokratiezentrum“ arbeitet, wo die Kandidaten für das inzwischen drastisch eingeschränkte passive Wahlrecht auf Eignung getestet werden. Die Kinder kommen nur selten zu Besuch, und im Keller wartet Christine, die dort angekettet ist und alle denkbaren Erniedrigungen hinnehmen muss. Sebastian foltert, drangsaliert und vergewaltigt sie. All ihre Fluchtversuchte enden böse für sie.

    Aber dann begegnet Sebastian auf einem Klassentreffen seinem Jugendschwarm Elli, und zu seiner Überraschung fängt Elli mit ihm eine leidenschaftliche Affäre an. Was das Arrangement mit der Ex im Keller eigentlich überflüssig macht ...


    Anfangs habe ich mit dem Text ganz schön kämpfen müssen, weil Sebastian ohne jeden Zweifel ein präzise skizzierter, widerlicher Drecksack ist, zugleich nach meinem Geschmack ein bisschen zu klug für die egoistischen, misogynen und in jeder anderen Hinsicht verachtenden Tiraden, die er so von sich gibt (und die Karen Duve übrigens ausnahmslos in Foren und Chats eingesammelt hat, in denen sich Männer treffen, die sich von Frauen unterdrückt fühlen) oder in die Praxis umsetzt, aber vielleicht wollte ich’s auch einfach nicht wahrhaben. Lässt man sich jedoch auf diese Konstellation ein, wird „Macht“ zu einer extrem originellen, oft amüsanten, zynischen, bösartigen, verblüffenden und nicht selten spannenden Dystopie, in deren Mittelpunkt die, äh, Kritik an patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen steht, um es möglichst nett zu sagen. Plakativer und direkter ausgedrückt erklärt der Roman, dass die Welt ohne die Hampel-Männer eine deutlich bessere wäre, und dass es vor allem die körperliche Überlegenheit ist, die dieses Ungleichgewicht und seine längst irreparablen Folgen aufrechterhält. Um das zu unterstreichen, zieht Duve wirklich alle Register, doch der fundamentale Kunstgriff besteht darin, die Argumentation der frauenfürchtenden Honks gegen sich selbst zu richten.


    Das funktioniert oft, aber nicht immer. Als erzählerisches Experiment ist „Macht“ durchaus beeindruckend, als Vision jedoch an zu vielen Stellen mit zu heißer Nadel und zu dünnem Faden gestrickt, zu sehr entlang der Prämisse, in Sebastian Bürger alle Spielarten toxischer Männlichkeit vereinen zu wollen, bis hin zu Figuren wie Josef Fritzl oder Wolfgang Přiklopil. Damit wird die Hauptfigur allerdings überfordert, dadurch knirscht das Konstrukt viel zu oft, aber ohne diese Überspanntheit wäre „Macht“ vermutlich nicht so irre lesbar, wie es das nun einmal ist, obwohl es in literarischer Hinsicht nicht zu den größten Würfen von Karen Duve gehört - und die Geschichte ein weniger schlichtes Ende verdient gehabt hätte.