Haus der Begegnungen - Martin Amis

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  • Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
    Verlag: Carl Hanser Verlag


    Originaltitel: House of Meetings
    Übersetzt aus dem Englischen von Werner Schmitz.


    Kurzbeschreibung:
    Ein Roman über sie Gräuel der Stalin-Ära: in der lebensfeindlichen Landschaft Sibiriens geht es für 2 ungleiche Brüder einzig und allein um das pure Überleben. Lev und sein älterer namenloser Bruder, der als Ich-Erzähler auftritt, erleiden die unmenschliche Hierarchie eines Gulags, in der Kriminelle nicht nur das Sagen haben, sondern ihre von der Lagerleitung geduldete Macht auch skrupellos gebrauchen.


    Über den Autor:
    Martin Amis, 1949 in Swansea?/?Wales geboren, wurde schon mit seinem ersten Roman berühmt. Weitere erfolgreiche Romane und Erzählungsbände folgten. Zuletzt erschienen bei Hanser Yellow Dog (Roman, 2004), Die Hauptsachen (2005), Koba der Schreckliche (2007), Haus der Begegnungen (Roman, 2008) und Die schwangere Witwe (Roman, 2012). Martin Amis lebt in London und Uruguay.


    Über den Übersetzer:
    Werner Schmitz wurde 1953 in Köln geboren. Dreikönigsgymnasium 1964-72. Studium der Volkswirtschaftlehre (Diplom 1977). Seit 1970 ernsthafte Beschäftigung mit Literatur, ab 1975 erste Versuche, literarische Texte zu übersetzen. Seit 1981 hauptberuflicher Übersetzer.
    2011 wurde er mit dem angesehenen Rowohlt-Übersetzerpreis geehrt.


    Mein Eindruck:
    Martin Amis Gulag-Roman kann nicht mit den Texten von Walam Schalamow oder Atemschaukel von Herta Müller verglichen werden, da in diesen Werken jeweils authentische Erfahrungen betroffener Menschen eingeflossen sind. Martin Amis hat die Fakten hingegen „nur“ recherchiert, aber das offensichtlich ziemlich gründlich.
    Ich bin dennoch fast genauso vom Amis Roman beeindruckt wie von den vorgenannten, da der Autor seine ganze Wut und Ausdrucksstärke in seine große Erzählkraft gelegt hat. Den entstandenen Text liest man nicht gleichgültig!


    2 Männer, Halbbrüder, treffen sich nach Ende des zweiten Weltkriegs in einem sibirischen Gefangenenlager wieder. Sie sind den harten und lebensbedrohlichen Bedingungen ausgeliefert. Aber sie gehen ganz unterschiedlich damit um.
    Während der Icherzähler sich anpasst, sogar selbst Täter wird, wie schon bei vorangegangenen Kriegshandlungen, ist der jüngere Bruder Lew Pazifist. Seine Methode ist der passive Widerstand. Das ist sicher der härtere Weg, aber Lew ist kein Schwächling. Er bewahrt sich seine Menschlichkeit unter widrigsten Umständen, während viele Menschen um ihn herum körperlich und seelisch zerbrechen.


    Amis beschreibt die Lebensumstände im Lager glaubhaft und detailliert. Man liest mit Grausen, wie weit die Aufseher gehen, wie die Gefangenen leiden, die Kälte und der Hunger.


    Lew ist ein intellektueller, ein Dichter, und in seine Frau Zuya verliebt. Nicht nur Lew ist eine bemerkenswerte Figur, auch der Erzähler, der die weit zurückliegenden Erlebnisse als alter Mann schildert. Er ist ein großer und kräftiger Mann, ein rauer Typ, entschlossen und skrupellos. Bei allen Zynismus, die er ausstrahlt, teilt er doch die Sensibilität seines Bruders. Er ist sich seinem Handeln klar bewusst und ich meine, auch seine Sympathie für seinen jüngeren Bruder zu spüren. Mehrfach versucht er, ihn im Lager zu schützen.
    Amis mengt ein wichtiges Thema ein: die Liebesfähigkeit unter bedrohlichen Umständen. Er diskutiert anhand des Textes, was Menschlichkeit ausmacht.


    Auch die Zeit nach der langen Lagerhaft wird betrachtet. Das Leben der Brüder bleibt miteinander verknüpft.


    Martin Amis schreibt ohne Kompromisse. Das machen seine Romane so kontrovers umstritten. Ob und wie weit die Handlung Kitsch ist oder nicht, darüber haben die Kritiker weit auseinanderliegende Meinungen.
    Ehrlich gesagt, würde ich der deutschen Gegenwartsliteratur so eine mutige Form und Sprache wünschen, vielleicht wäre sie dann einmal nicht so ausdruckslos und wenigstens etwas risikofreudiger.


    Fazit: Für mich ist Haus der Begegnungen ein gelungenes Buch, das mich sprachlich und inhaltlich beeindrucken konnte.