Ulysses - James Joyce

  • Ach, wie schön. :knuddel1


    Zitat

    Original von Gummibärchen
    Ich weiß nämlich gar nicht, ob ich schon reif für das Buch bin


    "reif"! Was für ein schreckliches Wort! Ich stelle mir da immer Obst kurz vor dem Herunterfallen vor. :lache


    Zitat

    Original von Gummibärchen
    Ich fürchte, viele Andeutungen würde ich gar nicht verstehen, weil ich da doch noch meinen geistigen Horizont etwas erweitern muss bzw. möchte.


    Da geht es mir nicht anders.


    Zitat

    Original von Gummibärchen
    Und die nötige Ruhe für dieses Buch habe ich derzeit ohnehin wohl - innerlich - gar nicht.


    Sollte man schon haben.


    Zitat

    Original von Gummibärchen
    Trotzdem machen deine Beschreibungen Mut und wecken meine Neugier.


    Gut so!

  • Nach einer doch länger als beabsichtigten Pause geht es hier weiter:


    6.
    Mr. Bloom macht sich mit drei anderen Männern in einer Kutsche auf zum Friedhof, um der Beerdigung von Patrick Dignam beizuwohnen. Die Gespräche drehen sich um alles mögliche, nur nicht um den Verstorbenen. Da wird geplaudert und auch mal verschämt gelacht. Und was gehen ihm dabei für Gedanken durch den Kopf! Teils sehr ernsthafte und traurige, aber auch makabre. Er denkt an seine Familie, stellt sich vor, wie ein Friedhofsaufseher um eine Frau wirbt. Er hat Ideen, wie man der Holzverschwendung durch die Särge mittels Falltüre entgegenwirken könnte. Er denkt über Witwenschaft und Leben nach dem Tod nach. Mal glaubt er nicht daran, später überlegt er, wie es den Toten wohl geht.


    Er beobachtet andere und versucht herauszufinden, was in ihren Köpfen vorgeht.
    Sätze werden abgebrochen, frühere Gedankengänge werden später wieder aufgegriffen. Es ist für den Leser manchmal schon eine Herausforderung dem zu folgen. Dabei erlebt man ein Wechselbad der Gefühle, von Melancholie, Nachdenklichkeit, Heiterkeit.


    Ich finde das alles sehr realistisch und menschlich. Teilweise finde ich mich darin wieder. Man kennt das ja, wie die Gedanken spazieren gehen können. Man sieht etwas, spinnt das weiter.
    Allerdings frage ich mich, wie jemandem am Schreibtisch sitzend diese springenden Gedanken einfallen. Wie tief muss er sich in diese Situation hineindenken!


    Nebenbei macht man eine Fahrt durch Dublin. Die vier Flüsse bzw. Kanäle sollen die vier Unterweltsflüsse repräsentieren. (um mal auf die Bezüge zur Odyssee zu sprechen zu kommen)

  • 7.
    Was für ein Wirrwarr! Klingt wie vom Winde verweht. Ist deshalb das Kapitel dem Äolos zugeschrieben?


    Es ist in viele kurze Abschnitte aufgeteilt, die schlagzeilenartige Überschriften haben. Schließlich findet die Handlung in einer Zeitungsredaktion statt. Wie passend.
    Die Gespräche wechseln von einem Thema zum anderen. Sicher ist das Alltag im Zeitungswesen. Je nach Menschentyp wechselt das Thema. Der Professor spricht von Pyrrhus, Marathon, vom Römischen Reich und seiner Kloakenkultur. Ein anderer macht fade Witze (Welche Oper gleicht einer Eisenbahnlinie? The Rose of Castille - the rows of cast steel). :rolleyes Und der Chefredakteur schreit ständig. Warum?
    Bei den vielen Personen habe ich den Überblick verloren und bei den Gesprächsthemen verstehe ich nur die Hälfte. Aber das macht nichts. Es kommt wunderbar die chaotische, hektische Atmosphäre rüber, wie ich sie mir bei einer Zeitung vorstelle. Jeder redet mit jedem, zwischendurch klingelt das Telefon, Leute kommen und gehen.
    Und immer wieder Bezüge auf Irland und auf die Juden, ihre Gemeinsamkeiten (heimatloses Volk). Spätestens jetzt ist klar, dass Bloom Jude ist, zumindest von der Abstammung her. Deshalb sein distanzierter Blick auf die kath. Kirche.


    Sprachlich bietet das Kapitel wieder einige Schmuckstücke:
    biskuitvoll murmeln, seitenstichlige Kicherrippe, das erste Kapitel der Guinnessis, welkendes Haar.


    Eine Stelle ist mir noch besonders aufgefallen:
    Jemand schwingt eine große Rede.
    Joyce schreibt dann:
    "Ob es wohl eine gibt, die sich diesen Mund wünschen möchte, diesen Mund ihrem Kuss? Wie willst du das wissen? Warum schriebst du's dann?"
    Zuerst überlegte ich, welche der zahlreichen Personen das wohl gedacht hat. Aber wieso dann "schriebst"? Wer hat denn das geschrieben? Joyce. Hat er sich hier selbst ins Spiel gebracht?

  • Zitat

    Original von made


    7.
    ...
    Bei den vielen Personen habe ich den Überblick verloren und bei den Gesprächsthemen verstehe ich nur die Hälfte.


    Ich habe leider erst jetzt im Internet ein paar Artikel überflogen zu den Stichwörtern Invincibles, Parnell, Home-Rules, Phönix-Park-Morde. Hätte ich das bloß früher gemacht! Es ist aber nicht immer leicht zu unterscheiden, wer oder was in dem Buch echt oder nur fiktiv ist.

  • 8.
    In diesem Kapitel geht es wieder ruhiger zu. Thema ist oft das Essen. Es wundert mich, dass Vegetarismus für Bloom ein Thema ist. Die große Hungersnot müsste doch noch sehr stark im kollektiven Gedächtnis Irlands vorhanden sein. Er denkt ja auch selbst über unterernährte Kinder nach, nur Kartoffeln und Butter. 15 Kinder in einer Familie! Er geht hart ins Gericht mit der Kirche diesbezüglich, von wegen "wachset und mehret euch".


    Die "Fütterung der Raubtiere", wie Bloom das Essen in einer Kneipe nennt, ist sehr, viel zu sehr anschaulich, da auch unappetitlich. :uebel Er hofft, dass der Tautropfen seines Gegenübers nicht von der Nase ins Glas fällt. Aber nein, der zieht ihn rechtzeitig hoch.


    Es ist immer wieder erstaunlich, was Bloom alles beobachtet und in den Kopf kommt. Offensichtlich kommen die Gedanken so schnell, dass er sie manchmal gar nicht ganz zu Ende denken kann. Er bricht die Sätze oft ab.


    Dazwischen kommt Nostalgie zum Vorschein. Gerade die romantischen Erlebnisse mit Molly stimmen wehmütig. Seit dem Tod Rudys ist nichts mehr wie vorher.
    Diese Abschnitte genieße ich immer sehr.
    Mit den Gedanken zu entbindenden Frauen und im Umgang mit dem Blinden zeigt Bloom sehr viel Einfühlungsvermögen. Er ist mir sehr sympathisch geworden.


    Mir ist aufgefallen, dass Joyce immer von "Mr." Bloom schreibt, also immer mit Anrede. Ich muss mal aufpassen, wie er es bei den anderen Personen macht. Sehr häufig verwendet er Vor- und Nachnamen. Also ich finde es bei uns schrecklich, dass Menschen oft nur mit dem Nachnamen bezeichnet werden. Gerade in den Nachrichten fällt mir das immer wieder sehr negativ auf.


    Noch was: Das Buch soll am 16. Juni 1904 spielen. Joyce erwähnt in diesem Kapitel Sinn Fein. Doch die wurde lt. wikipedia erst 1905 gegründet.


    Mr. (! :grin) Bloom verwendet immer wieder Sätze, die mich irgendwie an Sprüche oder Kinderreime erinnern. Das liegt vielleicht an seinem Beruf als Announcen-Akquirierer. Hier sagt er "grasen ab das grünegrüne Gras". Das kam mir bekannt vor. Dann kam ich drauf. Es ist aus dem Kinderlied "Zwischen Berg und tiefem, tiefem Tal". Da muss ja wohl der Übersetzer seine Finger im Spiel gehabt haben. Er findet einen Bezug von "abgreifen" zu "abgrasen" und dann zum Lied.


    Es war wieder ein tolles Lesevergnügen.

  • Nur am Rande...Siri Hustvedt schreibt in ihrem Buch "Lesen, Denken, Schauen" Folgendes: "Das erste Mal, mit achtzehn, als ich versuchte, Joyce' Ulysses zu lesen, machte ich mir solche Sorgen wegen meiner Unwissenheit, dass ich es nicht zu Ende lesen konnte. Einige Jahre später sagte ich mir, entspann dich, nimm in dich auf, so viel du kannst, und der Roman wurde zu einem wliden Durcheinander visueller, sinnlicher und emotionaler Erinnerungen, die mir teuer sind."


    Ich finde, das trifft ein bisschen auch das, was du hier so beschreibst. Aber mit 18 das erste Mal - ich bin beeindruckt. :grin

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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  • Zitat

    Original von Gummibärchen
    "Einige Jahre später sagte ich mir, entspann dich, nimm in dich auf, so viel du kannst, und der Roman wurde zu einem wliden Durcheinander visueller, sinnlicher und emotionaler Erinnerungen, die mir teuer sind."


    Ich finde, das trifft ein bisschen auch das, was du hier so beschreibst. Aber mit 18 das erste Mal - ich bin beeindruckt. :grin


    Ja, das trifft es genau: aufnehmen, soviel man kann; es bleibt ein Durcheinander von Eindrücken.


    Ich frage mich auch, was eine 18-jährige dazu bringt, dieses Buch zu lesen. Wahrscheinlich wollte sie damals schon Schriftstellerin werden und dachte, da müsse sie es einfach lesen.

  • Zitat

    Original von made
    [quote]Original von Gummibärchen


    Ich frage mich auch, was eine 18-jährige dazu bringt, dieses Buch zu lesen..


    Siri Hustvedt ist in einem intellektuellen Umfeld aufgewachsen. Ihr Vater war Professor Da war die junge Siri wohl schon mit anspruchsvoller Literatur aufgewachsen, könnte ich mir vorstellen

  • Zitat

    Original von Herr Palomar


    Siri Hustvedt ist in einem intellektuellen Umfeld aufgewachsen. Ihr Vater war Professor Da war die junge Siri wohl schon mit anspruchsvoller Literatur aufgewachsen, könnte ich mir vorstellen


    Das stimmt, das wollte ich auch schreiben, aber da ist mir Herr Palomar zuvorgekommen. Wenn man sich ein wenig mit der Person von Siri Hustvedt beschäftigt, dann kommt das einem gar nicht mehr so suspekt vor, aber ich hab da auch erstmal staunen müssen. ;-)

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  • 9.
    Nun wendet sich Joyce wieder Stephen zu. Es fiel mir nicht leicht, wieder dort anzuknüpfen. Gefühlt sind Monate vergangen. Aber tatsächlich ist es immer noch der gleiche Tag wie zu Beginn.
    Es liegt auch zum Teil daran, dass dieser Vormittag bisher aus zwei Blickwinkeln erzählt wird. Und natürlich werden Gedanken viel schneller gedacht als gelesen.
    :
    Generell ist es doch wohl so, dass der Denker viele Informationen nicht explizit ausdrückt, die der Leser aber wissen müsste, um dem Ganzen mühelos folgen zu können.
    Natürlich denkt man, wenn es um eine bestimmte Person geht, nicht den Namen oder erzählt sich sein Äußeres. Das weiß man ja alles. Man hat ein Bild und eine Erinnerung vor Augen, was dem Leser zuerst einmal verborgen bleibt, es sei denn der Denker legt sein Augenmerk darauf. Das macht es für den Leser schwierig.


    Inhaltlich habe ich einiges nicht verstanden. Immerhin soviel, dass es um Shakespeare geht und die Diskussion, inwieweit Autobiographisches in seinen Werken vorkommt, welche Familienmitglieder er in seinen Stücken verarbeitet. Um das alles zu verstehen, müsste man Shakespeares Werke und Biografie gut kennen.


    Ich frage mich, ob Joyce sich überhaupt darüber Gedanken gemacht hat, ob die Leser alle seine Andeutungen und Bezugnahmen verstehen. Sicher haben gebildete Zeitgenossen viel mehr verstanden als ich heutzutage, noch dazu als Nichtbrite wenig mit Shakespeare vertraut. Aber es gibt ja auch jede Menge Gedankensprünge, bei denen keine Bildung hilft. War er sich bewusst, was er seinen Lesern zumutet? Oder ging es ihm als Künstler nur darum, dieses Werk nach seiner Vorstellung zu schaffen. Sollen doch die Leser selber schauen, wie sie damit klar kommen!


    Wie schon zu Beginn beschäftigt Stephen das Thema Vater-Sohn-Beziehung und nun auch Bruder-Bruder.


    Witzig finde ich Joyce' Umgang mit Namen.
    "Mr. Best", der junge Student mit seinem neuen, großen, reinen, brillianten Notizbuch, heißt wohl nicht zufällig so.
    Er variiert Namen oder versieht sie mit Adjektiven je nach Situation: John Starrsinn Eglinton, Eglintonus Chronolologus, Mageeglinjohn, John Eklektikon. Aus Buck Mulligan wird Puck, Hofnarr in "Ein Sommernachtstraum".


    Wieder gibt es wunderbare Wortschöpfungen: Bosheit verzuckernd, eifrigruhig, springlauerte, zehenspitzelte, antiphonte, Stirnwanst.

  • 10.
    Ich habe erst ein paar Seiten von diesem Kapitel gelesen und muss schon wieder etwas loswerden. Ich stolperte über das Wort "besechsäugten". Dreimal musste ich das lesen, bis ich es verstand. Drei Jungen schauten einen Pater an. Herrlich, ich habs richtig vor mir gesehen, drei aufmerksame, respektvolle Augenpaare.


    Die zwei Ausdrücke "schamgesichtige" und "errötende Pfirsiche" stehen nicht nur als Beschreibung der Ware eines Obstladens da, sondern umrahmen die Anmache eines Kunden gegenüber der jungen Verkäuferin.


    "Baumschatten sonnenblinkender Blätter", "tintfunkelten"! Ich bin schon wieder hingerissen.

  • Fortsetzung Kap. 10
    Ich weiß nicht, ob sich bei mir Ermüdungserscheinungen bemerkbar machen oder ob ich in letzter Zeit nicht die nötige Ruhe hatte. Ich war nahe dran, dieses Kapitel als nahezu unverstanden abzuhaken. Viele verschiedene Szenen mit sehr vielen Personen, die mir zum Teil völlig unbekannt waren, in unverständlichen Zusammenhängen haben mich verwirrt. Erst die letzte Szene hat mir wieder auf die Sprünge geholfen, und die positiven Beiträge in der alten Leserunde haben mich animiert, dieses Kapitel noch einmal zu lesen.


    Jetzt ist mir vieles verständlicher. Im Grunde besteht dieses Kapitel aus einzelnen, unabhängigen Szenen, die in Dublin verteilt spielen. Doch Joyce verbindet diese Szenen miteinander, indem er Sätze (oder auch Personen) aus anderen Szenen ohne Zusammenhang einfügt. Später taucht dann dieser Satz fast unverändert in seinem richtigen Zusammenhang wieder auf.
    Was allerdings diese Maschine darstellen soll: "Die Scheibe schoß die Nut herunter, schwabbelte in Weilchen, blieb stehen und beäugelte sie: sechs." ist mich nicht klar geworden.


    Mehrfach taucht in diesen Szenen kurz die vizekönigliche Kavalkade auf, rauscht sozusagen durchs Bild. Die letzte Szene allerdings richtet den Fokus auf diese Kalvakade und zählt im Schnelldurchlauf all die Personen in den jeweiligen Situationen auf, denen sie begegnet ist. Mir kam das so vor, wie wenn verstreute Holzperlen auf eine Schnur aufgefädelt wurden.
    Das fand ich eine großartige Idee!



    Manchmal vergesse ich, in welcher Zeit das Buch spielt. Da werde ich dann schlagartig daran erinnert, wenn z. B. der Krankenwagen vorübergaloppiert.

  • 11.
    Die ersten zwei Seiten sind zunächst völlig unverständlich. Satzbruchstücke ohne Zusammenhang, dazwischen Lautmalereien. Erst im weiteren Verlauf wird klar, dass das vorweggenommene, verkürzte Aussagen des späteren Textes sind.


    Anschließend stocherte ich auch noch einige Zeit im Nebel, bis ich merkte, dass erstens zwei unabhängige Handlungsstränge sich abwechseln und schließlich (fast) aufeinander treffen. Und dass zweitens viele Zitate und Bezüge auf Lieder und Opern vorkommen. Ich habe einiges nachgelesen. So hab ich es immerhin geschafft, mich durch das Kapitel irgendwie durchzutasten.


    In einer Hotelbar treffen mehrere Menschen aufeinander. Musik spielt eine große Rolle. Erotik und Sexualität schweben durch den Raum und die Köpfe.


    Joyce spielt mit der Sprache, wie ich es noch nie gelesen habe. Ein Satzzbau, der mich an Gedichte erinnert, verleiht dem Text stellenweise Rhythmus.
    Er jongliert, experimentiert mit Worten und variiert Formulierungen.
    Beispiele:
    Der schwerhörige Kellner "Pat, der offenen Munds ohrwartete aufzuwarten", er "mitraisierte die Servietten", "Pat ist ein Aufwarter, der aufwartet, während man abwartet".
    "Schrill, mit tiefem Gelächter, nach Bronze in Gold, nötigten gellschrill einander sie schallvoll zu Schall, klingend in Wechseln, Bronzegold Goldbronze, schrilltief, lachvoll zu Lachen."


    Dann gibt es noch so schräge Formulierungen, wie folgende, als Miss Kennedy eine Frage beantwortete ohne ihren Blick von ihrem Buch zu heben:
    "Miss Kennedyblick, gehört, doch nicht gesehen, las weiter."


    Witzig beschrieben ist, wie Bloom seine Blähungen loswerden möchte. Zuerst dachte ich, er wollte nur einer bestimmten Person ausweichen. Dabei wollte er warten, bis die Luft rein war :lache. Und endlich dann "Geschafft!"
    Mit diesem Wort endet das Kapitel. Es spricht mir aus der Seele.
    Sehr anstrengend, aber auch wieder grandios!

  • 12.
    Das war ja fast eine Erholung!
    Ein namenloser Ich erzählt in einer schnoddrigen Sprache von seinem Treffen mit verschiedenen Menschen in einer Kneipe. Der Dialog verläuft so: "sag ich, ... sagt X, ... sagt y". Es werden Wörter verwendet wie: flöten gehen, Zaster, Quatschologie. Was ein Kirchenstuhlöffner beim Papst ist, kann ich mir nur vage vorstellen. Und ein Bestatter beschrieben als jemand, der Särge auch second-hand verkaufen kann, lässt meine Gehirnwindungen ordentlich rattern. :gruebel
    Es wird über verschiedene Menschen und Themen geplaudert, auch Antisemitismus, irischer Nationalismus und Kritik am Verhalten der Engländer in Irland. Teilweise ganz schön heftig!


    Doch immer wieder unterbricht Joyce diese Unterhaltung und greift ein Stichwort auf, das er im Berichtsstil ausbaut. Im Gegensatz zu der einfachen Sprache in der Kneipe ist sie hier gehoben, wie in einem Zeitungsartikel, teils in einer alter Sprache, pathetisch, hochgestochen oder am Klang der Bibel angelehnt, manchmal in einer sehr lyrischer Sprache.


    Dabei überspitzt und übertreibt er mit unendlichen, sehr kreativen Aufzählungen und bauscht dadurch Alltagsdinge auf, wie z. B. das Taschentuch, mit dem sich einer den Mund abwischt, nachdem er eine ganze Red-Bank-Auster an Schleim in die Ecke gespuckt hat.
    Jetzt wird aus diesem einfachen Taschentuch ein kostbares und reich besticktes altirisches Gesichtstuch von legendärer Schönheit, auf dem unzählige, ergreifende Szenerien dargestellt sind, die natürlich alle aufgezählt werden (ich habe 35 gezählt, inklusive Brauerei). "... sind darauf noch heute für uns aufbehalten, schöner gar noch durch die Wasser der Trübsal, die darüber geflossen, und durch die reichen Inkrustierungen der Zeit". :lache


    Aber auch Berichte ungewöhnlicher Situationen wie eine Seance oder Hinrichtung werden karikiert. Einfach köstlich makaber!
    Der Leser kommt sogar in den Genuss der Lyrik eines Hundes.


    Sehr beeindruckt hat mich die Kritik an den brutalen Methoden der britischen Marine, die in Form eines "Glaubensbekenntnisses" formuliert ist. "(Sie glauben an Stock den Marterer, den allmächtigen, Schöpfer der Höllen auf Erden ... von wannen ihm frommen wird nichts mehr, lebendig wie im Tode.")

  • 13.
    Genau in der Mitte des Buchs findet ein Feuerwerk statt, nicht nur von Raketen, sondern auch von erotischen Gefühlen und rein sexuellen Trieben.


    Ich finde es höchst erstaunlich, wie Joyce sich hier in die widersprüchliche Gedanken- und Gefühlswelt eines jungen Mädchens einfühlen kann. Naiv und gleichzeitig durchtrieben.
    Er beschreibt die Schwingungen und Signale, die zwischen ihr und einem reiferen Mann hin- und hergehen, aber auch missverstanden werden.


    Sie provoziert ihn durch eindeutige Anmache aus der Distanz und hat gleichzeitig den Traum, er solle für sie wie ein älterer Bruder sein ohne "das andere", von dem sie nur eine vage Vorstellung hat.


    Der Mann seinerseits schätzt das Mädchen als Luder ein, leicht zu haben. Doch er genießt und schweigt. Die Einzelheiten über sein nasses Hemd, und wo es klebt, dazu die passende Wortwahl zum Feuerwerk (Erregung, Verzückung, bersten, unterdrückter Schrei, seufzend) müssen damals ordentlich Furore gemacht haben.


    Gleichzeitig findet im Hintergrund ein Gottesdienst statt, zu dem Joyce immer wieder hinschwengt. Der Alltag der Menschen ist von Religion durchdrungen, dennoch ist der Aberglaube weit verbreitet.


    Die fließenden Gedankenströme, gelegentlich ohne Punkt und Komma, kennt der Leser mittlerweile zu Genüge. Doch Joyce setzt diesmal noch einen drauf: springende und abbrechende Gedanken im Dämmerzustand kurz vor dem Einnicken. Genial!