Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
Verlag: Droemer HC (1. März 2016)
ISBN-13: 9783426281147
Preis Gebundene Ausgabe: Euro 19.99
Preis Kindle E-Book: Euro 17.99
Autorin
Renate Ahrens, 1955 geboren, studierte Anglistik und Romanistik und war einige Jahre als Lehrerin tätig, bevor sie 1986 als freie Autorin zu arbeiten begann. Sie schreibt Romane, Theaterstücke und deutsch-englische Kinderbücher. Heute lebt sie mit ihrem Mann abwechselnd in Dublin und Hamburg. Renate Ahrens ist Mitglied des P.E.N.-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland. Nach ihrem Debüt "Der Wintergarten", veröffentlichte Renate Ahrens "Zeit der Wahrheit", "Fremde Schwestern", "Ferne Tochter" und "Seit jenem Moment".
Kurzbeschreibung/Klappentext
Irma (86) musste einst als jüdisches Kind mit einem Kindertransport aus Nazi-Deutschland über England nach Irland fliehen. Ihre Eltern und Freunde blieben zurück und verschwanden so aus ihrem Leben. Dieses Trauma begleitet sie und ihre irische Familie das ganze Leben – alles Deutsche wurde aus dem Alltag verbannt. Irmas Tochter Leah findet keinen Zugang zu ihrer Mutter und resigniert angesichts ihrer zurückweisenden Art. Als sich Irmas Enkelin Rebecca in den deutschen Studenten Jonas verliebt, rüttelt sie an dem Familien-Tabu. Doch anstatt Rebeccas gewecktes Interesse an Deutschland abzulehnen, beginnt Irma zu erzählen: Von ihrer Kindheit, ihrer damaligen besten Freundin und von einer Schuld, die sie auf sich lud. Und langsam verändern sich die Beziehungen der drei Frauen. Renate Ahrens erzählt in wunderbar reduzierter Sprache von drei Frauen und der Erkenntnis, dass Schicksalsschläge über Jahrzehnte und Generationen hinweg Zeit brauchen, um zu heilen.
Meine Meinung
Romane die sich mit dem Schrecken des 2. Weltkriegs befassen sind ein wichtiges Medium um gegen das Vergessen anzukämpfen. Gibt es aber nicht schon genüg Bücher mit diesem Thema? Diese Frage muss jeder Leser für sich selbst beantworten. Die Schriftstellerin Renate Ahrens nimmt sich diesem dunklen Kapitel der Zeitgeschichte an und macht daraus einen drei Generationen umspannenden Familienroman. In vielen kurzen Kapiteln erzählt sie abwechselnd aus der Sicht von Grossmutter Irma, ihrer Tochter Leah und der Enkelin Rebecca. Ob dieses Stilmittel des permanenten changierens zwischen den Perspektiven und den Personen gelungen ist muss jeder Leser selbst beurteilen. Manchen mögen diese schnellen Wechsel andere mögen sich vielleicht daran stören. Bei mir hat es dazu geführt, dass ich die ersten 150 Seiten in einem Rutsch gelesen habe. Bis zum Schluss habe ich dann noch knapp anderthalb Tage gebraucht. Bei mir ist das multiperspektivische Erzählen also auf Wohlwollen gestossen.
Inhalt: Irma Morgenstern aus Hamburg wird im Frühjahr 1939 als kleines Mädchen von ihren Eltern getrennt und in einem Kindertransport nach England gebracht und von dort weiter nach Nordirland. Bei einem Ehepaar, das Irma bei sich aufgenommen hat, gefällt es ihr gar nicht aber sie muss sich ihrem Schicksal beugen. Die neun Jahre auf der Farm sind mehr ein Überleben anstatt Leben. Ganz grob umrissen ist dies die leidvolle Vergangenheit die Irma stillschweigend in ihren Erinnerungen mit sich trägt. Die Geschichte springt in der Zeit ins hier und jetzt und Irmas Enkelin Rebecca verliebt sich ausgerechnet in einen deutschen Austauschstudenten. Dabei wird in der Irland ansässigen Familie alles was irgendwie Deutsch ist oder an Deutschland erinnert auch Jahrzehnte nach Kriegsende konsequent tabuisiert oder diskreditiert. Dass Rebecca ihren Freund ausgerechnet in Hamburg besuchen will löst schmerzliche Gedanken an längst vergangene Zeiten aus. Rebeccas Mutter Leah hat wiederum ein zwiespältiges Verhältnis zu ihrer Mutter Irma und steht zwischen den beiden Generationen. Die Spurensuche in die Vergangenheit nach einem verloren geglaubten Leben bringt Bewegung in die verkrusteten Familienbeziehungen.
Fazit: Die Autorin Renate Ahrens lässt ihre Figuren gefühlvoll auf verschiedenen Ebenen erzählen und alle kommen zu Wort. So entsteht bis am Schluss ein anschaulicher und angesichts seiner Erzählstruktur ein beziehungsreicher Roman der einem nicht kalt lässt. Das sich die Geschichte leicht lesen lässt hat mich im Bezug auf das düstere Thema etwas nachdenklich zurückgelassen. Wäre eventuell mehr möglich gewesen? Aber mehr von was? Hätte man die 343 Seiten lange Geschichte um fünfzig bis hundert Seiten ausbauen können um mehr Komplexität und/oder Tiefe zu erreichen? Oder ist alles genau richtig so wie es ist und die Essenz der Handlung wurde präzise erzählt? Ich kann es nicht beantworten und sehe das Buch wertungsmässig bei 7 bis 8 Eulenpunkten.